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Buch über KZ-Kommandant: Augsburger Hans Loritz: Sein Judenhass war grenzenlos

Buch über KZ-Kommandant

Augsburger Hans Loritz: Sein Judenhass war grenzenlos

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    Der Augsburger Hans Loritz im Jahr 1932 in der Uniform eines SS-Sturmbannführers der 29. SS-Standarte. Foto: Metropol Verlag
    Der Augsburger Hans Loritz im Jahr 1932 in der Uniform eines SS-Sturmbannführers der 29. SS-Standarte. Foto: Metropol Verlag

    Die Zeichnung auf dem Buchumschlag zeigt drei Uniformierte. Sie peitschen im KZ Dachau einen auf dem Bock liegenden Häftling aus - an Heiligabend 1938. Der Titel des Buchs ist lang: "Ordnungshüter und Massenmörder im Dienst der 'Volksgemeinschaft': der KZ-Kommandant Hans Loritz." Dieser war ein Augsburger. Eine umfangreiche wissenschaftliche Studie über den fanatischen Gefolgsmann Hitlers gab es bisher nicht. Jetzt hat der Historiker Dirk Riedel sie geschrieben.

    Hans Loritz ist der Sohn eines Polizisten. Er wird Bäcker, kommt als wandernder Geselle nach Innsbruck, Wien, Budapest, Berlin. Als Freiwilliger zieht er mit dem Augsburger 3. Infanterieregiment in den Ersten Weltkrieg. Er wird während der Somme-Schlacht verschüttet, erleidet bei Ypern eine Gasvergiftung, dann meldet er sich zur Fliegerei. Nachdem er die Fliegerschulen in Lagerlechfeld und Gersthofen absolviert hat, fliegt er Kampfeinsätze in Frankreich. Er gerät in Gefangenschaft. Die Erfahrungen an der Front werden zu einem prägenden Erlebnis seines Lebens. Nach der Heimkehr sattelt er beruflich um. Loritz meldet sich zur Polizei, besteht die Eignungsprüfungen mit gut und sehr gut; doch als er versucht, ein Unfallopfer zu einer falschen Aussage zu verleiten, muss er den

    Rechtliche Konsequenzen schien Loritz nicht mehr zu fürchten

    Loritz habe den Polizeidienst als Ermächtigung verstanden, gegen all diejenigen vorzugehen, die nicht seinen Ordnungsvorstellungen entsprachen, schreibt Riedel. Im Dritten Reich muss der Weg eines solchen Mannes fast zwangsläufig in die NSDAP und SS führen. Nachdem die Partei Hitlers bei der Abstimmung am 5. März 1933 in Augsburg erstmals die meisten Stimmen erhalten hat, brechen Loritz und seine SS-Männer nachts in den Perlachturm ein und hissen die Hakenkreuzfahne. Riedel: "Rechtliche Konsequenzen schien der ehemalige Schutzmann nicht mehr zu fürchten." Im Gegenteil: Bald darauf befehligt er die gesamte schwäbische SS - bis er in das SS-Hilfswerk Dachau versetzt wird, strafversetzt. Loritz hat sich gegenüber einem ranghöheren SS-Führer schlecht benommen. Dieses SS-Hilfswerk ist zwar in den Kasernen des Konzentrationslagers stationiert, hat mit diesem aber nichts zu tun.

    Juli 1934: SS-Standartenführer Loritz wird Kommandant des KZ Esterwegen im Papenburg/Emsland. "Eine Bestie in Menschengestalt", zitiert Riedel einen Häftling. 21 dieser Männer sind gestorben, als Loritz im Frühjahr 1936 zum Kommandanten des KZ Dachau aufsteigt. Der Kommunist Karl Röder: "Gleich in den ersten Tagen sahen wir, dass er vor keiner Grausamkeit zurückschreckte. Er führte Dutzende neuer Strafen ein, intensivierte die alten und errichtete ein Schreckensregiment, das in der Geschichte des Lagers ohne Beispiel ist." Die Grausamkeiten, die sich dieser Mann ausdenkt, lesen sich nicht leicht. Loritz foltert auch selbst. Sein Judenhass sei grenzenlos gewesen. Nero nennen ihn die Häftlinge - wie den blutbefleckten römischen Kaiser. Riedel: "Durch Schikanen, Strafterror, Unterernährung und Krankheiten kamen schon bis Ende November 1938 64 und im Dezember 1938 noch einmal 87 Juden ums Leben."

    1939, Zweiter Weltkrieg. Anfang Dezember wird Loritz Kommandant des KZ Sachsenhausen. Häftlinge, die diesen Mann in Esterwegen oder Dachau erlitten haben, versuchen, sich in andere Lager verlegen zu lassen. In diesem KZ ist Loritz ein politischer Gegner aus Augsburg ausgeliefert: Clemens Högg, bis 1933 sozialdemokratischer Reichstagsabgeordneter. 1933 war er ein Jahr lang in Dachau inhaftiert gewesen. Es gibt Vermutungen, dass Loritz ihn nach

    Er beteiligte sich persönlich an der Auswahl der Todeskandidaten

    Loritz hat mehr Opfer auf dem Gewissen. Als SS-Reichsführer Himmler befahl, arbeitsunfähige KZ-Häftlinge ermorden zu lassen, beteiligte sich der Kommandant persönlich an der Auswahl der 269 Todeskandidaten. Und als 1942 in den Konzentrationslagern 36 000 sowjetische Kriegsgefangene mit Genickschüssen ermordet wurden, soll ein Drittel von ihnen in Sachsenhausen erschossen worden sein. Der Lagerkommandant: Hans Loritz.

    Am 1. September 1942 wird Loritz - inzwischen unter Korruptionsverdacht - für die Dauer des Kriegs nach Norwegen strafversetzt. Dort ist er verantwortlich für die Absicherung von Fabrikanlagen gegen Sabotageakte des norwegischen Widerstands. Nach Kriegsende steht sein Name auf der Kriegsverbrecherliste der Siegermächte. Aber die SS hat vorgebeugt. Loritz besitzt Ausweispapiere auf den Namen Hans Berg. Zur Tarnung lässt er sich ein Spitzbärtchen wachsen und flieht nach Schweden. Von dort wird er im September 1945 nach Deutschland verschifft, unterwegs erkannt, nach der Ankunft in Lübeck verhaftet. In der Nacht vom 30./31. Januar 1946 erhängt Loritz sich in einer Zelle des Internierungslagers Neumünster.

    Es ist nicht leicht, die Biografie eines Nationalsozialisten zu lesen, wie der Augsburger Hans Loritz einer war. Ein solches Buch ist aber notwendig, um immer wieder zu erfahren, zu welchem Maß an Unmenschlichkeit Menschen während des Dritten Reichs imstande waren. Dirk Riedel hat sich dieser Aufgabe gestellt. Sachlich und gründlich schildert er das Tun und Lassen eines der schlimmsten deutschen KZ-Kommandanten. Gernot Römer


    Dirk Riedel: Ordnungshüter und Massenmörder im Dienst der 'Volksgemeinschaft': Der KZ-Kommandant Hans Loritz", Metropol, 424 S., 24 Euro

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