Die Verbindung zwischen den Städten soll schnell werden. So schnell, dass man dem Auto überlegen ist. Im Jahr 2030 soll mit dem Deutschland-Takt alles anders werden im Bahnverkehr. Und, so verspricht es die Politik, auch besser. Ein schneller ICE, Sprinter genannt, soll dann zwischen München und Düsseldorf pendeln – über Augsburg. Doch die Augsburger werden von diesem Zug nichts haben. Denn er wird, sollte es so kommen, in Augsburg einfach weiter sprinten und nicht halten.
Niklas Dehne ist Würzburger. Persönlich könnte es ihm ziemlich egal sein, wenn der Raum Augsburg beim Bahnverkehr der Zukunft ausgebremst oder links liegen gelassen wird. Doch der Jurist, der beim Verkehrsclub Deutschland im bayerischen Landesvorstand sitzt, sagt, man müsse das große Ganze im Blick behalten. Und er befürchtet, dass sich in Augsburg ein, wie er es nennt, "Desaster" wiederholt. Mit der neuen Fernzugstrecke zwischen München und Nürnberg, im Jahr 2005 eröffnet, sei Augsburg schon in der Nord-Süd-Richtung weitgehend abgehängt worden. Damals fiel die politische Entscheidung für eine schnelle Bahntrasse über Ingolstadt statt über Augsburg. Niklas Dehne ist überzeugt, dass die Fuggerstadt beim Deutschland-Takt erneut ins Hintertreffen geraten könnte.
Ein Experte sagt, dass dürfe sich die Region Augsburg nicht gefallen lassen
Zumindest, wenn sich in der Politik niemand dafür interessiert und eingreift. Das Jahr 2030 scheine zwar weit entfernt, sagt VCD-Mann Dehne. Die Weichen dafür würden aber jetzt schon gestellt. Der künftige Fahrplan gebe auch vor, wo die Bahn beim Ausbau der Gleise ihre Schwerpunkte setzt. Dass ein regulärer ICE am Augsburger Hauptbahnhof durchfährt, dürfe sich die Region nicht gefallen lassen, sagt Dehne. Er ist Mitglied bei den Grünen. Dennoch ist er am Donnerstag extra nach Augsburg gekommen, um die Veranstaltung eines CSU-Politikers zu besuchen.
Der Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich hatte zum Gedankenaustausch eingeladen. Dehne sagt, seinem Eindruck nach sei der Abgeordnete derzeit der einzige Politiker aus dem Raum Augsburg, dem bewusst sei, was auf dem Spiel stehe. Ullrich sagt, ein ICE, dem die Augsburger nur beim Vorbeifahren zuschauen dürfen, sei für ihn inakzeptabel. "Dagegen müssen wir uns wehren." Auch Wirtschaftsreferentin Eva Weber (CSU) hatte kürzlich betont, die Stadt dürfe sich nicht erneut abhängen lassen. Noch ist der Fahrplan nicht beschlossene Sache. Und aus Sicht von Niklas Dehne ist dieser ICE auch längst nicht das größte Problem. Er interpretiert die derzeitigen Deutschland-Takt-Pläne so, dass Augsburg zu einem besseren "Zubringer" für München degradiert werde. So werde die Anbindung Richtung Norden schlechter. Fernverkehr von Augsburg in Richtung Allgäu soll es weiter überhaupt keinen geben. Das hänge auch daran, dass die Strecke nach wie vor keine Oberleitungen habe und nur Dieselloks fahren können.
Der VCD-Mann warnt deshalb davor, nur über die künftige Bahnstrecke zwischen Augsburg und Ulm zu diskutieren, auch wenn dies ein wichtiger Baustein sei. Denn klar ist: Die rund 85 Kilometer lange Trasse zwischen Lech und Donau kann nicht so bleiben, wie sie ist. Mit nur zwei Gleisen und zu vielen Kurven eignet sie sich nicht für einen schnellen Fernverkehr. Damit die Strecke künftig noch eine Bedeutung hat, muss die ICE-Fahrtzeit von jetzt über 40 Minuten auf unter 30 Minuten gedrückt werden.
Das Ziel ist eine Bahn-Fahrtzeit von 27 Minuten zwischen Augsburg und Ulm
Auch der Projektleiter der Bahn, Markus Baumann, sieht das so. Er sagt, Ziel sei es in jedem Fall, 27 Minuten Fahrzeit für den Fernverkehr hinzubekommen. Daran sei auch "nicht zu rütteln". Damit fällt eine von drei möglichen Varianten für die Strecke Ulm-Augsburg schon von vorne herein weg – auch wenn das bisher nicht so thematisiert wurde: ein reiner Ausbau der bestehenden Strecke. Denn damit ist die Fahrzeitverkürzung nicht zu schaffen, darin sind sich Experten einig. Es bleiben zwei Varianten: Ein Ausbau der Gleise zwischen Augsburg und Dinkelscherben und für den Rest bis Neu-Ulm/Ulm eine neue Trasse. Oder gleich ein kompletter Neubau entlang der Autobahn A8.
Derzeit prüft die Bahn ergebnisoffen, wie die Strecke aussehen könnte. Offenbar drücken die Verantwortlichen bei der Bahn aufs Tempo. Bisher galt, dass es vor dem Jahr 2025 wohl keine Entscheidung geben wird. Volker Ullrich sagt, nach seinen Informationen könnte es schneller gehen, die Bahn könnte womöglich schon 2021 oder 2022 erste entscheidende Ergebnisse vorlegen. Einiges spricht Beobachtern zufolge dafür, dass die Bahn am Ende einen Neubau neben der A8 will. In einer groben Prüfung vor einigen Jahren hat diese Autobahn-Variante schon mal das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis erzielt. Damals rechneten Fachleute aus, dass man auf dieser Trasse für jede eingesparte Minute an Fahrzeit rund 137.000 Euro investieren muss. Bei einem Teilneubau waren es 190.000 Euro – und bei einem reinen Ausbau der vorhandenen Strecke sogar ganze 456.000 Euro pro Minute.
Die Region ist sich uneinig, wie der Schienennetz-Ausbau weitergehen soll
In der Region herrscht aber politisch keine Einigkeit, für welche Variante man sich starkmachen soll. In der Stadt Augsburg liegt der Fokus auch darauf, den Fernverkehr zu halten, im Kreis Augsburg hat für die meisten Politiker eine schnelle Verbesserung des Nahverkehrs absolute Priorität. Der Riss geht dabei nicht nur durch die CSU, wo sich die schwäbischen Politiker – mit Ausnahme der Augsburger – Anfang des Jahres schon auf einen reinen Ausbau festgelegt hatten. Auch bei den Grünen gibt es diesen Stadt-Land-Konflikt. VCD-Experte Niklas Dehne warnt: Wenn es die Region nicht schaffe, beim Bahnthema mit einer Stimme zu sprechen, dann gehe sie am Ende womöglich ziemlich leer aus.
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