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Augsburg: Chef der Seniorenresidenz "Albaretto" rebelliert gegen Corona-Regeln

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Chef der Seniorenresidenz "Albaretto" rebelliert gegen Corona-Regeln

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    In der Seniorenresidenz Albaretto an der Bgm.-Ackermann-Straße leben rund 500 Menschen. Geschäftsführer Bernhard Spielberger macht gegen die Corona-Einschränkungen mobil.
    In der Seniorenresidenz Albaretto an der Bgm.-Ackermann-Straße leben rund 500 Menschen. Geschäftsführer Bernhard Spielberger macht gegen die Corona-Einschränkungen mobil. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die Seniorenresidenz Albaretto fällt schon aufgrund ihrer Größe auf: Mehr als 500 ältere Menschen leben in dem Gebäudekomplex in Kriegshaber, den man kaum übersehen kann, wenn man über die Bürgermeister-Ackermann-Straße fährt. Seit der Corona-Krise hat sich dort das Leben der Bewohner verändert, so wie in allen Einrichtungen, in denen Senioren betreut werden. Besuche waren zuletzt etwa nicht erlaubt. Nach dem Willen von Albaretto-Chef Bernhard Spielberger soll sich die Lage in der Residenz nun wieder normalisieren. Er hat vergangene Woche ein Schreiben an die Bewohner der Einrichtung verteilt, in dem er gegen die Einschränkungen im Freistaat wettert und sie teils als Panikmache kritisiert.

    So schreibt Spielberger etwa, „wir wollen unsere Großeltern nicht noch einen Geburtstag oder Weihnachten oder noch ein Osterfest isoliert wissen“. Er stellt in Frage, dass das Corona-Virus gefährlicher sei als die alljährliche Influenza-Welle und fordert ein Ende der Maßnahmen, die von der Regierung eingeführt wurden, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Es ist ein ungewöhnlicher Schritt, zumal in einer Seniorenresidenz, wo hunderte potenzielle Corona-Risikopatienten in großer Nähe zueinander wohnen.

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    Spielberger schreibt auch, sein Stresslevel sei wegen dieses Umstandes enorm. Und sagt auf Anfrage, er stelle nicht in Abrede, dass Covid-19 eine gefährliche Krankheit sei. Er habe auch alle Einschränkungen im Albaretto umgesetzt: die Leute isoliert, Sport- und Freizeitkurse abgesagt. Die Bewohner selbst hätten dagegen allerdings immer mehr rebelliert. „Sie wollten sich treffen und haben das einfach getan.“

    Bernhard Spielberger ist Geschäftsführer der Seniorenresidenz Albaretto in Augsburg.
    Bernhard Spielberger ist Geschäftsführer der Seniorenresidenz Albaretto in Augsburg. Foto: Michael Hochgemuth

    Es ist eine Haltung, die Spielberger offenbar gut nachvollziehen kann. Es seien erwachsene, hochbetagte Menschen, im Durchschnitt 80 Jahre alt, teils auch 100. „Man sollte ihnen selber überlassen, wie sie den Rest ihres Lebens verbringen wollen.“ Von den Betreuern höre er, dass die Bewohner in der Isolation vermehrt ihren Lebensmut verlören, sagt er. Deswegen habe er die Bewohner schriftlich selbst befragt, ob er in ein einem Schreiben an die Staatsregierung ein Ende der Maßnahmen fordern solle. Weit über 300 der Bewohner hätten geantwortet. „96 Prozent waren dafür, dass ich es abschicke“, sagt Spielberger.

    Zuletzt gab es ein weiteres Schreiben an die Bewohner, in dem der Geschäftsführer ankündigte, dass ab diesem Montag wieder Besuche von Verwandten und Freunden im Albaretto erlaubt würden, mit Ausnahme des Bereiches für schwer Pflegebedürftige. „Ich persönlich halte die Isolation älterer Menschen von ihren Freunden und Verwandten für menschenunwürdig und werde dies nicht länger mittragen.“

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    Teils gibt es innerhalb des Albaretto allerdings offenbar auch Kritik am Vorgehen des Geschäftsführers der Seniorenresidenz. Sie halte das, was Spielberger mache, für unverantwortlich, sagt eine Angehörige, die namentlich nicht genannt werden will. Er verunsichere einen Teil der Bewohner mit seinen Schreiben. Bereits vor Wochen kritisierten Angehörige, dass im Albaretto der Infektionsschutz im Bereich Betreutes Wohnen vernachlässigt werde und die Bewohner nicht genügend informiert und aufgeklärt würden. Dem widersprach Spielberger damals.

    Auch scheinen manche der im Schreiben an die Bewohner genannten Details fragwürdig bis falsch. Dass Virologen noch Mitte März erklärt hätten, dass Ende März „mindestens eine Million Menschen in Deutschland sterben werden“, wie Spielberger behauptet, stimmt etwa so nicht. Er schreibt zudem: „Die Schweden tun nichts und leben trotzdem noch!“, was in dieser Absolutheit auch nicht korrekt ist. So sind in dem Land beispielsweise Menschenansammlungen über 50 Personen verboten, Besuche in Altenheimen ebenso.

    Von Axel Heller, Uniklinik-Chefarzt und ärztlicher Leiter der Führungsgruppe Katastrophenschutz, heißt es auf Anfrage, man solle allgemein Vorsicht walten lassen, damit gerade in Altenheimen das Coronavirus nicht ausbreche. Das könnte ansonsten bedeuten, dass es noch viele Patienten gebe. Man sollte daher die Maßnahmen einhalten. In Altersheimen sei die Risikogruppe groß, sagt Heller.

    Diese Zettel hängen am Eingang des Albaretto aus.
    Diese Zettel hängen am Eingang des Albaretto aus. Foto: Wyszengrad

    Albaretto-Chef Spielberger sagt, er habe das Schreiben, in dem er ankündigt, Besuche wieder zu erlauben, auch an das Gesundheitsamt geschickt. Zur Prüfung. Tatsächlich ist das Albaretto kein klassisches Pflegeheim, eher schon eine Art Hotel. Beziehungsweise eine „Wohnungseigentümergemeinschaft, in der ich Dienstleistungen erbringe“, wie Spielberger es ausdrückt. Im Schreiben heißt es: „Ich empfehle Ihnen dringend zu Ihrem eigenen Schutz, den uns allen auferlegten Mindestabstand einzuhalten und während des Besuchs einen Mund- und Atemschutz (Maskerade) zu tragen.“ Ein Vorgehen, das die Behörden wohl billigen, wie Spielberger sagt. Am Dienstag kündigte nun der Freistaat ohnehin an, dass am Wochenende Besuche in Pflege- oder Seniorenheimen wieder zugelassen werden sollen, allerdings unter strengen Auflagen.

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