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Aus dem Archiv: Ein Luxushotel im Lockdown: Rundgang durch das "Maximilian's"

Kaum Gäste, leere Gänge: Wie sich das Hotel "Maximilian's" in Augsburg im Lockdown auf den Neustart vorbereitet.
Aus dem Archiv

Ein Luxushotel im Lockdown: Rundgang durch das "Maximilian's"

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    Nur Lobbymusik durchbricht an diesem Februarmorgen im Hotel "Maximilian's" die Stille. Normalerweise geht die Musik meist in den Klängen des Hotelalltags unter: Gäste checken ein und aus, Teller klappern im Frühstücksraum und Geschäftsreisende halten Smalltalk. An diesem kalten Dienstag ist das anders. Die Stimme des argentinischen Sängers Federico Aubele dringt aus den Lautsprechern. Er singt vom Eindruck, dass sich das Leben gerade woanders abspiele. Wie passend. Ein Gefühl, das wohl die gesamte Welt gerade kennt.

    Viel Leben spielt sich auch im "Maximilian's" nicht ab. Keine Spur von den Taxis, die sonst vor dem Haus in der Augsburger Innenstadt eine beige Schlange bilden. Leere Hocker in der hauseigenen Bar, wo sonst Gäste im Anzug neben Gästen in Jeans in verschiedenen Sprachen auf das Leben anstoßen. Es ist das bekannteste Hotel Augsburgs, wahrscheinlich sogar der ganzen Region. Selbst Mozart hat hier einst übernachtet. Im vergangenen Jahr berichteten Medien aus ganz Deutschland über das "Maximilian's", als es sich nach Rassismus-Debatten vom Namen "Drei Mohren" verabschiedete. Doch auf das Leben stößt im Luxushotel schon länger niemand mehr an.

    Wir nehmen Sie mit auf eine 360-Grad-Tour durch das "Maximilian's":

    Hotelchef Gandenheimer: "Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel"

    Touristen, Geschäftsreisende, Prominente nächtigen im "Maximilian's" normalerweise. Doch seit vier Monaten steht Deutschland still. Touristische Reisen sind verboten, Geschäftsreisen auf ein Minimum beschränkt. Was bedeutet das für einen Hotelbetrieb - für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Küchenpersonal, die Auszubildenden?

    Hoteldirektor Theodor Gandenheimer sieht noch kein Licht am Ende des Tunnels.
    Hoteldirektor Theodor Gandenheimer sieht noch kein Licht am Ende des Tunnels. Foto: Fabian Kluge
    Hoteldirektor Theodor Gandenheimer sieht noch kein Licht am Ende des Tunnels.
    Hoteldirektor Theodor Gandenheimer sieht noch kein Licht am Ende des Tunnels. Foto: Fabian Kluge

    Am meisten los ist an diesem Morgen im Frühstücksbereich. Zwei Gäste, die Haare noch leicht feucht, haben um kurz nach zehn Uhr das Buffet für sich allein. An einem der gedeckten Tische sitzt Hoteldirektor Theodor Gandenheimer, Anzug, Krawatte, kurze, dunkle Locken, mit einer Tasse Kaffee. Würde er keinen Mund-Nasen-Schutz tragen, man würde ihm die Sorgen vermutlich sofort ansehen. Um die Corona-Situation zu beschreiben, bemüht er einen ebenso kurzen wie prägnanten Satz: "Es ist zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel." normalerweise 75 Prozent der 132 Zimmer belegt, im Moment sind es an guten Tagen 15 Prozent - Privat- und Geschäftsreisende mit triftigem Grund und die Gegner des FC Augsburg. Das war's.

    Augsburger Hoteldirektor über Corona: "So kann es nicht weitergehen"

    Gandenheimer holt tief Luft. "Man kann sich vieles schönreden. Aber wir sind jetzt vier Monate im Lockdown. Das ist Wahnsinn - und so kann es nicht weitergehen." Er spricht darüber, wie er den Großteil seiner Belegschaft in Kurzarbeit schicken musste. Über viel Arbeit, wenig Gäste - und über leere Hotelzimmer.

    Die kann der Besucher zwei Stockwerke über dem Frühstücksraum besichtigen. Alles scheint hier bereit für die Ankunft der Gäste. Zimmer 210 ist bezugsfertig: Bücher liegen geordnet auf der Kommode, der Schreibtisch ist leergeräumt, die Decken des Doppelbetts werfen kaum eine Falte. Obwohl das Personal in Kurzarbeit ist, Bereiche wie Restaurant, Bar oder Spa ganz geschlossen sind, halten Führungskräfte und Auszubildende den Betrieb in den meisten Abteilungen aufrecht. Gerade für die Lehrlinge ist das ein Vorteil: Sie können mehr Verantwortung übernehmen und sind gezwungen, eigenständig Entscheidungen zu treffen. Aber das ist, da sind sich an diesem Vormittag alle einig, ein schwacher Trost.

    Sternekoch über Corona-Lockdown: "So leise war es noch nie"

    Die beiden Frühstücksgäste haben den Essbereich mittlerweile verlassen, in einem Glas ist noch ein wenig Orangensaft übriggeblieben. Eine Kellnerin beseitigt die letzten Reste des Frühstücks und bringt die Gläser und Teller in das Reich von Sternekoch Simon Lang, Küchendirektor im "Maximilian's". Gerade haben er und sein Team kurz Pause, bevor die Vorbereitungen fürs Mittagessen beginnen.

    Sternekoch Simon Lang will sich nicht an die Stille in der Küche gewöhnen.
    Sternekoch Simon Lang will sich nicht an die Stille in der Küche gewöhnen. Foto: Fabian Kluge

    Corona hat auch in der Küche die Dimensionen verändert: An einem guten Tag waren 20 Köche und Lehrlinge im Einsatz, um 300 Gäste zu bewirten. Im Moment bereitet das Team zu zweit das Essen vor, das sich die Gäste mitnehmen können. Zehn bis 30 solcher Mahlzeiten bereitet Langs Team täglich zu. Ein Umstand, an den sich der Sternekoch noch immer nicht gewöhnen mag: „In der Küche ist normalerweise so viel los wie auf der Autobahn. Es brutzelt, Töpfe und Pfannen klappern. So leise wie aktuell war es noch nie.“ Corona erfordere im Küchenalltag mehr Planung, sagt Lang. Vor einem Jahr noch bekam das Hotel sechs Tage die Woche frisches Obst und Gemüse, an manchen Tagen gar zweimal. Jetzt kommt der Lieferant einmal die Woche.

    Das hauseigene Restaurant Sartory, das zu den 500 besten Restaurants Deutschlands zählt, bietet zwar während der Krise verschiedene Specials an, zum Beispiel eine Frühstücksbox zum Valentinstag. Doch es sei ein "Draufzahlgeschäft", sagt Hotelchef Gandenheimer. Warum das Hotel trotzdem darauf setzt? Man wolle im Gespräch bleiben. Denn, so die Hoffnung des Direktors, irgendwann wird es wieder so sein wie vor Corona. Und - das wird aus seinen Worten deutlich - das muss es auch. "Wir leben davon, dass aus der ganzen Welt Menschen zu uns kommen."

    Corona lässt den Tourismus in Bayern einbrechen

    Doch das wird dauern: Mitte der Woche gab es den nächsten schweren Schlag für die ohnehin taumelnde Tourismusbranche: Der Lockdown in Deutschland wird bis 7. März verlängert, Hotels dürfen erst ab einem Inzidenzwert von unter 20 in einer Region öffnen. Zahlen des bayerischen Landesamts für Statistik zeigen: Seit Beginn der Corona-Pandemie liegen die Übernachtungszahlen im Freistaat weit unter denen des Vorjahres. Im Mai gab es etwa 90 Prozent weniger Übernachtungen als 2019.

    Deutschlandweit sieht es nicht besser aus: 40 Prozent weniger Gästeübernachtungen gab es 2020 als im Vorjahr. Die Zahl der inländischen Gäste ist dabei um ein Drittel, die der ausländischen Gäste um zwei Drittel eingebrochen. Die starken Sommermonate konnten diesen Trend nicht umkehren.

    Das Hotel "Maximilian's" wartet noch immer auf die Novemberhilfen

    Was Hotelchef Gandenheimer fehlt? Die Perspektive. Er gehört zusammen mit 300 anderen Unternehmern aus der Region der Initiative "Unternehmerkreis Zukunft in Not" an. Sie warnen vor den Folgen des Corona-Lockdowns. Im Ausland ist die Situation nicht besser, berichtet Gandenheimer. Vor wenigen Tagen habe er mit einem Kollegen aus Bangkok gesprochen, der in Thailand ein Luxushotel betreibt. Dort seien bereits drei Millionen Menschen aus dem Tourismussektor arbeitslos. Hinzu kommen die Mutationen, britische, südafrikanische, brasilianische. "Ich bin ganz ehrlich: Ich sehe kein Licht am Ende des Tunnels."

    Was ihn unter anderem zu dieser buchstäblich düsteren Zukunftsprognose verleitet: Bisher habe das Hotel nur Abschlagszahlungen erhalten, die Novemberhilfen werden wohl auch keine Februarhilfen. "Zwar haben wir gut gewirtschaftet, aber das Geld ist verbrannt. Die Kosten laufen weiter. Eine Aufzugsfirma interessiert es nicht, ob zwei oder 200 Leute mit dem Aufzug fahren." Aufzugwartungen, Lüftungsanlagen, Wasserventile spülen - all diese Arbeiten müssen auch im Lockdown stattfinden.

    Darum verwundert es nicht, dass ausgerechnet ein Handwerker die Lobby mit etwas Leben füllt. Er will für ein Telefonat das Hotel verlassen, entscheidet sich beim Anblick des Schneeschauers dann aber doch fürs Warme. Gandenheimer und sein Führungsteam nutzen das größtenteils leere Haus, um zu renovieren. Das "Maximilian's" bereitet sich vor. Auf eine Zeit nach Corona. Auf eine Zeit, in der wieder Gäste aus der ganzen Welt nach Augsburg kommen. Auf eine Zeit, in der es nicht mehr so leise im Haus ist, dass man sogar die unauffällige Lobbymusik hören kann.

    Wie trifft die Corona-Krise die Gastronomie? Hören Sie sich dazu unseren Podcast von Juni 2020 aus der Reihe "Augsburg, meine Stadt" an:

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