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Das Brautkleid der Brauerstochter Lina Wahl

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Das Brautkleid der Brauerstochter Lina Wahl

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    Eine geschickte Näherin

    Das edle Material und die Schneiderarbeit legen nahe, dass die Braut aus gutbürgerlichem Hause stammte. Die Geschichte des Brautkleides beginnt in Augsburg Anfang des 20. Jahrhunderts. Dort lebt die junge Marie Kaindl, eine gelernte Näherin, die als Damenschneiderin mit ihren geschickten Händen das wunderschöne Brautkleid für die hübsche und begabte Brauereibesitzertochter Lina Wahl anfertigt.

    Noch ist es etwas Besonderes, in einem handgeschneiderten, extravaganten Hochzeitskleid zu heiraten. Lina Wahl jedoch gehört einer großbürgerlichen, wohlsituierten Familie an, ihr Vater ist der Besitzer der Brauerei "Zum Schiff" in Kaufbeuren.

    Üblicherweise trägt eine Bürgerstochter an ihrem "schönsten Tag" ihr bestes Gewand, den Sonntagsstaat. Aus praktischen Erwägungen ist dieser meist in dunklen und gedeckten Farben gehalten, damit er nicht so schnell verschmutzt und leichter gereinigt werden kann. Außerdem kann die Braut das Kleid dann nach der Hochzeit noch zu verschiedenen Gelegenheiten tragen.

    Ein Kleid nur für einen Anlass ist damals noch die Ausnahme: Die wenigsten Bürger- und Landfrauen können es sich finanziell leisten. Ein cremefarbenes oder weißes Brautkleid ist zu Anfang des letzten Jahrhunderts noch ein Privileg des gehobenen Bürgertums und des Adels. Hochwertige Stoffe, wie Duchesse- oder Atlasseide, werden mit aufwendig geklöppelten Spitzen versehen und aufgewertet. Das weiße Kleid symbolisiert Reinheit, Unschuld und Tugend, eine jungfräuliche, makellose und ehrenhafte Braut, die im Angesicht Gottes vor den Traualtar tritt.

    Und so schreitet am 24. September 1904 Lina Wahl am Arm ihres zukünftigen Mannes, des Verwaltungsjuristen und späteren Landrats Max Renner, in München zum Altar.

    Was die junge Frau an diesem Tag noch nicht ahnt: Die Ehe, aus der eine Tochter und ein Sohn hervorgehen, wird schon nach wenigen Jahren mit dem plötzlichen Tod Max Renners im Jahr 1911 viel zu früh enden. Lina Renner überlebt ihren Mann lange, genau einundvierzig Jahre. Sie wird nicht mehr heiraten und lebt bis zu ihrem Tod 1952 alleine in der bayerischen Landeshauptstadt.

    Das Kleid verstaubt unbemerkt auf einem Dachboden im Münchner Stadtteil Neuhausen-Nymphenburg, bis es die Schwiegertochter Hella Renner im Jahr 2005 von seinem Dornröschendasein erlöst und es dem Textilmuseum in Augsburg überlässt.

    Ein Stück Unsterblichkeit

    Nach über hundert Jahren sind die Stimmen der Zeitzeugen verstummt und die Erinnerungen verblasst. Am Tag ihrer Vermählung schwirrten der jungen Lina sicherlich viele Gedanken durch den Kopf - aber bestimmt dachte sie nicht, ihr Brautkleid könnte nach mehr als hundert Jahren im Textilmuseum Augsburg zu bestaunen sein und ihrer kurzen Ehe damit ein Stück Unsterblichkeit verleihen. Birte Marei Bambusch

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