Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Augsburger Polizistenmord: Die Suche nach weiteren Beweisen

Augsburger Polizistenmord

Die Suche nach weiteren Beweisen

    • |
    Mitarbeiter der Spurensicherung durchsuchen in Friedberg  nach der Festnahme von den zwei mutmaßlichen Tätern die Scheune eines landwirtschaftlichen Anwesens.
    Mitarbeiter der Spurensicherung durchsuchen in Friedberg nach der Festnahme von den zwei mutmaßlichen Tätern die Scheune eines landwirtschaftlichen Anwesens. Foto: Annette Zoepf

    Die Arbeit der Soko, die den Mord am Augsburger Polizisten Mathias Vieth (41) untersucht, ist längst nicht beendet. „Man könnte sagen, es ist jetzt Halbzeit“, sagt ein Polizist. Die Beamten suchen nach weiteren Beweisen gegen die mordverdächtigen Brüder Rudi R. (56) und Raimund M. (58). Zumal der Kripo nach Informationen unserer Zeitung womöglich noch ein wichtiges Beweisstück fehlt. Zumindest eine der Tatwaffen könnte nach wie vor verschwunden sein.

    Mathias Vieth wurde aus zwei Waffen beschossen

    Polizeihauptmeister Vieth wurde in der Nacht zum 28. Oktober aus zwei Waffen beschossen – das besagen Patronen, die am Tatort gesichert wurden. Die Täter schossen mit einer Neun-Millimeter-Pistole – und offenbar mit einer Kalaschnikow. Beide Waffen nahmen sie auf ihrer Flucht mit. Die

    Der Mord am Augsburger Polizisten Mathias Vieth

    Der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth wird am frühen Morgen des 28. Oktober 2011 im Augsburger Siebentischwald von unbekannten Tätern erschossen.

    Der Streifenbeamte und seine Kollegin wollen an diesem Freitagmorgen gegen drei Uhr auf einem Parkplatz am Augsburger Kuhsee ein Motorrad mit zwei Männern kontrollieren.

    Die beiden Verdächtigen flüchten sofort in den nahen Siebentischwald, die Beamten nehmen mit ihrem Streifenwagen die Verfolgung auf.

    Im Wald stürzen die Motorradfahrer. Dann kommt es zu einem Schusswechsel zwischen Beamten und Tätern. Der 41-jährige Polizeibeamte wird trotz Schutzweste tödlich am Hals getroffen, seine Kollegin durch einen Schuss an der Hüfte verletzt.

    Die Täter flüchten. Eine anschließende Großfahndung, an der sich mehrere hundert Polizeibeamte beteiligen, bleibt ohne Erfolg.

    Die Augsburger Polizei richtet noch am gleichen Tag eine Sonderkommission ein. Der Soko "Spickel", benannt nach dem Augsburger Stadtteil, in dem die Tat geschah, gehören zunächst 40 Beamte an.

    Zwei Tage nach dem Polizistenmord geben die Ermittler bekannt, dass das Motorrad der beiden Täter in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2011 im Stadtgebiet von Ingolstadt gestohlen worden war. Dabei wurde die rund 15 Jahre alte Honda kurzgeschlossen.

    Drei Tage nach dem tödlichen Schusswechsel rückt die Polizei erneut mit einem Großaufgebot im Augsburger Spickel an. Taucher von Polizei und Feuerwehr suchen in den Kanustrecken des Eiskanals nach Gegenständen.

    Am 3. November wird Mathias Vieth bestattet. Am gleichen Tag stockt die Polizei die Soko "Spickel" auf 50 Beamte auf. Zugleich wird die Belohnung, die zur Aufklärung des Polizistenmordes ausgesetzt ist, auf 10.000 Euro erhöht.

    Ein Abgleich von DNA-Spuren, die am Tatort gesichert werden konnten, mit der bundesweiten DNA-Datenbank ergibt laut Polizei keinen Treffer.

    Am 7. November findet im Augsburger Dom die offizielle Trauerfeier für Mathias Vieth statt. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nimmt an ihr teilt.

    Zehn Tage nach dem Augsburger Polizistenmord greift die Sendung "Aktenzeichen XY" den Fall auf. Zwar gehen daraufhin mehrere Hinweise ein, eine heiße Spur ist aber nicht darunter.

    Dezember 2011: Die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, wird auf insgesamt 100.000 Euro erhöht.

    Am 29. Dezember 2011 nimmt die Polizei in Augsburg und Friedberg zwei Verdächtige fest. Es handelt sich um die Brüder Rudi R. (56) und Raimund M. (58). Schnell wird bekannt: Der Jüngere hat bereits 1975 einen Augsburger Polizisten erschossen.

    Nach der Festnahme entdecken die Fahnder etliche Waffen und auch Sprengstoff. Belastet wird einer der Verdächtigen durch DNA-Spuren, die am Tatort gefunden wurden.

    Auf die Spur der beiden Männer kamen die Ermittler über ein Fahrzeug. Der Wagen war in Tatortnähe beobachtet worden. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die beiden Brüder des Öfteren mit diesem Wagen unterwegs waren.

    Mitte Januar ergeht auch Haftbefehl gegen die Tochter von Raimund M.. Bei ihr wurden Anfang Januar drei Schnellfeuergewehre und acht Handgranaten gefunden, die ihr Vater und dessen Bruder Rudi R. versteckt haben sollen.

    Im Juli 2012 wird die Tochter von Raimund M. verurteilt. Das Gericht spricht sie wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffengesetz, wegen Geldwäsche, Hehlerei und Diebstahl schuldig.

    August 2012 Die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die Brüder Raimund M., 60, und Rudi R., 58, wegen Mordes am Polizisten Mathias Vieth. Außerdem listet die Anklage fünf Raubüberfälle auf.

    Es zeichnet sich ein Mammutprozess ab. Das Landgericht Augsburg setzt mehr als 49 Verhandlungstage an.

    21. Februar 2013: Der Mordprozess gegen die Brüder beginnt unter großen Sicherheitsvorkehrungen - und mit einem Eklat. Rudi R. beschimpft den Staatsanwalt als "Drecksack".

    August 2013: Das Gericht hat den Mordkomplex abgearbeitet und beginnt mit der Beweisaufnahme zu den Raubüberfällen. Viele Beobachter rechnen mit einem Mordurteil.

    September 2013: Ein Gutachter stellt fest, dass sich M.s Gesundheitszustand nach 15-monatiger Isolationshaft so verschlechtert hat, dass er verhandlungsunfähig ist.

    November 2013: Das Gericht setzt den Prozess gegen M. aus. Er bleibt vorerst in Haft. Gegen seinen Bruder Rudi R. wird normal weiterverhandelt.

    Februar 2014: Rudi R. wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sieht bei ihm eine besondere Schwere der Schuld und ordnet die anschließende Sicherungsverwahrung an.

    September 2014: Der neue Prozess gegen Raimund M. beginnt.

    Februar 2015: Der Bundesgerichtshof bestätigt das Augsburger Urteil gegen Rudolf R.

    Zwar entdeckten die Beamten bei Durchsuchungen in der vorigen Woche ein ganzes Waffenarsenal – darunter auch Neun-Millimeter-Pistolen und zwei Maschinenpistolen. Doch es war keine Kalaschnikow dabei – und wohl auch keine andere passende Waffe. Zumindest sieht es bisher danach aus.

    Tückische Munition

    Die Waffen werden jetzt von Experten unter die Lupe genommen. Gefunden wurde, als die Ermittler unter anderem den Bauernhof von M.s Schwager in Friedberg auf den Kopf stellten, auch Hohlspitzmunition. Diese Munition ist tückisch, weil sie sich deformiert und schlimme Verwundungen anrichtet.

    Die Tatwaffen sind wichtige Beweisstücke für einen Gerichtsprozess. Die Ermittler gehen davon aus, dass sowohl Rudi R. als auch Raimund M. in der Tatnacht schossen und Mathias Vieth auch trafen. Aufschluss darüber könnte auch die 3-D-Analyse des Tatorts geben. Sie ermöglicht es, ein virtuelles Bild zu erstellen, das zeigt, wer am Tatort im Augsburger Siebentischwald wo gestanden haben muss.

    Im Fall von Raimund M. haben die Ermittler eine DNA-Spur, die aus ihrer Sicht belegt, dass er am Tatort war. Bei seinem Bruder Rudi R., der schon 1975 einen Polizisten erschossen hat, gibt es bislang keinen Gen-Beweis. Doch die Ermittler suchen – und wollen nicht ausschließen, dass sie noch DNA finden, die seine Anwesenheit am Tatort belegt. Zudem stand ein Auto, das R. nutzte, in der Tatnacht mit warmem Motor in der Nähe. Die Ermittler setzen auch darauf, dass zumindest Raimund M. doch noch gesteht. Bis gestern schwiegen die Brüder, die in Gefängnissen in Stadelheim und Augsburg sitzen. R. weigerte sich sogar, einen Verteidiger zu benennen. Das Gericht setzte ihm eine Frist bis Donnerstag.

    Rudi R. fiel durch rechte Parolen auf

    Bei Nachbarn in der Wohnanlage im Augsburger Stadtteil Lechhausen fiel Rudi R. durch rechte Parolen auf. „Er war unauffällig und freundlich“, erzählte der Hausmeister, der zeitweise direkt neben R. und dessen demenzkranker Mutter lebte, unserer Zeitung. Doch der Hausmeister bemerkte in Gesprächen mit R. auch ein stramm rechtes Gedankengut: „Er schimpfte öfter über faule Ausländer.“

    Raimund M., der in Friedberg ein bürgerliches Leben führte, ist nicht vorbestraft. Auch Polizisten spielten mit ihm beim TC Friedberg Tennis, ohne etwas zu ahnen. Er soll früher durch Delikte aufgefallen sein, doch er war nach Informationen unserer Zeitung nie im Gefängnis. Einträge im Strafregister werden nach einiger Zeit gelöscht. Die Kripo vermutet, dass die Brüder Raubzüge geplant und früher womöglich auch schon umgesetzt haben. Ein Indiz dafür sind auch Schutzwesten und Walkie-Talkies, die entdeckt wurden.

    M.s Frau, eine Beamtin bei der Stadt Friedberg, sei derzeit keine Beschuldigte, heißt es bei der Staatsanwaltschaft. Als Ehefrau hat sie ohnehin das Recht zu schweigen. Selbst wenn sie nach der Bluttat etwas erfahren oder geahnt hätte.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden