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Augsburg: Augsburgs Einzelhandel kämpft wegen der Corona-Krise ums Überleben

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Augsburgs Einzelhandel kämpft wegen der Corona-Krise ums Überleben

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    Das Modegeschäft Rabe by Binder in der Philippine-Welser-Straße ist ein Opfer der Corona-Pandemie geworden. Steht im Einzelhandel eine Pleitewelle bevor? Experten gehen davon aus.
    Das Modegeschäft Rabe by Binder in der Philippine-Welser-Straße ist ein Opfer der Corona-Pandemie geworden. Steht im Einzelhandel eine Pleitewelle bevor? Experten gehen davon aus. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Corona hat ihnen, bildlich ausgedrückt, das Genick gebrochen: Während Modeboutique-Inhaber Harald Binder die restlichen Kleidungsstücke reduziert verkauft und Ende August seinen Laden in der Philippine-Welser-Straße für immer schließt, hatte Philipp Sturz Glück. Er fand Nachfolger, die sein Hostel Übernacht in der Karlstraße weiterführen. Wie viele Einzelhändler, Gastronomen und Hoteliers durch die Pandemie pleitegehen, ist noch nicht abschätzbar. Experten befürchten nach wie vor eine Insolvenzwelle. Beim Einzelhandelsverband hat jedoch man eine kleine Hoffnung.

    Das Modegeschäft Rabe by Binder schließt nach 20 Jahren

    20 Jahre lang hatte Harald Binder in dem kleinen Eckgeschäft beim Rathausplatz Damenmode verkauft. Der 54-Jährige hatte zuletzt viele schlaflose Nächte hinter sich. Nach dem Corona-Lockdown blieben die Kundinnen aus, Binder verkaufte kaum noch etwas. Schließlich zog er für sich die Reißleine. Geschäfte wie dieses leiden laut Andreas Gärtner vom schwäbischen Einzelhandelsverband Bayern besonders unter der Corona-Krise. „Nach wie vor ist die Kaufzurückhaltung bei Herren- und Damenoberbekleidung und Schuhen sehr stark.“ Das betreffe die komplette Kernstadt wie auch Geschäfte in der City-Galerie. Gärtner zufolge hat es aber nichts damit zu tun, dass die Menschen ihr Geld zurückhalten würden.

    Das Hostel Übernacht in der Karlstraße hat einen neuen Betreiber.
    Das Hostel Übernacht in der Karlstraße hat einen neuen Betreiber. Foto: Klaus Rainer Krieger

    „Geld ist schon im Umlauf. Das belegen die Zahlen im Investitionsgüterbereich. Ob Möbel, E-Bikes oder SUP-Boards, es werden hochwertigste Dinge gekauft, um sich die Freizeit zuhause einzurichten.“ Textilien hingegen würden kaum nachgefragt. „Weder gibt es Meetings noch Abendveranstaltungen. Den Menschen fehlt oftmals die Notwendigkeit, Kleidung zu kaufen, wie auch die Lust, dafür Geld auszugeben.“ Für viele Einzelhändler, so Gärtner, sei das Geschäft weiterhin ein Zuschussbetrieb.

    Viele Händler in Augsburg hoffen auf das Weihnachtsgeschäft

    „Sie leben von ihren Reserven, Mietstundungen und von Krediten und hoffen auf das Herbst- und Weihnachtsgeschäft“, sagt Gärtner. Harald Binder hat zumindest gehofft, dass ein Nachfolger seine Möbel und die Lichtausstattung ablösen würde. Doch die Stadt, die Eigentümerin der Immobilie ist, macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Sie will den kleinen Laden erst einmal sanieren. Wie lange er geschlossen bleibt, kann Wirtschaftsreferent Wolfgang Hübschle noch nicht sagen. Man gehe von ein paar Monaten aus. Das Geschäft nebenan, wo einst Wein Bayerl zu finden war, wird übrigens auch noch länger leer stehen. Der Weinanbieter war bereits vor Corona insolvent gegangen. Zwar ist ein Nachmieter gefunden, wohl eine Eisdiele, aber die Sanierung des Ladens wird laut Stadt erst Anfang 2021 abgeschlossen sein. „Wir sind in konkreter Abstimmung mit dem Nachmieter“, so Hübschle. Aktuell habe die Stadt aufgrund der Corona-Krise 20 Mieten gestundet – bis Ende des Jahres zinslos. Wie der Wirtschaftsreferent betont, geht man bei den Stundungen auf den einzelnen Mieter ein.

    „Es wird immer versucht, gemeinsam mit dem Mieter eine für seine Verhältnisse akzeptable individuelle Regelung zu finden.“ Man wolle die langjährigen Mieter wenn irgend möglich halten.

    Die Corona-Krise wirkt sich auf Wirtschaft und Handel: Zahlreiche Menschen haben dadurch ihre Jobs verloren.
    Die Corona-Krise wirkt sich auf Wirtschaft und Handel: Zahlreiche Menschen haben dadurch ihre Jobs verloren. Foto: Peter Kneffel, dpa (Symbol)

    Was die Rückzahlungen anbelangt, zögen die rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere das Haushaltsrecht, sehr enge Grenzen. „Nach aktuellem Rechtsstand müssen die Mieten unter der Anwendung einer gegebenenfalls großzügigen Rückzahlungsregelung komplett zurückgezahlt werden. Ausnahmen gibt es nur in sehr engen Grenzen“, meint der Wirtschaftsreferent. Andreas Gärtner vom Einzelhandelsverband wünscht sich hier mehr Entgegenkommen der Stadt.

    Experte: Stadt Augsburg soll Händler in der Krise unterstützen

    „Stundung ist die eine Sache, aber wer kann schon sechs Monatsmieten zurückzahlen?“, fragt der Einzelhandelsexperte. Für diejenigen, die die Corona-Krise am stärksten treffe, wünsche er sich mehr Bewegung vonseiten der Stadt im Sinne einer weiteren guten Handelsentwicklung. Vorstellbar sei, dass Mieter und Vermieter sich den Schaden gleichberechtigt teilen. Denn Gärtner schließt nicht aus, dass das dicke Ende noch kommt. „Grundsätzlich werden wir mit Schließungen rechnen müssen. Wie umfänglich die sein werden, hängt vom vierten Quartal ab. Hier herrscht noch das Prinzip Hoffnung.“

    Nach Einschätzung der Industrie- und Handelskammer werde eine Insolvenzwelle kommen. „Wenn nicht 2020, dann 2021“, so ein Sprecher. Denn noch ist die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt. Philipp Sturz hat aus der Aufgabe seines Hostels Übernacht noch etwas Positives gemacht. Der Zahnarzt, der die Herberge nebenbei betrieben hatte, hatte Ende Mai angesichts der strikten Hygieneauflagen dichtgemacht. Er sah keine Chance, das Hostel so weiter wirtschaftlich zu betreiben. Zudem hatte er bereits beträchtliche Verluste eingefahren.

    Sturz hat inzwischen Nachfolger gefunden, die das Übernacht in der Karlstraße wieder geöffnet haben. „Sie kommen aus der Hotellerie und Gastronomie und führen bereits ihre Nonstop-Hotels. Sie können kostengünstiger agieren, als ich es als Nebenerwerbshotelier vermochte.“ So schwer ihm im Frühjahr die Schließung fiel, desto froher ist er jetzt. „Das Hostel stirbt nicht und heißt weiter Übernacht“, freut sich der 58-Jährige. Für Harald Binder hingegen nimmt die Corona-Krise ein bitteres Ende. Er schließt das langjährige Familiengeschäft für immer. Noch weiß Binder nicht, wie es für ihn persönlich weitergeht. „Ich will mich jetzt erst einmal um meine Eltern kümmern.“

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