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Augsburger Geschichte: Wie Augsburg im Jahr 1946 die Heimatvertriebenen empfing

Augsburger Geschichte

Wie Augsburg im Jahr 1946 die Heimatvertriebenen empfing

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    Nur wenige Fotos überliefern, wie 1947/48 Heimatvertriebene im Lager A leben mussten, ehe ihnen eine Wohnung zugewiesen werden konnte.
    Nur wenige Fotos überliefern, wie 1947/48 Heimatvertriebene im Lager A leben mussten, ehe ihnen eine Wohnung zugewiesen werden konnte. Foto: Sammlung Häußler

    Ab Januar 1946 kamen fast täglich Züge mit Heimatvertriebenen aus dem Sudetenland in Augsburg an. Dort hatte die Deportation Deutscher begonnen.

    Augsburger Schulen wurden zu Durchgangs-Massenlagern

    Die in Zügen in Augsburg Angekommenen wurden äußerst notdürftig untergebracht, registriert, verpflegt und medizinisch betreut. Nach einigen Tagen folgte die Verteilung in Schwaben. Eine Empfangseinrichtung für Heimatvertriebene war Anfang 1946 in Augsburg nicht vorbereitet. Improvisation war gefordert: Die Georgsschule, die Elias-Holl-Schule und das Gymnasium bei St. Stephan wurden zu Durchgangs-Massenlagern umfunktioniert.

    Die Ausmaße des am 29. August 1946 bezugsfertigen Regierungslagers B verdeutlicht dieses Panoramabild.
    Die Ausmaße des am 29. August 1946 bezugsfertigen Regierungslagers B verdeutlicht dieses Panoramabild. Foto: Sammlung Häußler

    Augsburg benötigte jedoch dringendst ein zentrales Durchgangslager. Ein solches in aller Eile einzurichten, schien unmöglich. Anfang 1946 herrschte eine heute kaum mehr vorstellbare Notsituation in allen Bereichen. Man stand vor einer scheinbar nicht zu bewältigenden Herausforderung. Dieser Aufgabe stellte sich die Christliche Wohnungshilfe, eine Organisation der Caritas. Nach der Zusage von Staatsgeldern, Baumaterial und Ausstattung beschloss sie am 16. Februar 1946 den Bau von zwei Auffanglagern für Heimatvertriebene in Augsburg.

    Textilfabrik beherbergte bis zu 2000 Menschen

    Anfangs 2500, im Endausbau 4200 Betten sollten bereitstehen – und zwar schnellstens. Ein bombengeschädigtes dreistöckiges Fabrikgebäude der Mechanischen Baumwollspinnerei an der Oblatterwallstraße schien zum Umbau geeignet. Doch Baumaterialien jeglicher Art waren Anfang 1946 Mangelware. Trotzdem gelang es, die Textilfabrik innerhalb von zwei Monaten zum „Regierungslager A“ zur Kurzzeit-Unterbringung von bis zu 2000 Personen umzubauen.

    Daten und Fakten der Regierungslager A und B aus einem Album von 1948.
    Daten und Fakten der Regierungslager A und B aus einem Album von 1948. Foto: Sammlung Häußler

    Die ehemaligen Produktionshallen wurden mit Holz-Zwischenwänden notdürftig unterteilt und sanitäre Einrichtungen installiert. Ein Entlausungsraum musste geschaffen werden, in einer Großküche mit sieben Kesseln sollte die Gemeinschaftsverpflegung gekocht werden. Ein Krankenrevier mit 23 Betten, Behandlungsräume für zwei Ärzte und eine Röntgenstation entstanden innerhalb weniger Wochen.

    Dieser Fabrikbau diente ab 3. Mai 1946 als Regierungslager A zur Kurzzeitunterbringung für bis zu 2000 Heimatvertriebene.
    Dieser Fabrikbau diente ab 3. Mai 1946 als Regierungslager A zur Kurzzeitunterbringung für bis zu 2000 Heimatvertriebene. Foto: Sammlung Häußler

    Am 3. Mai 1946 konnte das „Regierungslager A“ an den Flüchtlingskommissar und an die Caritas übergeben werden. Caritasschwestern und Personal aus allen erdenklichen Berufen übernahmen die Betreuung der fast täglich eintreffenden Heimatvertriebenen. Die Lagerleitung wurde dem damals 32-jährigen Herbert Peiker übertragen. Er verfügte über ein ausgeprägtes Organisationstalent. Nach schwerer Verwundung war er 1941 als Planungstechniker aus dem sächsischen Weißwasser zu den Flugzeugwerken Messerschmitt in Augsburg gekommen.

    Ab Ende 1946 wurden die Fabrikhallen für zahlreiche Familien zum notdürftigen Dauerquartier.
    Ab Ende 1946 wurden die Fabrikhallen für zahlreiche Familien zum notdürftigen Dauerquartier. Foto: Sammlung Häußler

    Bei der Inbetriebnahme des „Lagers A“ Anfang Mai 1946 waren erst acht Prozent der zur Aufnahme im Regierungsbezirk Schwaben vorgesehenen Heimatvertriebenen eingetroffen. Zu diesem Zeitpunkt rechnete man mit 260.000 ausgewiesenen Sudetendeutschen für Schwaben. Innerhalb der ersten 60 Tage durchliefen 40.500 Vertriebene das „Regierungslager A“, bis Jahresende 1946 waren es 75.000, darunter 12.300 Kranke. Es gab Tage mit 1200 Neuankömmlingen. Innerhalb von zehn Monaten war Augsburg das Ziel für 156 Transporte aus dem Sudetenland. Am 20. April 1946 kam der erste Zug mit 1223 Neudekern an. Endstation war an der Rampe der Ballonfabrik an der Austraße. Fünf weitere Transporte allein aus

    Menschenwürdige Wohnmöglichkeiten entstanden in Augsburg

    Um den Beginn der Neueingliederung einigermaßen menschenwürdig bewältigen zu können, begann im Frühjahr 1946 der Bau des „Regierungslagers B“: 35 Baracken auf der „Vierzigerwiese“ zwischen Prinzstraße und Wolframstraße gegenüber der Kammgarn-Spinnerei. Die riesige Barackensiedlung wurde nicht ausschließlich als Durchgangslager geplant. Sie sollte auch Wohnmöglichkeit für 40 Familien und 32 Einzelpersonen bieten. Dem Bau und der Einrichtung lagen die Erfahrungen in den absolut unzweckmäßigen Fabrikhallen zugrunde: Im „Regierungslager B“ zog bescheidener Komfort in solide Holz-Flachbauten ein.

    Aussiedlungskiste der dreiköpfigen sudetendeutschen Familie Fischer aus Bautsch im Landkreis Bärn.
    Aussiedlungskiste der dreiköpfigen sudetendeutschen Familie Fischer aus Bautsch im Landkreis Bärn. Foto: Sammlung Häußler

    Am 29. August 1946 war das Barackendorf bezugsfertig. Auch hier fungierte Herbert Peiker als Leiter und Chef über 70 bis 100 Beschäftigte. Ende 1946 hatten 14485 Vertriebene das „Lager B“ durchlaufen, darunter 2300 Kranke. Als beide Lager nicht mehr ausschließlich zur Durchschleusung benötigt wurden, begann darin ein Lagerleben für Familien. Das für Langzeitaufenthalte völlig untaugliche Lager „A“ wurde im November 1949 aufgelöst. Das relativ gut ausgestattete „Regierungslager B“ war bis zum Abbruch im Jahr 1953 bewohnt.

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