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Debatte: Auch nach einem Jahr Schwarz-Grün sind die Rollen nicht klar verteilt

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Auch nach einem Jahr Schwarz-Grün sind die Rollen nicht klar verteilt

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    "Zukunftsplan für Augsburg": Diesen Namen trägt der schwarz-grüne Koalitionsvertrag, der vor mehr als einem Jahr unterzeichnet wurde.
    "Zukunftsplan für Augsburg": Diesen Namen trägt der schwarz-grüne Koalitionsvertrag, der vor mehr als einem Jahr unterzeichnet wurde. Foto: Ulrich Wagner (Archivbild)

    Als sich die Fraktionen von CSU und Grünen im Februar via Internet einmal zu einem geselligen Austausch zusammenschalteten und dies - aus welchen Gründen auch immer - im Nachhinein via Facebook in wortgleichen Beiträgen kundtaten, ließ die Häme nicht lange auf sich warten. Angesichts der beim Internet-Plausch ausgemachten "ungeahnten Gemeinsamkeiten" frage man sich, ob sich die CSU demnächst an Bäumen festketten werde und die Grünen Kaufprämien für Verbrennungsmotoren fordern werden, ätzte die Satirepartei Die Partei.

    Man muss die Beiträge der selbsternannten Politclowns nicht immer witzig finden, aber sie spielen zu Recht darauf an, dass nach einem Jahr Regierungszeit manchmal noch nicht klar ist, wofür diese Stadtregierung, die Koalition und deren einzelne Bestandteile stehen. Es gibt einen Koalitionsvertrag mit dem Namen "Zukunftsplan", der aber wie alle Bündnisverträge nur eine Art kleinster gemeinsamer Nenner darstellt, der stichwortartig Ideen und Visionen skizziert.

    Corona prägte in Augsburg das politische Handeln

    Dass man noch nicht so recht weiß, wo die Reise hingeht, ist nicht verwunderlich: Zwei Koalitionäre fanden neu zusammen und mussten sich sortieren, vor allem aber prägte die Corona-Pandemie das politische Handeln - oder besser gesagt das Nichthandeln des ersten Jahres. Das Jahr im Zeichen der Pandemie war nicht die Zeit, um Wahlprogramme abzuarbeiten, weil weder Geld noch personelle Ressourcen da waren.

    Das ist nachvollziehbar, heißt aber auch, dass die dicken Brocken aus den Wahlprogrammen noch anstehen: Das betrifft konkrete Projekte wie ein 50-Meter-Schwimmbecken (von dem man angesichts der Finanzlage ohnehin nicht weiß, ob es kommt), aber auch Grundsatzentscheidungen in der Verkehrs- und Klimapolitik, die weitere Gestaltung der Wohnungsbaupolitik, neue Akzente im Wirtschafts- und Sozialbereich und am besten eine übergeordnete Klammer. Im Corona-Jahr fanden diverse Weichenstellungen statt, etwa der Beschluss zum CO2-Restbudget, der aber noch brisante Nachfolgeentscheidungen nach sich ziehen wird, wenn er ernsthaft umgesetzt wird. Zum Großteil hatten die Beschlüsse aber schon eine Vorgeschichte, sei es die Theatersanierung, die Trassierung der Linie 5 oder die Sanierung von FOS/BOS.

    Eva Weber hat Schwarz-Grün in Augsburg möglich gemacht

    Corona ist aber nicht der alleinige Grund, dass sich die Dinge noch nicht in die endgültige Position zurechtgeruckelt haben. Mit CSU und Grünen haben zwei Parteien zusammengefunden, die noch vor zehn Jahren geradezu verfeindet waren. Weber als Frontfrau hat dieses Bündnis, das unter ihrem Vorgänger Kurt Gribl (CSU) nur schwer vorstellbar gewesen wäre, möglich gemacht. Sie hat im Wahlkampf und gerade am Anfang ihrer Regierungszeit für viele Forderungen aus der Zivilgesellschaft Verständnis geäußert und die eigenen Überzeugungen so beschrieben, dass sie bei Gegnern nicht als kalte Abfuhr rüberkamen. Was sie konkret will, wie weit sie bei Grünen Kernthemen wie Klimaschutz mitgeht und wie sie demgegenüber das CSU-Kernthema Wirtschaft gewichtet, ist noch nicht so recht klar.

    Aber auch CSU und Grüne suchen noch ihren Platz - wie weit kann eine CSU bei Klimaschutz und Mobilitätspolitik gehen, ohne dass ihre Wähler sie als zu grün wahrnehmen, und wie viele Kompromisse und Verzögerungen können die im Wahlkampf mit klaren Forderungen angetretenen Grünen eingehen, ohne als Anhängsel der CSU wahrgenommen zu werden? Die zeitweise Lähmung durch Corona hat es allen nicht einfacher gemacht, ihre Rolle zu finden.

    Die Opposition setzt in Augsburg auf Konfrontation

    Bei der Opposition ist inzwischen ein klarerer Kurs auszumachen, nämlich Konfrontation. Dort sitzen im Gegensatz zur vergangenen Periode erfahrene Stadträte in ausreichender Zahl, die wissen, wie man auf Schwächen einer Regierung reagiert. Die Fällaktion im Gögginger Wäldchen ist ein Beispiel dafür. Gleichwohl zielt gerade die Sozialfraktion manchmal mit allzu grobem Schrot in Richtung Koalition, etwa als der Stadtregierung in der Corona-Krise massives Versagen attestiert wurde. Die Sondersitzung des Stadtrats zum Klimaschutz diese Woche weckte Erinnerungen an die erste Regierungsperiode von Gribl, als sich CSU und SPD zu Beginn erst einmal eine Stunde lang über die Tagesordnung zankten, bevor die inhaltlichen Diskussionen losgingen.

    Das ist manchmal ermüdend (die Klimasitzung dauerte bis 22.45 Uhr), gleichzeitig wird durch Nachfragen und Kritik deutlich: Es gibt häufig einen alternativen Weg zum Regierungshandeln, und Kontrolle gehört in einer Demokratie dazu, wobei man der Vollständigkeit halber erwähnen muss, dass sich Sozialfraktion und Bürgerliche Mitte jetzt zwar als Vorkämpfer des Klimaschutzes gerieren, dies in der Vergangenheit so aber nicht immer wahrnehmbar war.

    Zum "Miteinander" dürfte in der Stadtpolitik kein Weg mehr führen

    Ein Weg zu mehr "Miteinander", wie ihn Weber zu Beginn der Amtsperiode ankündigte und sich wünschte, scheint vorläufig nicht mehr absehbar. Schwarz-Grün zog in wichtigen Fragestellungen wie der Linie 5 und der Theatersanierung mit der eigenen Mehrheit Entscheidungen durch. Das ist auch in Ordnung, denn Kompromisse sind nicht immer die tragfähigste Lösung, und die Koalition agiert aufgrund einer gewählten Mehrheit. Dass die Opposition dann scharf kritisiert, ist aber ebenso legitim. Das Kollegialprinzip, nach dem es in Kommunalparlamenten formal keine Opposition gibt, mag im Gemeinderat des 3000-Einwohner-Dorfs schon richtig sein. In einer Großstadt mit 300.000 Einwohnern ist es nur eingeschränkt gültig.

    Insgesamt gilt: Das erste Jahr war wegen der besonderen Umstände durch Corona aufreibend für die Stadtregierung. Da unterscheiden sich Politiker nicht von Normalbürgern. Politisch spannender wird das zweite Jahr werden, wenn hoffentlich mehr politisches Alltagsgeschäft einkehren kann. Eine solide Bilanz kann man wohl erst dann treffen. Dann wird man sehen, wie weit die Gemeinsamkeiten von Schwarz-Grün nicht nur beim abendlichen Internetplausch, sondern auch bei harten Entscheidungen im Stadtrat gehen.

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