Wer Frederik Hintermayr reden hört, gleich ob vor einer Zuschauermenge oder im persönlichen Gespräch, merkt schnell: Hier ist jemand, der weiß, was er will. Der was bewegen möchte. Der überlegt, ehe er spricht. Was nicht heißt, dass Hintermayr nicht über sich selbst scherzen kann. Eine soziale und gerechte Stadt ja, aber bitte nicht zu viel marxistische Theorie. Der 27-Jährige ist als OB-Kandidat der Linken auf Wahlplakaten mit Sakko und schicker Brille zu sehen. „Links sein bedeutet nicht, sich nicht gut kleiden zu dürfen.“ Ein Salonkommunist sei er nicht, sagt er und lacht über diesen Begriff.
Vor der Linken war Hintermayr bereits in einer anderen Partei in Augsburg
Um als Stadtrat einer kleineren Partei beim Wähler anzukommen, kann ein seriöses Auftreten sicher nicht schaden. Seriös wäre vor zehn Jahren vielleicht nicht das Erste gewesen, was einem Beobachter zum jungen Hintermayr eingefallen wäre. Er musste 2010 das Gymnasium nach der zehnten Klasse ohne Abschluss verlassen und stand vor der Frage: was nun? Schnell wurde dem zu dieser Zeit 18-Jährigen klar, Schule muss es nicht mehr sein. Vorerst.
Damals engagierte er sich schon seit einigen Jahren parteipolitisch. Erst in der SPD („eine Jugendsünde“), dann in der Linkspartei. Für den Vater – der sich vom Altenpfleger zum Heimleiter emporgearbeitet hat und überzeugter Sozialdemokrat ist – nicht eben leicht zu verkraften. Doch Hintermayr ist zu diesem Zeitpunkt „desillusioniert“ von der SPD. Als jemandem, der von der Dringlichkeit sozialer Politik überzeugt ist, präsentiert sich ihm die Linke als naheliegende Wahl. Politisiert hat er sich bereits zuvor. Die Schulstreiks gegen das achtstufige Gymnasium und Studiengebühren „haben mir gezeigt, man kann etwas bewegen – wenn man sich organisiert“, erklärt er.
Hintermayr spricht talkshowreif. Er unterstreicht ihm wichtige Aussagen mit besonderer Betonung, überlegt, ehe er was sagt, und behält sein Gegenüber dabei stets im Blick. Fast könnte man meinen, hier jemandem gegenüberzusitzen, der das politische Geschäft seit Jahrzehnten betreibt.
Als OB-Kandidat in Augsburg setzt Hintermayr auf soziale Themen
Und so ganz falsch ist das nicht: Als Schüler gründete er im Zuge der Bildungsstreiks die Linksjugend Augsburg mit. Nach seiner Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger engagierte sich Hintermayr als Jugend- und Auszubildendenvertreter. Bald danach kam seine erste Amtszeit als Bezirkstagsabgeordneter hinzu, 2015 absolvierte Hintermayr – dank eines Stipendiums – eine Weiterbildung zum Pflegedienstleiter, dazu kommt bis heute Mitarbeit in verschiedenen Verbänden. „Meine Freizeit widme ich auch heute noch meinem politischen Engagement, für viel mehr ist da kein Platz.“
Ein wenig dürfte sich diese Situation in den vergangenen Monaten geändert haben: Der OB-Kandidat ist Vater geworden, hat gerade zwei Monate Elternzeit hinter sich. Seine Frau Julia kennt er seit der Zeit als Krankenpfleger – „so pathetisch sich das anhört, sie ist mein Ausgleich“. Im Gegensatz zu Hintermayr engagiert sich seine Frau nicht politisch, begleitet ihn seit jeher auch nur ungern zu Veranstaltungen. Lieber verabreden die beiden sich auf dem Stadtmarkt, Hintermayrs Lieblingsort in Augsburg. „Wenn ich in fremden Städten bin, erkundige ich mich immer, ob es dort einen Stadtmarkt gibt“, ohne einen solchen Markt fehle Städten ihr Herz. Für den 27-Jährigen gehört zu Städten mit Herz aber auch, dass diese niemanden ausgrenzen.
Attraktive Stadtteile? Das planen Parteien und Gruppen
CSU:
95 Prozent der Augsburgerinnen und Augsburger sind mit dem Leben in ihrer Nachbarschaft, ihrem Stadtteil und ihrem Quartier zufrieden. Die Stadtteile stehen künftig noch stärker im politischen Fokus der CSU. Wir haben nicht nur ein allgemeines Wahlprogramm, sondern auch ein Projektprogramm für jeden Stadtteil aufgestellt. Darin finden sich ganz konkrete Maßnahmen für jedes Viertel, vom Kita-Neubau bis zu Stadtteilkulturbeauftragten und Freizeitangeboten. Attraktiv ist das Leben immer da, wo man sich wohlfühlt, wo man sicher ist und wo die Infrastruktur gut ist. Das umschreibt unseren Arbeitsauftrag.
SPD:
Wenn wir den Augsburgerinnen und Augsburgern in den Stadtteilen diese Frage stellen, weiß fast jeder eine Antwort darauf. Also müssen wir das tun! Wir brauchen eine offene und nachhaltige Bürgerbeteiligung auf Augenhöhe, damit die Stadt mit den Bürgern sowie den Stadträten die besten Lösungen für den jeweiligen Stadtteil entwickeln. Das gilt für alle Bereiche öffentlichen Lebens, vom Verkehr über die Gestaltung von Grünanlagen und öffentlichen Plätzen bis hin zur Angebotsstruktur. Attraktive Stadtteile bieten wohnortnah Kinderbetreuung, Bildungs- und Freizeitangebote genauso wie Angebote für Senioren sowie eine gute Einzelhandelsstruktur.
Die Grünen:
Wir machen Stadtteile attraktiv, indem wir Quartiere der kurzen Wege gestalten. Lebensmittelladen, Schule, Kindergarten, Jugendtreff, Bücherei, Bürgertreff, Seniorenberatungsstellen, Ärzte und Pflegeheim sind gut erreichbar. Nachbarschaftshilfen und niederschwellige Angebote ermöglichen Unterstützung. Wir wollen Orte, die nachbarschaftliche Treffen ermöglichen – wie offene Werkstätten, Leihläden, Urban-Gardening-Projekte, Gemeinschaftsräume. Unser Quartier hat gut ausgebaute Fahrradstraßen, auf denen wir gefahrlos unterwegs sein können, und einen attraktiven ÖPNV. Zudem ist unser Quartier ausreichend begrünt.
AfD:
Die Attraktivität eines Stadtteils wird durch viele Faktoren gestaltet: Sicherheit, Sauberkeit, Begrünung, Verkehrsinfrastruktur, Parkplätze, Bänke/Gehwege, medizinische Nahversorgung, Kitas, Schulen, Spielplätze, Entfernung zum Arbeitsplatz usw. Da es sich je nach individuellem Bedürfnis stark unterscheidet, was genau einen attraktiven Stadtteil ausmacht, bleiben wir bei den Grundbedürfnissen: Sicherheit, Sauberkeit und eine gute Infrastruktur – medizinisch, sozial, verkehrstechnisch. Und genau in der genannten Priorität. Es ist leicht, für „alles“ zu sein wie die meisten anderen Parteien, aber es ist ehrlicher, die Prioritäten zu benennen.
Pro Augsburg:
Viele Stadtteile sind bereits attraktiv und haben ein vielfältiges Stadtteilleben. Noch attraktiver können Stadtteile durch die Schaffung von Begegnungsräumen werden. Die überfällige Pflege von Grünanlagen, Kinderspielplätzen, Sportstätten und Schwimmbädern würde die Attraktivität erhöhen. Es gilt, Arbeitsgemeinschaften und Stadtteilvereine weiter zu fördern, und die Verwaltung sollte bei Veranstaltungen mehr Hilfestellung bieten, um unnötige bürokratische Hürden abzubauen. Hauptamtliche Ansprechpartner könnten unterstützen – in Nachbarstädten, die ähnlich groß sind wie einzelne Augsburger Stadtteile, sind eigene Kulturmanager aktiv.
Freie Wähler:
Stadtteile brauchen Orte, an denen sich die Menschen treffen können. Früher waren das oft die Wirtshäuser, heute müssen wir solche Einrichtungen schaffen – am besten in Zusammenarbeit mit den Kirchen, die vielerorts Räume haben, aber immer weniger Gläubige. Ich, Peter Hummel, bin Pfarrgemeinderat in St. Ulrich und Afra und unser Pfarrheim ist seit vielen Jahren ein echter Ort der Begegnung – über alle Konfessionsgrenzen hinweg. Aber: Stadtteile brauchen auch starke Stimmen für die Belange vor Ort. Deshalb sind wir Freien Wähler für die Einführung von Bezirksausschüssen, die auch entscheiden können und nicht nur als Stuhlkreise fungieren.
Die Linke:
In den Stadtteilen sollte Kultur in der Alltagspraxis der Menschen verankert sein – also weg von den großen Bühnen und rein in den Alltag der Menschen. Wir fordern Kulturzentren in den Stadtteilen, die die Möglichkeit bieten, eine lokale Kulturszene zu schaffen. Außerdem brauchen wir Stadtteilzentren, die nicht primär autogerecht sind, sondern menschengerecht. Dafür brauchen wir den Ausbau von Radwegen und eine bessere Anbindung der Stadtteile an Bus und Straßenbahn. Die Linke fordert zudem Stadtteilausschüsse für Augsburg.
ÖDP:
Augsburgs Stadtteile weisen von ihrer historischen Entwicklung her völlig unterschiedliche Strukturen auf: Das Spektrum reicht vom ehemaligen Straßendorf über eine breit gefächerte Industrielandschaft bis hin zur reinen Wohngegend. Vielfach durchschneiden große Autostraßen die Stadtteile und bilden Trennlinien zwischen den Bewohnern. Hier gilt es anzupacken: Wir müssen die Aufenthaltsqualität in den Vierteln durch Eindämmung des Autoverkehrs, Schaffung neuer grüner Zentren und Nahversorgungseinrichtungen attraktiver gestalten. Für die vielen Gruppen und Vereine muss es vor Ort Möglichkeiten der Begegnung und Betätigung geben.
Polit WG/DIB:
Stadtteilinteressen unmittelbar berücksichtigen und Bürgerwünsche ernst nehmen: für die Einführung von Bezirksausschüssen. Mit weiteren Bürgerhäusern wie in Pfersee Kultur, Bildung und Austausch generationenübergreifend fördern. Grünanlagen und Begegnungsorte ohne Konsumzwang. Kreative Freiräume für Kunst und Kultur schaffen, um Talente zu unterstützen. Längere und nähere Einkaufsmöglichkeiten z. B. mit inhabergeführten Spätis. Keine dreckigen Geschäfte im Kiez: Mehr öffentliche Toiletten und Duschen, Kondomautomaten, Aschenbecher, Mülleimer. Durchgangsverkehr verringern und bessere und günstige Anbindung mit dem ÖPNV.
FDP:
Attraktive Viertel sind gut an den ÖPNV angeschlossen und verfügen über eine ausgewogene Mischung aus Wohnen, Gewerbe, Einkaufsmöglichkeiten, Grünflächen, Sport-, Bildungs- und Kultureinrichtungen. Die in den letzten Jahren entstandenen Neubauviertel sind zumeist aber reine Schlafstätten mit austauschbarer Architektur. Wir wollen historische Bauten, die den Charakter eines Viertels prägen, wieder in die Planung integrieren, statt sie leichtfertig zum Abriss freizugeben. In Augsburg muss man in allen Stadtteilen gerne und sicher leben können – auch im Alter. Deshalb wollen wir die soziale Infrastruktur für Pflegebedürftige vor Ort verbessern.
Augsburg in Bürgerhand:
Sie müssen wieder mit eigenständigem Leben erfüllt werden. Dafür muss eine Versorgungsstruktur mit Kleingewerbetreibenden aufgebaut werden. Historische Kerne müssen bewahrt werden. Um Begegnungen zwischen den Menschen zu fördern, braucht es Begegnungs- und Kulturstätten. Im Kulturentwicklungsplan soll die Förderung einer Stadtteilkultur entwickelt werden. Einen niedrigschwelligen Zugang zur Gesundheitsversorgung durch dezentrale Gesundheitszentren soll es für alle geben. In Stadtteilversammlungen werden die Bedürfnisse der Stadtteile ausgedrückt. Mit einem Budget regeln die Stadtteile ihre Angelegenheiten selbst.
Die Partei:
Wir Politikerinnen ziehen das Wording vor. Denken Sie an das „Gute-Kita-Gesetz“. Kurzum, eine Umbenennung der Stadtteile würde schon viel bringen. Jako-bervorstadt und Kahnfahrt in Hafen-City, die Stadtmitte in Downtown, Oberhausen in Oriental Quarter oder das Bismarckviertel in Prenzlauer Hills. Anglizismen kommen gut an und bilden die Brücke zu den Amerikanern – die zweite Kulturnation, die nach den Römern Augsburg besetzte.
Generation Aux:
Die Stadtteile sollen Orte der Begegnung werden. Durch unser Mobilitätskonzept „Superblocks“, mit dem wir schrittweise alle Stadtteile vom Durchgangsverkehr befreien, entstehen neue Plätze, die als Treffpunkte oder Spielplätze genutzt werden können und Lebensqualität erhöhen. Nahversorgung halten wir für essentiell, wo es keine Läden gibt, sollen Bürger flächendeckend die Möglichkeit haben, mit CO2-neutralen Lieferangeboten die Bedarfe des Alltags zu decken. Wir möchten in allen Augsburger Regionen Bildungszentren für die Stadtteile etablieren, die Menschen unter anderem niederschwelligen Zugang zu digitalen Alltagskompetenzen verschaffen.
V-Partei3:
Bis Redaktionsschluss ging kein Statement von der V-Partei ein.
WSA:
Es ist wichtig, die Bürger mehr vor Ort zu beteiligen (Workshops/Umfragen). Sie selbst wissen am besten, was ihnen fehlt bzw. was zu verbessern ist. Initiativen wie „Stadtteilplatz statt Parkplatz“ in Pfersee müssen von der Politik aufgegriffen und ernst genommen werden. Wie in der Vergangenheit von der Stadtregierung praktiziert, lediglich Workshops zu veranstalten und dann deren Ergebnisse zu übergehen, ist der falsche Weg. Die Stadtspitze muss die Vorschläge nach Möglichkeit weitestgehend politisch umsetzen. Wichtig ist zudem die Förderung von Stadtteilfesten und Maßnahmen für ein größeres Sicherheitsgefühl wie z. B. am Oberhauser Bahnhof.
Sollte er gewählt werden, will er klassisch linke Themen im Stadtrat nach vorne bringen:Mieten senken, Spekulationsgeschäfte eindämmen, sich für Minderheiten einsetzen. Aber nicht allein, „wir peilen als Linke Fraktionsstärke an“. Also mindestens vier Sitze im Rat. In der neuen Wahlperiode müsste die Partei dann in anderer Funktion ein Stück weit auf ihn verzichten, denn Hintermayr ist hauptberuflich politischer Referent der Bundestagsabgeordneten Susanne Ferschl.
Sich intensiv in Sachthemen einarbeiten, ein Netzwerk aufbauen – vieles, was ihm als Stadtrat nützlich sein könnte, hat er in seinem Job gelernt. Und so ganz aufgeben will er ihn auch nicht. Der 27-Jährige sagt: „Ich werde schauen, ob ich nach der Wahl meine Arbeitsstunden reduzieren muss. Allein von der Aufwandsentschädigung als Stadtrat könnten wir nicht leben". Dafür ginge es nach der Wahl für ihn nicht mehr so oft in den Berliner Reichstag. Und stattdessen regelmäßig ins Augsburger Rathaus.
Welche Lieblingsplätze haben die OB-Kandidaten? Um es zu erfahren, klicken Sie einfach auf die roten Markierungen in der interaktiven Karte.
Lesen Sie hier mehr über die Augsburger Kandidaten:
- Eva Weber: Die CSU-OB-Kandidatin, die nie Politikerin werden wollte
- SPD-Kandidat Dirk Wurm entschied sich für die Heimat - und gegen Costa Rica
- Grünen-OB-Kandidatin Martina Wild setzt auf Sieg
- OB-Kandidat Peter Hummel (Freie Wähler) will mit Augsburg ins Gespräch kommen
- Der OB-Kandidat der AfD kam als Flüchtling nach Deutschland
- Claudia Eberle von Pro Augsburg ist für ganz Augsburg aktiv
- Christian Pettinger (ÖDP): Ein Klimaschützer mit Sinn fürs Marionettentheater
- Anna Tabak (WSA) will die große Koalition stoppen
- Bruno Marcon will, dass "Augsburg in Bürgerhand" bleibt
- Lisa McQueen von "Die Partei" will sich für junge Leute einsetzen
- Seine Kinder motivieren Lars Vollmar (FDP) zu seiner Kandidatur
- Nach einem Unfall gründete Roland Wegner die V-Partei
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.