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Ausstellung: Die Summe vieler Plastikstühle

Ausstellung

Die Summe vieler Plastikstühle

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    Seine sich hell in den Raum spreizenden und windenden Skulpturen erinnern auf den ersten Blick an unvollständige Skelette. Rudimentäre Knochengerüste von Dinosauriern, Rekonstruktionsversuche irgendwelcher seltsamer Urviecher. Doch das sind nur erste Assoziationen. Wir sind nicht im naturhistorischen Museum, sondern im H2, dem Zentrum für Gegenwartskunst im Augsburger Glaspalast.

    Die unter dem Titel „A Bone’s Throw“ gezeigten Werke des israelischen Bildhauers Uriel Miron sind autonome Gebilde, imaginäre Wesen, die nichts darstellen und illustrieren. Und so kommt der Besucher, der sich in der grandios leeren Halle auf eine Begegnung mit diesen solitären Plastiken einlässt, vom Knochen schnell zum zersägten 08/15-Plastikstuhl. Aus ganzen Stapeln dieses global verbreiteten Billigmöbels hat Miron ein „Cryptozoid Skeleton“ geformt – rätselhaft aufgesplittert, anatomisch unsinnig. Ein Grätenmonster, das den Spagat zwischen Urzeit und banalem Alltag hinbekommt. Eine Erscheinung, die in keiner Evolution außerhalb der Kunst je auffindbar wäre.

    Spiel mit Interpretationen in einer Sphäre der Uneindeutigkeit

    Uriel Miron, geboren 1968, ist ein handwerklich penibel und aufwendig vorgehender Künstler, der mit einfachen Materialien, vor allem Holz, arbeitet. Seinen drei Großskulpturen in der Säulenhalle des H2, nämliche weißen „Skelette“, sieht man das Holz aber nicht an. Die aus Einzelteilen zusammengeschraubten Skulpturen sind weiß lackiert. Miron spielt mit Vorbildern und Interpretationen, er bewegt sich aber in einer Sphäre des Uneindeutigen, gleichsam Unfassbaren.

    Diese Mehrdeutigkeit seines Werkes wird besonders deutlich in der Arbeit „Liquid Asset“ – zwei chaotisch und surreal miteinander verbundenen, von Miron nachgebauten Liegestühlen. Der zweite, der aus dem ersten hinauswächst, liegt kaputt und verdreht da. Uriel Miron spielt mit der Tücke des Objektes – doch das ist nur eine Ebene.

    Die weiße Leinenbahn lässt auch an Verbandstoff denken, wir sehen gegensätzliche Zustände sozusagen schicksalhaft miteinander verbunden: Stabilität und Zusammenbruch, Unversehrtheit und Zerstörung. Die Arbeit „Principle of Moments“, eine filigrane, scherengitterartige Konstruktion aus Holzverstrebungen, wirkt, als habe der Künstler einen Bewegungsablauf eingefroren.

    H2-Leiter und Ausstellungskurator Thomas Elsen entdeckte Uriel Miron 2011 in Tel Aviv, wo dieser zusammen mit der Augsburgerin Karen Irmer ausstellte. Das Interesse war geweckt, Elsen verfolgte das Schaffen Mirons, besuchte ihn in seinem Atelier in Tel Aviv – und organisierte in Augsburg die erste museale Ausstellung in Europa.

    Uriel Miron studierte Literatur an der Universität Yale und Kunst an der Bezalel Akademie in Jerusalem sowie in New York. Seit 1999 hat er eine Professur für Kunst, Design, Zeichnen und Sprachkomposition in Israel inne.

    Für die große Säulenhalle des H2 hat Uriel Miron aus seinen Skulpturen ein Gesamtbild geschaffen, das dem Besucher viel Bewegungsfreiheit lässt. In den Kabinetten zeigt er „Tiefdruckbilder“ auf Holz. Sie entstanden in einem aufwendigen Prozess vielfacher Übermalungen und Schichtungen, in die er dann ritzend und abschleifend eingreift. Die Motive erinnern an Konstruktionszeichnungen, aber auch an die Dokumentation von Ausgrabungsstätten. Da schließt sich der Kreis zur Knochenmagie.

    Laufzeit bis 22. September. Geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr.

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