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Augsburgs OB-Kandidaten: Der OB-Kandidat der AfD kam als Flüchtling nach Deutschland

Augsburgs OB-Kandidaten

Der OB-Kandidat der AfD kam als Flüchtling nach Deutschland

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    An der Fach- und Berufsoberschule hat Andreas Jurca das Abitur gemacht. Mit der Schule verbindet er positive Erinnerungen – und das Wissen, wie marode manche Schulgebäude sind.
    An der Fach- und Berufsoberschule hat Andreas Jurca das Abitur gemacht. Mit der Schule verbindet er positive Erinnerungen – und das Wissen, wie marode manche Schulgebäude sind. Foto: Silvio Wyszengrad

    Er kam als Flüchtling. Zur Wendezeit packte die Familie Jurca in Rumänien ihre Koffer und reiste nach Deutschland. Die Familie hat deutsche Wurzeln, gehörte zur Minderheit der Banater Berglanddeutschen. Andreas Jurca war damals vier Jahre alt. Knapp ein Jahr lang lebte die Familie in einem Asylheim in Kirchdorf an der Iller, auf engstem Raum. Er teilte sich ein Bett mit der Schwester. Der Großvater, erinnert er sich, schlief in einem Sessel, weil es nicht genug Betten gab. Beschwert habe sich deshalb aber niemand, sagt Jurca. „Und man hat sich geschämt, dass man nicht gleich etwas arbeiten konnte.“

    Jurca, 32, trägt graues Sakko, helles Hemd und, worauf heute sogar viele CSUler verzichten, eine Krawatte. Das passt, denn er sieht sich selbst als „konservativ“. Seine Partei, die AfD, sieht er in der Tradition der „alten CDU und CSU“, aus der Zeit vor Angela Merkel. Als Politiker noch Krawatte trugen. Und als auf Plakaten der Union noch Sätze standen wie „Schein-Asylanten konsequent abschieben“. Jurca ist Oberbürgermeister-Kandidat der AfD. Über Kurt Gribl (CSU), der in den vergangenen zwölf Jahren an der Spitze der Stadt stand, sagt Jurca: „Er ist ein guter Repräsentant der Stadt, aber er macht Schulden, weil er versucht, es allen recht zu machen. Und er biedert sich bei den Linken an.“ Jurca meint damit unter anderem Gribls Auftritt bei der Demonstration gegen den AfD-Parteitag in Augsburg im Jahr 2018.

    Augsburger OB-Kandidat: Früher wählte der AfD-Mann CSU und FDP

    Zur AfD kam Andreas Jurca zur Zeit der Euro-Finanzkrise. Die Rettung Griechenlands vor der Pleite wurde von Kanzlerin Merkel damals als „alternativlos“ bezeichnet. Für Jurca, bis dato machte er bei Wahlen sein Kreuz bei CSU oder FDP, war das unverständlich. Die Politiker hätten ursprünglich versprochen, dass Deutschland nicht die Schulden anderer Länder zahlen müsse, sagt er. Für ihn sei das Verhalten der Bundesregierung schon bei der Griechenland-Rettung Wort- und Rechtsbruch gewesen, nicht erst bei der Flüchtlingskrise. Jurca fand es gut, dass Bernd Lucke damals widersprach und wurde deshalb Mitglied in der noch jungen „Alternative für Deutschland“.

    Eigentlich, sagt er, habe er nicht vorgehabt, in der Politik aktiv zu werden. Er sah sich als einfaches Mitglied. Doch sein Interesse war geweckt. Und so besuchte er 2017 eine Versammlung der Augsburger AfD. Dort wurde er, weil es an Bewerbern fehlte, von den Anwesenden überredet, sich als stellvertretender Schatzmeister zu engagieren. Von da an ging es schnell. Schon 2018 war er Landtagskandidat im Augsburg Westen, nach der Wahl wurde er Mitarbeiter des Augsburger AfD-Abgeordneten Markus Bayerbach. Nach einem persönlichen Zerwürfnis mit Bayerbach arbeitet er inzwischen nicht mehr für ihn, sondern ist parlamentarischer Referent der AfD-Landtagsfraktion. Er muss die Arbeit in der Fraktion mit koordinieren und ist unter anderem dafür zuständig, dass Anträge und Initiativen im Parlament richtig eingereicht werden.

    Andreas Jurca als Kind. Seine Familie kam von Rumänien nach Deutschland, als er vier Jahre alt war.
    Andreas Jurca als Kind. Seine Familie kam von Rumänien nach Deutschland, als er vier Jahre alt war. Foto: Silvio Wyszengrad

    Jurca lebt mit seiner Frau und einer zweijährigen Tochter in Pfersee. Er hat auf dem zweiten Bildungsweg Abitur gemacht und ein Chemiestudium abgeschlossen. Weil er für die Chemie aber keine Leidenschaft entwickeln konnte, orientierte er sich nach dem Studium um und begann eine Ausbildung zum Rechtspfleger. Dann aber kam die Chance, im Landtag zu arbeiten, und er gab die Ausbildung auf. Dass er hauptberuflich für die AfD arbeite, mache es ihm leichter, sich politisch zu engagieren, sagt Jurca. Parteikollegen bekämen immer wieder Probleme mit ihrem Arbeitgeber, wenn ihr Einsatz für die AfD bekannt werde.

    Jurca weiß, dass er nicht zu den Favoriten für die OB-Wahl zählt. Andererseits hat er bei der Landtagswahl ein zweistelliges Ergebnis eingefahren. Er bekam mit 11,5 Prozent das drittbeste Ergebnis hinter den Kandidaten von CSU und Grünen. Und mit Listenplatz 1 ist ihm ein Platz im neuen Stadtrat fast sicher. Als Oberbürgermeister, sagt er, würde er weniger Geld in die Theatersanierung stecken und mehr in die Schulen. Außerdem würde er Beiräte und Beauftragte für Spezialthemen auf den Prüfstand stellen – und mehr direkte Demokratie bevorzugen. Er bleibt sonst eher vage, mit Verweis darauf, dass ein OB immer auch auf die Machtverhältnisse im Stadtrat angewiesen sei. Im Alleingang könne der Rathaus-Chef nichts gestalten.

    Die Staatsanwaltschaft ermittelt und hat seine Wohnung durchsucht

    Jurca spricht ruhig. Auch wenn er darauf angesprochen wird, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermittelt und Polizisten im Dezember seine Wohnung durchsucht haben. Es geht darum, dass er unberechtigt Daten vom Dienst-Laptop gelöscht haben soll, als er seine Arbeit für Markus Bayerbach beendete. Und er soll Scherzbilder gespeichert haben, die sich über die NS-Zeit lustig machen. Sollte er solche Bilder weiterverbreitet haben, könnte er sich der Volksverhetzung strafbar gemacht haben. Jurca sagt, er könne den Fall wegen des laufenden Verfahrens nicht kommentieren. Er gehe aber davon aus, die Vorwürfe entkräften zu können.

    Lauter wird er im Gespräch nur, wenn man ihm die Frage stellt, ob von der AfD eine Gefahr für die Demokratie ausgehe. Diese Frage sei völlig abwegig, entgegnet er. Keiner in der AfD habe die Absicht, die Demokratie abzuschaffen. Den umstrittenen Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, ein Rechtsaußen in der Partei, sieht er als einen der „größten politischen Pioniere“ der Partei. Höcke sei kein Faschist, schreibt Jurca auf Facebook, sondern Patriot. Das Buch, in dem Höcke unter anderem davon schreibt, nach einem Machtwechsel sei auch „wohltemperierte Grausamkeit“ nötig, habe er nicht gelesen, sagt Jurca. Dass er auch die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung für komplett falsch hält, daraus macht er keinen Hehl. Es handle sich um eine „Masseneinwanderung in die Sozialsysteme“, sagt er. Im Wahlkampf mache er das aber nicht zum Thema. Auf kommunaler Ebene könne man da nichts machen, man müsse nur mit den Folgen leben.

    Welche Lieblingsplätze haben die OB-Kandidaten? Um es zu erfahren, klicken Sie einfach auf die roten Markierungen in der interaktiven Karte.

    In unserem Interview beantwortet Politikwissenschafts-Professor Wolfgang Schroeder die Frage: Warum stellt die AfD einen Flüchtling als OB-Kandidaten auf?

    Lesen Sie hier mehr über die Augsburger Kandidaten für die OB-Wahl:

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