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Augsburger Geschichte: Die Geschichte des versteckten Rossbubs am Augsburger Kaufbach

Augsburger Geschichte

Die Geschichte des versteckten Rossbubs am Augsburger Kaufbach

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    Am Zusammenfluss von Kaufbach und Spitalbach führte eine Rampe in ein Pferdebad. Links die einstige Schüle'sche Kattunmanufaktur, rechts der Bachwirt, dazwischen der Rossbub.
    Am Zusammenfluss von Kaufbach und Spitalbach führte eine Rampe in ein Pferdebad. Links die einstige Schüle'sche Kattunmanufaktur, rechts der Bachwirt, dazwischen der Rossbub. Foto: Sammlung Häußler

    Am Beginn der Friedberger Straße gegenüber der Schaufassade der einstigen Schüle'schen Kattunmanufaktur (heute Hochschule) vereinigen sich der Kaufbach und der Spitalbach. Der Caritasweg begleitet den

    Ein rund 100 Jahre altes Foto zeigt die Steinplastik im Neuzustand. Die Beschriftung auf der Rückseite: "Roßbub auf dem Pfeiler an der Pferdeschwemme an der Nordostecke der Friedberger Straße – 1913 Albertshofer, München". Der Fotograf wusste Bescheid: Bald nach 1900 gestaltete das Bauamt den Beginn der Friedberger Straße neu. Sie führt dort über zwei Kanalbrücken. Zwei aufwendige Straßenleuchten auf Steinsäulen und der "Rossbub" bildeten die Dekorationen gegenüber dem schlossartigen Kopfbau des einstigen Kattunmanufaktur. Das Bauamt ließ nach Abschluss der Baumaßnahme zwei Fotos fertigen.

    Die Augsburger Pferdeschwemme ist heute verfüllt

    Ein Foto zeigt den Zusammenfluss von Kaufbach und Spitalbach mit neuer Brücke. Daneben befindet sich die Rampe zu einer Pferdeschwemme. Darauf gruppierte der Fotograf Kinder als Staffage. Diese ins Wasser führende Schräge gibt es nicht mehr, sie ist verfüllt. Der links im Bild erfasste Kopfbau der Schüle'schen Kattunmanufaktur steht noch. Er ist heute Teil der Hochschule.

    Der Rossbub um 1920. Noch ist das fein gearbeitete Gesicht erkennbar. Es ist inzwischen vernarbt und der vor 100 Jahren helle, glatte Stein grau und porig.
    Der Rossbub um 1920. Noch ist das fein gearbeitete Gesicht erkennbar. Es ist inzwischen vernarbt und der vor 100 Jahren helle, glatte Stein grau und porig. Foto: Sammlung Häußler

    Den rechten Teil der historischen Aufnahme nimmt der Gasthof Zum goldenen Kreuz ein. Er war als "Wirtschaft auf dem Bach" oder "Bachwirt" geläufig. Ihn gibt es nicht mehr. Seit 1967 regelt auf seinem Grund eine Ampelanlage auf einer Kreuzung den Autoverkehr. Auf dem über 100 Jahre alten Foto steht der "Rossbub" scheinbar vor dem Giebel des "Bachwirts". Der Gasthof ist verschwunden, die Steinskulptur blieb. An Ross und Reiter hat der Zahn der Zeit genagt. Über ein Jahrhundert an der "frischen" Luft einer viel befahrenen Straße und die Schattenlage unter Bäumen haben Spuren hinterlassen. Der ehedem helle Stein ist grau, porig und fleckig.

    Die Pferdeschwemme stand in enger Beziehung zum "Bachwirt". Eine Beschreibung von 1846 lässt dies erahnen: "Hier ist der Ablagerungsort von Fuhrleuten, auch wegen der geräumigen Stallungen der Schau- und Verkaufsplatz für die hier durchziehenden nordischen Pferdehändler." Das heißt: Beim "Bachwirt" logierten Fuhrleute, die mit Frachtwagen Güter-Ferntransporte abwickelten. Sie stellten hier ihre Rösser ein und versorgten sie.

    In der Schwemme wurden die nach Augsburg gebrachten Pferde frisch gemacht

    Die großen Stallungen nutzten auch Pferdehändler. Ein Inserat von 1857 bestätigt dies: "B. Frenkel aus Frankfurt am Main hat die Ehre anzuzeigen, daß er mit einem Transport meklenburger und englischer Reit- & Wagen-Pferde auf dem Bach in Augsburg ankommt." Die Wirtschaft "auf dem Bach" war ein Rosshandelsplatz. In der Pferdeschwemme gönnten Fuhrleute ihren Zugtieren ein erfrischendes Bad und Händler ließen ihre zum Verkauf nach Augsburg gebrachten Pferde frisch machen. Das erledigten "Rossbuben". Sie waren die Pferdepfleger. Barfüßig und ohne Sattel, wie es die Steinskulptur zeigt, ritten sie in die

    Augsburg hatte in der Vor-Auto-Zeit einen hohen Bedarf an Pferden. Über ihre Anzahl geben im 19. Jahrhundert die alljährlichen Musterungen auf Militärdiensttauglichkeit Auskunft: Am 14. Mai 1878 wurden 1159 Rösser in Privatbesitz vorgeführt. Allein die Stallungen der Chevaulegers-Kaserne ("leichte Reiter") südlich der Ulrichsbasilika waren für etwa 600 Reittiere berechnet. Augsburger Postställe konnten 200 Pferde aufnehmen, etliche Gasthöfe verfügten über

    Unter Geäst steht der Rossbub von 1913 am Caritasweg. Den Hintergrund bildet der Kopfbau der einstigen Schüle-Manufaktur. Er ist jetzt der historische Trakt der Hochschule.
    Unter Geäst steht der Rossbub von 1913 am Caritasweg. Den Hintergrund bildet der Kopfbau der einstigen Schüle-Manufaktur. Er ist jetzt der historische Trakt der Hochschule. Foto: Sammlung Häußler

    Der Kaufbach war ursprünglich ein Floßkanal. Vom Hochablass kommend beförderte er die Stämme zu einem riesigen Holzlagerplatz beim Bachwirt. Holzknechte und Flößer waren hier Gäste. Der bereits um 1600 bestehende Lagerplatz wurde nach dem Aufhören der Flößerei Ende des 19.Jahrhunderts nicht mehr benötigt. Ab etwa 1900 erstand hier das Wohnviertel zwischen Remboldstraße und Gärtnerstraße. Am Rand des Neubaugebiets platzierten Geschichtsbewusste in der Augsburger Bauverwaltung 1913 ein ungewöhnliches Denkmal.

    Aus Ställen wurden Garagen

    Der Münchner Bildhauer und Professor Georg Albertshofer (1864–1939) schuf die Skulptur. Er musste nicht lange ein Modell suchen: Die Pferdeschwemme beim Bachwirt wurde noch benutzt, und zwar von Rössern des Spediteurs Alois Weißenhorn. Er hatte um 1870 das "Bachwirt"-Anwesen gekauft. Die Gaststätte verpachtete er, seine Zugpferde brachte er in den Stallungen unter. Aus Ställen wurden Garagen, als Lastkraftwagen die Pferde im Speditionsbetrieb ablösten.

    Um 1930 folgte der Spedition die auf Autoelektrik spezialisierte Firma Gläser zuerst als Pächter, dann als Eigentümer des "Bachwirt"-Komplexes Schülestraße 2. Er entwickelte sich als "Gläser-Dreieck" zum festen Begriff. Im Adressbuch für 1967 gibt es die Anschrift nicht mehr: Seit 27. Oktober 1967 rollt der Verkehr über das große Grundstück, auf dem die Gebäudegruppe stand.

    Weitere historische Exkursionen von Franz Häußler finden Sie hier.

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