Werner Rödel sprudelt vor Ideen. Dabei war er kurz nach Weihnachten am Boden zerstört. Der Brandanschlag auf dem Augsburger Christkindlesmarkt hat ihn am meisten getroffen. Von seinem neun Meter langen Stand blieb nur ein verkohltes Gerippe übrig. Ein Teil der Waren, die er bis dahin noch nicht ausgeräumt hatte, verbrannten. Knapp vier Wochen später erzählt der Augsburger, warum er mit dem Feuerteufel nicht hadert und was er vorhat.
Morgens kurz vor sechs: "Werner, deinen Stand gibt es nicht mehr"
Als bei Werner Rödel am zweiten Weihnachtsfeiertag morgens kurz vor sechs Uhr das Telefon schellte, konnte er die Worte am anderen Ende der Leitung kaum fassen. „Werner, deinen Stand gibt es nicht mehr. Er ist abgebrannt.“ Ein Schock sei das für ihn gewesen erzählt der 61-Jährige rückblickend. „Vor allem aber war ich entsetzt über so viel Erbärmlichkeit. Derjenige hat das nicht nur mit einem Feuerzeug gemacht.“
Wie die insgesamt sechs Holzbuden in Brand gesteckt wurden, dazu äußert sich die Polizei bislang nicht. Die Kripo ermittelt weiterhin in dem Fall der vorsätzlichen Brandstiftung, bei dem ein Sachschaden von rund 50.000 Euro entstanden ist. Rödel, der an seinem Stand dort seit zehn Jahren allerlei Figuren wie Schutzengel, Gnome, Weihnachtselche und Charaktere der Augsburger Puppenkiste verkauft, hat es finanziell hart getroffen. „Ich habe keine Versicherung, die das auffängt. Dieses Jahr wird bei mir alles auf Kante laufen“, gibt er offen zu. Trotz der Ungerechtigkeit, die ihm widerfuhr, hadert er nicht mit dem oder den Tätern.
Lamentieren ist ihm fremd. Dafür ist er seinem Leben gegenüber zu positiv eingestellt. Der Mann mit dem grauen Zopf freut sich viel mehr über die Solidarität, die ihm nach der Brandstiftung entgegenschlug. Gerührt sei er von der angebotenen Hilfe von Kollegen des Christkindlesmarktes, aber auch von den Verantwortlichen des städtischen Marktamtes gewesen. Rödel zückt sein Smartphone und zeigt ein Bild eines Wackelelches, den er mal verkauft hat. „Die Aufnahme stammt aus einem Garten in Neuseeland. Dazu schrieben mir die Leute, dass ich bloß nicht aufgeben soll.“ So etwas bewegt ihn. Kapitulieren kam für Werner Rödel tatsächlich nie in Frage, auch wenn er zunächst Wut und Trauer empfand.
„Mein Stand wird beim nächsten Christkindlesmarkt schöner denn je. Das wird meine Antwort sein auf das, was da passiert ist“, sagt er aus tiefstem Herzen. Das „warum“ interessiere ihn nicht. „Ich glaube, das weiß derjenige selbst nicht. Es geht doch eher darum, wie sehr ein Mensch am Boden sein muss, um so etwas zu tun. Der setzt doch seine ganze Zukunft aufs Spiel wegen so einem Mist.“ Hass kenne er nicht. „Hass blockiert einen nur selbst.“
Augsburger Christkindlesmarkt: Er stand auch schon im Schlafanzug da
Froh dürfe man sein, dass in der Brandnacht keine der Gasflaschen in den Buden explodierte und Feuerwehrleute dadurch gefährdet wurden. „Was für ein unfassbares Glück. Alles andere kann man reparieren.“ Da ist Rödel pragmatisch. Mit viel Leidenschaft betreibt er den Handel mit den vielen Figuren, die er unter dem Jahr auch auf anderen Märkten in Bayern und Baden-Württemberg verkauft. Der Augsburger Christkindlesmarkt ist für ihn immer der Höhepunkt des Jahres. Sein langer Stand, der eigentlich aus drei Buden besteht, sei wie eine Zirkusarena mit vielen Überraschungen.
Kinder dürfen die Waren anfassen, er liebt es, mit seinen Kunden zu spielen, scherzt mit ihnen. „Ohne Grundvertrauen kann man doch nicht zusammen leben“, sagt er. Das lässt er sich auch nicht durch einen Brandstifter nehmen. Werner Rödel ersteht seine teils skurrilen Figuren auf verschiedenen Messen. Beim Einkauf, erzählt er, schaltet er die Vernunft ab und wählt die Waren nach Gefühl aus. Auch wenn er seinen Christkindlesmarkt-Stand aufbaut, tut er das mit dem Herzen. Da kann es auch sein, dass er morgens um sechs Uhr in der Bude steht, um noch einmal alles in der Auslage auszuräumen und wieder neu aufzubauen. Mit der Anordnung der vielen Figuren will er hundertprozentig zufrieden sein - auch wenn er manchmal dafür belächelt werde.
„Ich stand in der Früh auch schon im Schlafanzug drin und habe gearbeitet. Die Leute lachen dann.“ Ihm ist das egal. Werner Rödel lebt für seinen Stand und für die Kunden. Viele Stammkunden habe er. Bis in die Schweiz, wie er erzählt. Rödel freut sich auf den nächsten Christkindlesmarkt. „Das wird so ein Hammer-Stand werden.“ Diese Freude nimmt ihm keiner.
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