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Debatte: Hin und Her bei den Impfungen in Augsburg schadet der Glaubwürdigkeit

Debatte

Hin und Her bei den Impfungen in Augsburg schadet der Glaubwürdigkeit

Nicole Prestle
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    Die Stadt Augsburg hat die Corona-Strategie mehrmals geändert - sei es bei der Maskenpflicht oder beim Thema Impfungen.
    Die Stadt Augsburg hat die Corona-Strategie mehrmals geändert - sei es bei der Maskenpflicht oder beim Thema Impfungen. Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild)

    Es war ein Aufreger in den zurückliegenden Tagen: Eine Augsburger Steuerkanzlei mit knapp 50 Mitarbeitern ließ sich von einem mobilen Impfteam gegen Corona immunisieren. Vielen Bürgern hat das nicht gefallen, vor allem denen nicht, die laut Impfordnung eigentlich noch Vorrang gehabt hätten, weil sie älter sind, Vorerkrankungen haben oder Berufe, die mehr Kontakt zu Menschen mit sich bringen als die Arbeit von Anwälten. Man kann davon ausgehen, dass Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) zahlreiche Beschwerde-Mails und -Anrufe bekam. Ende der Woche entschuldigte sie sich für die Impfung der Juristen: Sie sei ein Fehler gewesen, „alle im Team“ – also die Stadt und der Betreiber des Impfzentrums – hätten sich deshalb Vorwürfe gemacht. Man habe daraus gelernt. Doch reicht diese Entschuldigung?

    Wenn es ums Impfen geht, sind die Befindlichkeiten groß. Eine Minderheit lehnt eine Immunisierung grundsätzlich ab, die große Mehrheit wäre lieber schon heute als morgen gegen Corona geschützt. Doch genau das ist das Problem: Nachfrage und Angebot klaffen auseinander, es gibt einfach nicht genügend Impfstoff – wofür die Stadt, die am Ende fürs Verteilen zuständig ist, nichts kann. Wenn das bisschen, das da ist, dann an die vermeintlich „falschen“ Menschen vergeben wird, gibt es zurecht Diskussionen. Schließlich hat die Bundesregierung eine Priorisierungsliste erarbeitet. Nach ihr kann man die Mitarbeiter der Kanzlei zur Stufe 3 zählen. Aber es gibt eben noch viele, gerade auch Ältere und Vorerkrankte aus der zweiten Stufe, die auf eine Impfung aktuell noch immer warten. An sie richtete sich nun auch die Oberbürgermeisterin, als sie ihre Entschuldigung formulierte.

    Kanzlei-Impfung: Stadt Augsburg blieb gute Erklärungen schuldig

    Grundsätzlich ist es wichtig, so schnell wie möglich so viele Menschen wie möglich zu impfen. Nur so können wir alle bald wieder zu einem „normalen“ Leben zurückkehren. Wenn eine Stadt bestimmte Gruppe und Einrichtungen vorzieht, dann braucht sie aber dennoch gute Erklärungen – und die konnte Augsburgs Verwaltungsspitze bislang in mehreren Fällen nicht geben. Wenn sich ein Bischof vorzeitig gegen Covid-19 impfen lassen kann und Geschäftsführer großer Einrichtungen heimlich ihre Partner einschmuggeln, entsteht bei den Bürgern das Gefühl, dass es Gleich und Gleicher gibt – oder dass zumindest zu lax kontrolliert wird, wer da um eine Impfung ansteht. Eine Entschuldigung allein kann diesen Verdacht nicht ausräumen. Sollte die Stadt Hinweise darauf haben, dass sie getäuscht wurde, weil eventuell unberechtigte Personen wie Partner oder Kinder auf der Liste standen, sollte sie diesen auch nachgehen. Man hat nicht den Eindruck, dass das derzeit passiert.

    Wer soll die Spritze schnell bekommen? Immer mehr Fälle zeigen, dass die Verteilung des raren Impfstoffs nicht immer gerecht abläuft – oder zumindest umstritten ist.
    Wer soll die Spritze schnell bekommen? Immer mehr Fälle zeigen, dass die Verteilung des raren Impfstoffs nicht immer gerecht abläuft – oder zumindest umstritten ist. Foto: Silvio Wyszengrad

    Auch konnten weder Gesundheitsreferent Reiner Erben (Grüne) noch Oberbürgermeisterin Eva Weber bislang schlüssig erklären, warum ausgerechnet die Liste mit den Mitarbeitern der Kanzlei beim Impfzentrum landete, noch weiß man, ob es noch andere Einrichtungen gibt, die frühzeitig geimpft wurden. Zur Verunsicherung trägt bei, dass die Stadt ihre Strategie mehrfach geändert hat: Wurden in Pflegeeinrichtungen und Kliniken Mitarbeiter zunächst unabhängig vom Wohnort immunisiert (was absolut richtig war), lehnte man solche Gruppenimpfungen später bei Schulen und Kindertagesstätten, die aktuell trotz hoher Infektionszahlen geöffnet sind, ab. Auch mit Verweis darauf, dass dann viele geimpft würden, die gar nicht in Augsburg, sondern im Umland leben. Bei der Kanzlei spielte das Thema Wohnort dann offenbar wieder keine Rolle mehr: Es wurde geimpft, salopp gesagt „quer durch die Region“.

    Es gibt Parallelen zur Maskenpflicht in Augsburg

    Ein Hü und Hott, zu dem sich Oberbürgermeisterin und Referent offensichtlich vor allem von öffentlicher Kritik hinreißen lassen und das Parallelen zum Masken-Auf-und-Ab und den Regeln für Radfahrer in der Innenstadt aufweist. Nun haben Eva Weber und Reiner Erben mehr Stringenz angekündigt. Mobile Teams sollen nur noch zu Bettlägrigen anrücken, nicht aber zu Kanzleien oder anderen Einrichtungen. Und für das Personal von Kitas und Schulen, das, je kleiner die Kinder sind, teils sehr hohen Infektionsrisiken ausgesetzt ist, gibt es nun doch die Gruppentermine im Impfzentrum. Mehr Stringenz ist wichtig. Denn unter dem ewigen Hin und Her leidet nicht nur die Glaubwürdigkeit der Stadt, sondern auch das Vertrauen in ihre Entscheidungen.

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