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Debatte: Klima, Corona und Co.: Was das Friedensfest in unruhigen Zeiten lehrt

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Klima, Corona und Co.: Was das Friedensfest in unruhigen Zeiten lehrt

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    Vom Klimacamp geht auch ein unduldsamer Ton aus. Doch griffige Sprüche werden der Komplexität unserer Gesellschaft nicht gerecht.
    Vom Klimacamp geht auch ein unduldsamer Ton aus. Doch griffige Sprüche werden der Komplexität unserer Gesellschaft nicht gerecht. Foto: Michael Hochgemuth

    Verführerisch ist der Frieden, besonders wenn er schon lange anhält. Dann verfällt man gern der leichtsinnigen Meinung, dieser angenehme Zustand sei ein selbstverständlicher. Und ein Gemeinwesen verspielt den Frieden, indem es allfällige Konflikte nicht bearbeitet, sodass sie unter der Oberfläche vor sich hin schwelen, bis Verhärtungen eintreten und eine kämpferische Frontstellung entsteht. Man hat sich nichts mehr zu sagen, man will sich auch gar nichts mehr sagen. Rechthaberisch brüllt man vielmehr die eigenen Parolen und hat bloß im Sinn, sich durchzusetzen.

    Auf mehreren Konfliktfeldern ist diese fatale Entwicklung in unserer Stadt derzeit zu beobachten. Demos gegen die behördlichen Maßnahmen gegen eine Ausbreitung des Coronavirus bestehen hauptsächlich aus Anklagen und Verdächtigungen. Trotzig stellen sich vorgebliche Verteidiger von Freiheit und Bürgerrechten gegen demokratische Institutionen. Maskenpflicht und Abstandsregel gelten als unzumutbare staatliche Gängelung. Anstatt bestimmte vielleicht überzogene amtliche Maßnahmen kritisch zu diskutieren, um Änderungen herbeizuführen, wird ein Urteil gesprochen und werden Schuldige ohne Chance zur Rechtfertigung angeprangert. Verständigung und Kompromiss scheinen hier unmöglich zu sein.

    Klima: Eine grüne Stadt wie Augsburg muss sich weiter anstrengen

    Ein anderer, jedoch nicht weniger unduldsamer Tonfall geht vom Klimacamp neben dem Rathaus aus. Keine Frage: Klimaschutz ist die Zukunftsfrage. Selbst eine grüne Stadt wie Augsburg muss sich weiter anstrengen, den Klimakiller CO2 merklich zu verringern. Doch ist das Ziel erreicht, wenn der Stadtrat und die Stadtwerke sich entschließen würden, sofort aus Kohlestrom auszusteigen? Politische Symbole mögen griffige Sprüche erzeugen, der Komplexität unserer Gesellschaft werden sie nicht gerecht.

    Luisa Neubauer, Klimaschutzaktivistin, war zu Besuch im Klimacamp am Augsburger Rathaus.
    Luisa Neubauer, Klimaschutzaktivistin, war zu Besuch im Klimacamp am Augsburger Rathaus. Foto: Silvio Wyszengrad

    „Es ist brutal, wie viele Unterlagen man durchackern muss“, stellte Neu-Stadträtin Lisa McQueen dieser Tage über ihr Mandat fest. Ja, ein Gemeinwesen zu steuern ist eine schwierige Aufgabe. So vieles greift ineinander, bedingt und beeinflusst sich. Jede Änderung hat Folgen, die erwogen werden wollen, wenn es eine verantwortungsvolle Politik werden soll.

    Der Frieden ist eine mühsame Aufgabe

    Genau darin besteht die mühsame Aufgabe des Friedens. Sie wird nicht einmalig in einem wohlformulierten Vertrag erledigt. Sondern in einem anhaltenden Prozess von Aushandeln und Überprüfen. Und immer ist sie auch eine Frage der Macht: Wer setzt sich durch? Dabei zu unterliegen kann durchaus zur Erbitterung führen. Eine kluge Regierung wird deshalb ihre Kritiker nicht unterdrücken. Wer allein die reine Lehre oder das eigene Programm durchsetzen will, riskiert wütende Auflehnung.

    Kommen in einer so vielfältigen Stadtbevölkerung auch alle relevanten Interessen zu Wort? Dies wurde im Programm zum Friedensfest diskutiert. Es überrascht wenig, dass die unterschiedlichen migrantischen Milieus sich mitunter nicht genug beachtet fühlen. Es braucht Initiativen wie die Stadtteilmütter, um das Gespräch untereinander anzubahnen – vielleicht erst über die ganz alltäglichen Dinge.

    Automatisch wird die Kontaktaufnahme bei den unterschwelligen rassistischen Vorurteilen und Einstellungen landen. Wir tragen sie in uns und nehmen sie oft gar nicht wahr. Aber die, die nicht diesem „Normalen“ entsprechen, trifft die Aussonderung und Abwertung bitter in ihrem Selbstverständnis. Einige Worte sollten wir uns besser abgewöhnen.

    Was den Frieden in der Friedensstadt Augsburg stört

    Ob dazu der Mohr zählt? Oder der Judenberg? Oder die Kolonialwaren? Darüber ist zu reden. Nicht jedem, der sie verteidigt, sollte bitte Rassismus unterstellt werden. Unser historisches Gewissen wird nicht dadurch rein, dass wir die (bösen?) Worte austilgen, aber nichts über Ziele und Einstellungen unserer Vorfahren wissen. Zudem: Verbannte Worte landen gern im Arsenal radikaler Kräfte für ihre gezielten Provokationen.

    Augsburg, Reformation und Hohes Friedensfest

    Immer am 8. August feiert Augsburg das Hohe Friedensfest - ein bundesweit einmaliger Feiertag, der die große Bedeutung der Stadt für Kirche und Reformation in Deutschland herausstellt.

    Beim hohen Friedensfest wird dem Westfälischen Frieden von 1648 und damit verbunden dem Augsburger Reichs- und Religionsfrieden von 1555 gedacht.

    Damals war auf dem Reichstag zu Augsburg das Gesetz des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation beschlossen worden.

    Dieses Gesetz gestand den Anhängern der lutherischen Confessio Augustana nach vielen Jahren der Unterdrückung und Verfolgung dauerhaft ihre Besitzstände und freie Religionsausübung zu.

    Augsburg war damit eine Keimzelle der Reformation, die die Welt veränderte.

    1518 wohnte Martin Luther in Augsburg. Anlass war seine Begegnung mit Kardinal Cajetan im Augsburger Karmelitenkloster, als er seine kirchenkritischen Thesen erstmals verteidigte.

    Das Augsburger Hohe Friedensfest wurde erstmals im Jahr 1650 begangen.

    Auch ein Aufreger religiöser Art stört den Frieden in der Friedensstadt: Wem gehört das Hohe Friedensfest? Den Christen allein? Sie haben sich vor 370 Jahren mühsam zusammengerauft. Längst ist die religiöse Wirklichkeit in Augsburg bunt geworden und diese Diversität abzubilden ist ein legitimes Unterfangen der Stadt, wenn sie ein Rahmenprogramm zum Friedensfest gestaltet. Streiten mag man darüber, wie sich die Religionen darin darstellen, ob dazu auch ihre Kulte gehören und wie die Teilnehmer darauf eingestimmt werden sollten. Frieden entsteht in der Verständigung – auch mit Gegenläufigem.

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