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Bayern: So funktioniert Islamkunde an den Schulen

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So funktioniert Islamkunde an den Schulen

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    Mekka, Kaaba und der Erzengel Gabriel: Die Konrektorin der Grund-und Mittelschule Bärenkeller in Augsburg, Gül Solgun-Kaps, erklärt ihren Schülern die Ursprünge ihrer Religion.
    Mekka, Kaaba und der Erzengel Gabriel: Die Konrektorin der Grund-und Mittelschule Bärenkeller in Augsburg, Gül Solgun-Kaps, erklärt ihren Schülern die Ursprünge ihrer Religion. Foto: Bernhard Weizenegger

    In der Grund- und Mittelschule Bärenkeller in Augsburg findet an diesem Morgen eine Zeitreise in die Antike statt. Rufat darf sie eröffnen. Unter den Blicken seiner zwölf Mitschüler, die auf den Knien in einem Kreis auf dem Boden sitzen, legt er verschiedene Schaubildchen auf den ausgebreiteten Teppich. Wüsten, Oasen, Karawanen sind zu sehen. Die Klasse hat Unterricht in Islamkunde. „Der Prophet Mohammed wurde in Saudi-Arabien geboren“, sagt Rufat. Alle Kinder strecken die Finger in die Luft, alle wollen etwas zu Mohammed sagen. Konrektorin Gül Solgun-Kaps lenkt die Motivation der Kinder in geordnete Bahnen – der Reihe nach erzählen sie Mohammeds Geschichte bis zu dem Tag, als ihm in einer Höhle der Erzengel Gabriel erschien.

    Islamkundeunterricht gilt nicht als Religionsunterricht

    Seit 15 Jahren leitet die 48-Jährige als Fachlehrerin den Unterricht in Islamkunde an der Grund- und Mittelschule im Augsburger Stadtteil Bärenkeller. Sie erklärt, warum im Koran die Abschnitte Suren heißen, warum Mohammed für seine Mitmenschen eine Vertrauensperson war, und korrigiert nebenbei immer wieder sanft die Grammatik der Kinder. Alle 13 haben einen Migrationshintergrund. Am Ende der Stunde lässt sie alle noch einmal sagen, was ihnen die Stunde gebracht hat. „Das Wichtigste ist, dass die Kinder über das nachdenken, was ihnen beigebracht wurde. Dass sie das nicht einfach nachplappern“, sagt Solgun-Kaps.

    Sowohl die Staatsregierung als auch die Opposition in Bayern betonen oft, wie wichtig die Arbeit von Solgun-Kaps und ihren Kollegen ist. Das Unterrichtsfach darf zwar nicht Religionsunterricht genannt werden. Laut der Fachlehrerin ist es praktisch aber genau das.

    Doch das gesellschaftliche Verhältnis zum Islamkundeunterricht erscheint verkrampfter denn je. In Bayern hat er den Status eines Modellversuchs. In Hamburg und Nordrhein-Westfalen ist er schon normaler Religionsunterricht.

    In Bayern werden derzeit an 260 Schulen – zumeist an der Grundschule – rund 11500 Schüler in dem Fach unterrichtet. Gemessen an insgesamt rund 94000 muslimischen Schülern im Freistaat ist das ein kleiner Anteil. Opposition und Kultusministerium versichern einhellig, dass die weltpolitische Lage mit dem Aufstieg des „Islamischen Staats“, die Vorzeichen für den Islamkundeunterricht nicht geändert habe. Dennoch wird die geplante Ausweitung des Modellversuchs auf insgesamt rund 400 Schulen in Bayern auch als Teil eines Plans für ein „Antisalafismusnetzwerk“ aufgeführt.

    Dem Fraktionsvorsitzenden der bayerischen SPD, Markus Rinderspacher, geht diese Ausweitung nicht weit genug. Er fordert die flächendeckende Einführung von Islamkundeunterricht mit der Begründung: „Wir dürfen die Kinder und Jugendlichen nicht irgendwelchen Hinterhof-Koranschulen überlassen.“ Unter Generalverdacht stehe der Islam dabei aber keineswegs.

    Flächendeckender Islamkundeunterricht sei nicht möglich

    Im Kultusministerium ist das Thema Islamunterricht Chefsache. Minister Ludwig Spaenle (CSU) reagiert auf die Kritik vonseiten der Opposition unwirsch. Gegenüber unserer Zeitung sagte er: „Was die SPD fordert, ist gar nicht realisierbar“. Denn ein flächendeckender, mit dem Religionsunterricht vergleichbarer Islamunterricht werde von einem entscheidenden Faktor verhindert: Es gebe keine Institution, die als Ansprechpartner und Sprachrohr für die ganze muslimische Gemeinde im Freistaat fungiere.

    Das Grundgesetz fordert das allerdings indirekt: In Artikel 7 heißt es da, dass ein Religionsunterricht „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaft“ gestaltet werden muss.

    Der Modellversuch in Bayern genieße hohe Akzeptanz und habe gute Ergebnisse erzielt, die Ausweitung sei ein logischer Schritt. Doch einem staatlich kontrollierten Religionsunterricht für den Islam müsse eine grundsätzlichere Debatte vorausgehen: „Wir müssen gemeinsam mit allen Beteiligten endlich in aller Deutlichkeit klären, welche Stellung der Islam auf der Grundlage des in der Bundesrepublik geltenden Staatskirchenrechts in unserer Gesellschaft einnehmen soll“, sagt der Minister. „Wir dürfen bei diesem Thema nicht in Schwarz und Weiß denken. Dafür ist es viel zu komplex.“

    Für die Schüler von Gül Solgun-Kaps bedeutet der Status als Modellversuch, dass sie das Fach Islamkunde nicht für den qualifizierten Hauptschulabschluss (Quali) belegen dürfen. Ab der achten Klasse ist Schluss. Bedauerlich, findet die Fachlehrerin. Denn es biete sich in dem Fach ein einzigartiger Zugang zu den Kindern, um mit ihnen über aktuelle Geschehnisse zu sprechen.

    Viele Schüler hätten sie nach den Ereignissen von Paris angesprochen, seien verunsichert gewesen. Im Unterricht habe sie die Ängste der Kinder aufgreifen können. Und christliche und muslimische Kinder besuchten gegenseitig die Unterrichtsstunden, um als „Experten“ zu ihrem Glauben herangezogen zu werden. „So können wir den Kindern ohne Gleichmacherei die Gemeinsamkeiten ihrer Religionen zeigen“, sagt Solgun-Kaps.

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