Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Augsburger Polizistenmord: Prozess gegen Raimund M. geplatzt - aber die Justiz hat einen Plan B

Augsburger Polizistenmord

Prozess gegen Raimund M. geplatzt - aber die Justiz hat einen Plan B

    • |
    Der Prozess gegen den mutmaßlichen Polizistenmörder Raimund M. ist endgültig geplatzt.
    Der Prozess gegen den mutmaßlichen Polizistenmörder Raimund M. ist endgültig geplatzt. Foto: Fred Schöllhorn (Archiv)

    Der Prozess gegen den mutmaßlichen Polizistenmörder Raimund M. ist endgültig geplatzt. Das Schwurgericht hat die Verhandlung ausgesetzt. Nun muss das Verfahren gegen ihn neu aufgerollt werden.

    Der 60-Jährige bleibt aber in Haft, teilte das Landgericht Augsburg mit. Der Prozess gegen den älteren der beiden Angeklagten war wegen M.s schlechten Gesundheitszustands neun Wochen lang unterbrochen. Das Verfahren gegen seinen Bruder Rudi R. läuft weiter.

    Prozess gegen Rudi R. abgetrennt

    Raimund M. leidet an Parkinson. Er saß 15 Monate in Isolationshaft. Diese beiden Tatsachen zusammen hatten nach Einschätzung des Gutachters Ralph-Michael Schulte M.s Zustand rapide verschlechtert. Der Gutachter erklärte den Angeklagten für verhandlungsunfähig. Der Prozess gegen M. war vorige Woche vom Verfahren gegen seinen Bruder abgetrennt worden.

    Die beiden sollen im Oktober 2011 den Augsburger Polizeibeamten Mathias Vieth nachts in einem Wald erschossen haben. Der Prozess gegen die Mordverdächtigen begann im Februar dieses Jahres. Bis September lief alles nach Plan. Etliche Indizien sprechen für die Schuld der Angeklagten. Doch ab September begann Raimund M. plötzlich zu schwächeln.

    Verfahren muss neu aufgerollt werden

    Der Mord am Augsburger Polizisten Mathias Vieth

    Der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth wird am frühen Morgen des 28. Oktober 2011 im Augsburger Siebentischwald von unbekannten Tätern erschossen.

    Der Streifenbeamte und seine Kollegin wollen an diesem Freitagmorgen gegen drei Uhr auf einem Parkplatz am Augsburger Kuhsee ein Motorrad mit zwei Männern kontrollieren.

    Die beiden Verdächtigen flüchten sofort in den nahen Siebentischwald, die Beamten nehmen mit ihrem Streifenwagen die Verfolgung auf.

    Im Wald stürzen die Motorradfahrer. Dann kommt es zu einem Schusswechsel zwischen Beamten und Tätern. Der 41-jährige Polizeibeamte wird trotz Schutzweste tödlich am Hals getroffen, seine Kollegin durch einen Schuss an der Hüfte verletzt.

    Die Täter flüchten. Eine anschließende Großfahndung, an der sich mehrere hundert Polizeibeamte beteiligen, bleibt ohne Erfolg.

    Die Augsburger Polizei richtet noch am gleichen Tag eine Sonderkommission ein. Der Soko "Spickel", benannt nach dem Augsburger Stadtteil, in dem die Tat geschah, gehören zunächst 40 Beamte an.

    Zwei Tage nach dem Polizistenmord geben die Ermittler bekannt, dass das Motorrad der beiden Täter in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2011 im Stadtgebiet von Ingolstadt gestohlen worden war. Dabei wurde die rund 15 Jahre alte Honda kurzgeschlossen.

    Drei Tage nach dem tödlichen Schusswechsel rückt die Polizei erneut mit einem Großaufgebot im Augsburger Spickel an. Taucher von Polizei und Feuerwehr suchen in den Kanustrecken des Eiskanals nach Gegenständen.

    Am 3. November wird Mathias Vieth bestattet. Am gleichen Tag stockt die Polizei die Soko "Spickel" auf 50 Beamte auf. Zugleich wird die Belohnung, die zur Aufklärung des Polizistenmordes ausgesetzt ist, auf 10.000 Euro erhöht.

    Ein Abgleich von DNA-Spuren, die am Tatort gesichert werden konnten, mit der bundesweiten DNA-Datenbank ergibt laut Polizei keinen Treffer.

    Am 7. November findet im Augsburger Dom die offizielle Trauerfeier für Mathias Vieth statt. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nimmt an ihr teilt.

    Zehn Tage nach dem Augsburger Polizistenmord greift die Sendung "Aktenzeichen XY" den Fall auf. Zwar gehen daraufhin mehrere Hinweise ein, eine heiße Spur ist aber nicht darunter.

    Dezember 2011: Die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, wird auf insgesamt 100.000 Euro erhöht.

    Am 29. Dezember 2011 nimmt die Polizei in Augsburg und Friedberg zwei Verdächtige fest. Es handelt sich um die Brüder Rudi R. (56) und Raimund M. (58). Schnell wird bekannt: Der Jüngere hat bereits 1975 einen Augsburger Polizisten erschossen.

    Nach der Festnahme entdecken die Fahnder etliche Waffen und auch Sprengstoff. Belastet wird einer der Verdächtigen durch DNA-Spuren, die am Tatort gefunden wurden.

    Auf die Spur der beiden Männer kamen die Ermittler über ein Fahrzeug. Der Wagen war in Tatortnähe beobachtet worden. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die beiden Brüder des Öfteren mit diesem Wagen unterwegs waren.

    Mitte Januar ergeht auch Haftbefehl gegen die Tochter von Raimund M.. Bei ihr wurden Anfang Januar drei Schnellfeuergewehre und acht Handgranaten gefunden, die ihr Vater und dessen Bruder Rudi R. versteckt haben sollen.

    Im Juli 2012 wird die Tochter von Raimund M. verurteilt. Das Gericht spricht sie wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffengesetz, wegen Geldwäsche, Hehlerei und Diebstahl schuldig.

    August 2012 Die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die Brüder Raimund M., 60, und Rudi R., 58, wegen Mordes am Polizisten Mathias Vieth. Außerdem listet die Anklage fünf Raubüberfälle auf.

    Es zeichnet sich ein Mammutprozess ab. Das Landgericht Augsburg setzt mehr als 49 Verhandlungstage an.

    21. Februar 2013: Der Mordprozess gegen die Brüder beginnt unter großen Sicherheitsvorkehrungen - und mit einem Eklat. Rudi R. beschimpft den Staatsanwalt als "Drecksack".

    August 2013: Das Gericht hat den Mordkomplex abgearbeitet und beginnt mit der Beweisaufnahme zu den Raubüberfällen. Viele Beobachter rechnen mit einem Mordurteil.

    September 2013: Ein Gutachter stellt fest, dass sich M.s Gesundheitszustand nach 15-monatiger Isolationshaft so verschlechtert hat, dass er verhandlungsunfähig ist.

    November 2013: Das Gericht setzt den Prozess gegen M. aus. Er bleibt vorerst in Haft. Gegen seinen Bruder Rudi R. wird normal weiterverhandelt.

    Februar 2014: Rudi R. wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sieht bei ihm eine besondere Schwere der Schuld und ordnet die anschließende Sicherungsverwahrung an.

    September 2014: Der neue Prozess gegen Raimund M. beginnt.

    Februar 2015: Der Bundesgerichtshof bestätigt das Augsburger Urteil gegen Rudolf R.

    Das Verfahren gegen ihn muss jetzt noch einmal ganz von vorn beginnen. Ob es aber überhaupt wieder aufgenommen werden kann, ist wegen der Erkrankung unklar. Wie schlecht es Raimund M. wirklich geht, ist allerdings äußerst umstritten. Auch gibt es Zweifel daran, ob er sein Parkinson-Medikament überhaupt einnimmt.

    Blutentnahmen, die eine Bestimmung des Medikamentenspiegels erlauben würden, verweigert der Gefangene. Rechtsanwalt Walter Rubach, Vertreter der Witwe des getöteten Polizisten, äußert sogar die Befürchtung, dass es M. gelungen sein könnte, Gutachter Schulte zu manipulieren.

    Behandlung in einer externen Klinik geplant

    Das Schwurgericht schlägt daher nun eine neue Strategie ein. Zum einen bitten die Richter die Justizvollzugsanstalt München, einen Katalog von Therapievorschlägen des Gutachters umzusetzen. Zum anderen  wollen die

    Polizist Mathias Vieth wurde bei einem Einsatz erschossen. Seine mutmaßlichen Mörder stehen derzeit vor Gericht. 200 Zeugen werden im Augsburger  Polizistenmord-Prozess gehört.
    Icon Galerie
    14 Bilder
    Der Prozess um den Mord am Polizisten Mathias Vieth ist eines der größten Verfahren am Landgericht Augsburg gewesen. Die Bildergalerie zeigt seine Protagonisten.

    Nach Informationen unserer Zeitung ist bereits für kommenden Mittwoch ein Termin in der Neurologischen Abteilung des Klinikums Großhadern geplant.

    Möglicherweise soll M. auch stationär dort behandelt werden. Die Justiz verspricht sich davon entweder eine Besserung des Zustands – oder die Erkenntnis, dass der Angeklagte seinen schlechten Gesundheitszustand simuliert.

    Das Schwurgericht jedenfalls geht nach den vorliegenden Äußerungen des Gutachters davon aus, „dass sich der Zustand des Angeklagten zeitnah so bessern wird, dass die Hauptverhandlung gegen ihn von neuem beginnen kann“, so Landgerichtspräsident Herbert Veh.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden