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Foto: Silvio Wyszengrad
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Sozialreferent Martin Schenkelberg betont, dass Lockerungen und die Öffnung von Clubs und Jugendhäusern das Beste waren, was aus Jugendhilfesicht passieren konnte.

Interview
08.11.2021

Augsburgs Sozialreferent: "Darf nie wieder passieren, dass Jugendhäuser schließen"

Von Miriam Zissler

Sozialreferent Martin Schenkelberg unterstützt junge Menschen in Augsburg, die besonders unter der Corona-Pandemie leiden. Welche Angebote jetzt wichtig sind.

Während der Corona-Pandemie haben sich viele junge Menschen ihre eigenen Freiräume gesucht und für Lärm und Unrat im Wittelsbacher Park, Reese- oder Sheridan-Park gesorgt. Wie bewerten Sie das?

Martin Schenkelberg: Wenn es wegen der Corona-Regeln wenig Angebot gibt, dann muss sich niemand wundern, wenn jemand auf dumme Gedanken kommt. Lockerungen und die Öffnung von Clubs und Jugendhäusern waren das Beste, was aus Jugendhilfesicht passieren konnte. Mit den Erfahrungen, die wir während und nach den strengen Corona-Lockdowns sammeln konnten, sollte klar sein, dass es nie wieder passieren darf, dass Jugendhäuser geschlossen werden und Streetwork auf der Straße nicht mehr möglich ist.

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Foto: Silvio Wyszengrad
Foto: Silvio Wyszengrad

Sozialreferent Martin Schenkelberg betont, dass Lockerungen und die Öffnung von Clubs und Jugendhäusern das Beste waren, was aus Jugendhilfesicht passieren konnte.

Im April haben Sie ein Unterstützungskonzept für junge Menschen in Augsburg vorgestellt. Was ist seither passiert?

Schenkelberg: Wir haben die Jugendsozialarbeit an Schulen ausgebaut und haben dafür ordentlich Geld in die Hand genommen. Hatten wir zuvor 38 volle Stellen an 52 Schulen, sind es jetzt 65 Schulen mit knapp 44 Stellen. Diese Stellen sind enorm wichtig: Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bekommen an den Schulen direkt mit, was los ist. Sie sind im Grunde genommen unsere 'Streetworker' an den Schulen. Wir haben zudem auch in die aufsuchende Erziehungsberatung investiert und bieten jetzt beispielsweise eine Bollerwagen-Sprechstunde an.

Was ist denn das?

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Schenkelberg: Mitarbeiter des Jugendamtes gehen mit dem Bollerwagen auf Spielplätze und sprechen dort Eltern direkt an. Dort treffen sie auf Menschen, die teils multiple Problemlagen haben. Natürlich bieten wir Sprechstunden auch weiterhin in der städtischen Erziehungsberatungsstelle an. Wir haben aber gemerkt, dass es Bürgerinnen und Bürger gibt, die den Weg ins Amt nicht finden. Das sind oft Menschen, die einen Migrationshintergrund haben oder in prekären Verhältnissen leben, die die Informationen nicht verstehen oder gar nicht wissen, dass es solch ein Angebot gibt.

Im vergangenen Sozialausschuss wurde dem Projekt Stadtteilmütter ein Zuschuss in Höhe von über 220.000 Euro im Haushaltsjahr 2022 für den Deutschen Kinderschutzbund gewährt. Warum sind diese Helferinnen und Helfer so wichtig?

Schenkelberg: Es ist seit 2004 ein sehr erfolgreiches Projekt in Augsburg, bei dem sich bis zu 60 Stadtteilmütter engagieren und durch verschiedenste Angebote, wie Sportangebote, Deutsch- und Elternkurse oder Vorlesen, selbst während der Corona-Hochphase Familien erreicht haben. Im sozialen Bereich hat man oft nicht die knallharten Zahlen, die die Wichtigkeit eines Angebots belegen. Aber es gibt belastbare qualitative Äußerungen von Jugendhilfeexperten, die sagen, dass die Stadtteilmütter ihre Arbeit erleichtern.

Vom Zuspruch an der Sommerschule waren Sie dann aber doch etwas enttäuscht. Das städtische Angebot war nicht ausgebucht.

Schenkelberg: Das stimmt. Bildungs- und Sozialreferat haben gemeinsam verschiedene Programme aufgelegt, die sich an Schülerinnen und Schüler richteten, die aufgrund der Corona-Pandemie Probleme bekamen, aufgrund von Unterrichtsausfall und Homeschooling in ihrer Teilhabe und ihren Chancen eingeschränkt waren. Natürlich ist es besser, wenn der Bedarf offensichtlich gar nicht so hoch ist, als wenn es zu wenig Angebot gäbe. Zum Beispiel: In Zusammenarbeit mit Vhs, SJR und dem Kulturamt wurde das vom Bund geförderte Projekt "ACT! – Augsburger Camp für Talente" in den Sommerferien durchgeführt. Es soll die Talente und Begabungen von Jugendlichen fördern. Mit Mühe und Not konnte die Mindestanzahl von 80 Teilnehmern akquiriert werden. Wer jedoch schon gar keine Angebote macht, der kann auch keine Lösungen finden.

Bei einer von ihnen initiierten Konferenz "Freiräume für Jugend", die kürzlich im Rathaus stattfand, konnten Jugendhilfeträger ihr Angebot vorstellen und junge Menschen sagen, was ihnen wichtig wäre. Was erhoffen Sie sich dadurch?

Schenkelberg: Ich wollte zum einen den freien Trägern, wie dem Stadtjugendring, Lehmbau oder Katholische Jugendfürsorge und Vereinen, die Gelegenheit geben, ihr Angebot vorzustellen. Denn dann sieht man einmal, was wir schon alles Gutes haben - eine ganze Menge von Basteln, über Hallensport bis zum Christbaum-Upcycling. Zum anderen wollte ich auch die anderen Referenten zusammenbringen. Denn wenn es in der Stadt um Grünflächen geht, ist es eine Sache des Umweltreferates und somit im Zuständigkeitsbereich von Reiner Erben, und wenn es um Sportangebote und legale Sprühwände geht, dann ist es im Referat für Sport, Kultur und Welterbe angesiedelt, also bei Jürgen Enninger. Ich sehe mich da in einer Koordinationsrolle und möchte die jungen Menschen bei ihren Belangen gerne unterstützen, Ressourcen schaffen und gemeinsam Schwerpunkte setzen.

Was wollen Sie konkret umsetzen?

Schenkelberg: Der Ausbau von Jugendhäusern in Haunstetten, Göggingen und im Bärenkeller ist ein wichtiger Schritt. Im Bärenkeller läuft momentan eine Jugendbefragung. Es wird gefragt, was gebraucht und gewünscht wird. Daraus wollen wir Prioritäten ableiten. Vielleicht ist nicht ein Jugendzentrum der größte Wunsch, sondern zunächst eine Bedachung.

Sie wollen auch an anderen Orten im Stadtgebiet Bedachungen realisieren. Was hat es damit auf sich?

Schenkelberg: Ein Beispiel: Ich war mit Streetworkern in Lechhausen, Hammerschmiede und in der Firnhaberau unterwegs. In der Nähe des TSG-Berges haben wir etwa 15 junge Erwachsene getroffen, die sich in ihrer Freizeit regelmäßig auf der Grünfläche versammeln. Sie haben mir berichtet, was sie sich wünschen würden: eine Bedachung, Sitzgelegenheiten, Beleuchtung, USB-Anschluss. Ich habe sie zu unserer Konferenz eingeladen, wo sie ein kleines Konzept vorgestellt haben: Was sie wollen und wie man es umsetzen könnte. Ich habe ihnen verdeutlicht, dass sie sich engagieren, Ideen geben und am Ball bleiben müssen, wenn sie wollen, dass sich was bewegt. Wir müssen nun besprechen, ob eine Bedachung an dieser Stelle Sinn macht und vielleicht dringender ist als an einer anderen Stelle.

Zur Person Martin Schenkelberg (CSU) ist Sozialreferent der Stadt Augsburg. Er wechselte aus Ansbach, wo er in derselben Position tätig war. Zuvor arbeitete der Jurist bei kommunalen Spitzenverbänden.

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