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Augsburg: Bestellt und behalten: Wenn Paketfahrer kriminell werden

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Bestellt und behalten: Wenn Paketfahrer kriminell werden

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    Paketzusteller haben einen oft anstrengenden und stressigen Job, die Bezahlung allerdings ist für viele Beschäftigte nicht besonders gut.
    Paketzusteller haben einen oft anstrengenden und stressigen Job, die Bezahlung allerdings ist für viele Beschäftigte nicht besonders gut. Foto: Matthias Becker (Symbolbild)

    Er war bisher nicht vorbestraft. Er hat das Fachabitur bestanden und studiert an der Hochschule. Aushilfsweise, um sich Geld für das Studium zu verdienen, hat ein 19-jähriger Augsburger für einen großen Paketdienst gearbeitet – und ist dabei auf die schiefe Bahn geraten. Mit zwei Freunden bestellte er übers Internet mehrfach Kleidung von Markenherstellern. Dazu nutzten sie die Adressen von Menschen, die im Zustellbezirk des 19-Jährigen wohnen. Er lieferte die Pakete mit der Kleidung aber nicht an diese Personen aus, sondern übergab sie den Freunden. Sie quittierten mit falschen Unterschriften die Zustellung und nahmen die Pakete mit.

    Die Freude an der teuren Kleidung währte allerdings nicht lange. Die Sache flog auf und die drei Freunde wurden angeklagt. Nur weil sie vor Gericht ein Geständnis ablegten und der Richter in den Taten eine „Jugendsünde“ sah, kamen sie noch mit einer Bewährungsstrafe davon. Die Marken-Kleidung hätten sie sich von ihrem Geld nicht leisten können, sagt Werner Ruisinger, einer der Verteidiger der jungen Männer. Deshalb hätten sie sich diese Masche ausgedacht.

    Ein anderer Paketfahrer behielt den Inhalt für sich

    Ein Einzelfall ist der Prozess gegen den Paketfahrer und seine Freunde nicht. Immer wieder stehen Mitarbeiter von Paketdienstleistern vor Gericht, weil sie sich zu Straftaten hinreißen lassen. In diesem Monat war neben dem Studenten auch schon ein weiterer Paketausfahrer angeklagt. Der 30-jährige Mann hatte mehrere Pakete, bei denen es ihm lukrativ erschien, nicht den Empfängern zugestellt, sondern sie geöffnet und den Inhalt einfach für sich behalten. So kam er den Ermittlungen zufolge an Uhren und Handys im Wert von an die 2000 Euro. Er wurde ebenfalls zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

    Dass die Zahl der Paketzusteller, die sich kriminell verhalten, zunimmt, kann die Polizei auf Anfrage nicht bestätigen. Rainer Pabst, Sprecher der Augsburger

    Im vorigen Jahr wurden in Augsburg bereits sechs Männer zu Geld- und Bewährungsstrafen verurteilt, weil sie im Internet in großem Stil Waren bestellt hatten. Die sechs Männer aus Rumänien hatten alle bei einem Subunternehmer eines großen Paketzustellers gearbeitet. Sie gaben bei ihren Bestellungen Adressen an, die auf ihren Auslieferungsrouten tatsächlich existierten. Allerdings erfanden sie die Namen der Besteller frei. Wenn die Pakete in Augsburg eintrafen, unterschrieben sie auf den Minicomputern, die jeder Zusteller bei sich trägt, mit falschen Namen und behielten die Ware. Weit über 100 Pakete, vor allem mit Kleidung, Haushaltswaren und Elektroartikeln, fingen sie ab.

    Verdi kritisiert die Arbeitsbedingungen vieler Paketzusteller

    Bei einem großen Internethändler fiel die Häufung dieser Fälle auf. Ein Sicherheitsmitarbeiter des Paketdienstes kam dann den rumänischen Ausfahrern auf die Schliche. Ein weiterer Rumäne, der wegen ähnlicher Taten bereits im Herbst 2017 in Augsburg verurteilt wurde, begründete sein Verhalten damals mit wirtschaftlicher Not. Er habe eine Frau und zwei kranke Kinder zu versorgen. In einem anderen Prozess, ebenfalls vor dem Augsburger Amtsgericht berichtete eine alleinerziehende Frau, die als scheinselbstständige Paketfahrerin gearbeitet hat, von dem enormen Druck, dem sie ausgesetzt war. Sie habe kein festes Gehalt bekommen, sei nur nach der Zahl der zugestellten Pakete bezahlt worden. Die Tankrechnung musste sie selbst bezahlen.

    Die Gewerkschaft Verdi kritisiert schon seit Längerem die Bedingungen, unter denen viele Paketzusteller arbeiten müssen. In einer Mitteilung der Gewerkschaft vom Herbst heißt es: „Nur zwei der fünf großen Paketdienste in Deutschland arbeiten überwiegend mit eigenen, fest angestellten Zustellerinnen und Zustellern. Ansonsten werden ausschließlich Subunternehmen beauftragt.“ Seit einiger Zeit werde über Personalvermittler auch verstärkt mit Beschäftigten aus Osteuropa gearbeitet.

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