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Augsburger Geschichte: Das ungewöhnliche Schicksal des Koelle-Mädchens vom Künstlerhof

Augsburger Geschichte

Das ungewöhnliche Schicksal des Koelle-Mädchens vom Künstlerhof

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    1938: Innenhof des Künstlerhofes mit Arkaden und Brunnen. Das Koelle-Mädchen stand bis August 1943 über dem Brunnenbecken.
    1938: Innenhof des Künstlerhofes mit Arkaden und Brunnen. Das Koelle-Mädchen stand bis August 1943 über dem Brunnenbecken. Foto: Sammlung Häußler

    Im Grafischen Kabinett im Höhmannhaus neben dem Schaezlerpalais ist die Ausstellung "Der Bildhauer Fritz Koelle" eingerichtet. Doch die Türe bleibt derzeit versperrt: Coronabedingt sind Museen in Deutschland geschlossen. Doch Fritz Koelle ist in Augsburg auch im Freien präsent: Sein "Flößer" steht an der Neuburger Straße in Lechhausen, seine "Bergmänner" sind an der Fritz-Koelle-Straße und in Oberhausen zu sehen.

    Fritz Koelles meist schwergewichtige Skulpturen waren nicht als Museumsobjekte gedacht, sondern für den öffentlichen Raum. Eher ein Leichtgewicht ist ein Frühwerk des 1895 in Augsburg geborenen, 1953 verstorbenen BiIdhauers, das ebenfalls im Freien steht: das Bronzemädchen im Brunnenmeisterhof bei den Wassertürmen am Roten Tor. Es hat ein ungewöhnliches Schicksal.

    Augsburger Brunnenfiguren waren als Metallspende vorgesehen

    Fritz Koelle signierte die Mädchenfigur 1922. Erster Aufstellungsort war der Künstlerhof, ein 1925/26 im Domviertel errichtetes Wohn- und Arbeitsgebäude für Bildhauer, Maler, Grafiker und Architekten. Fotos zeigen das "Koelle-Mädchen" im Innenhof über einem achteckigen Brunnenbecken. Ab August 1943 fehlte dort die Bronzeskulptur: Sie war mit anderen Augsburger Brunnenfiguren als "Metallspende der deutschen Städte" zur Waffenproduktion abgeliefert worden. Das Koelle-Mädchen landete zwar 1943 bei der Norddeutschen Affinerie in Hamburg, jedoch nicht im Hochofen. Es überlebte den Krieg auf einem Lagerplatz der Metallschmelze.

    Davon erfuhr man in Augsburg im Dezember 1949. In Hamburg fanden sich insgesamt fünf Kunstbronzen aus Augsburg: der Prinzregent, der Goldschmied vom Martin-Luther-Platz, der junge Mann mit Weinschlauch vom Kesterbrunnnen, die Brunnen-Nymphen von der Langenmantelstraße und das Koelle-Mädchen. Im August 1950 kehrten die fünf Skulpturen nach Augsburg zurück. Vier wurden noch 1950 auf ihre sieben Jahre verwaisten Podeste gehoben. Das grazile Mädchen war heimatlos: Bomben hatten 1944 den Künstlerhof schwer beschädigt, die Teilruine war zum Abbruch vorgesehen.

    Der Augsburger Otto Holzer plante den Künstlerhof

    Der Künstlerhof war 1925/26 erbaut worden. Zu dieser Zeit verfügte die Künstlervereinigung "Die Ecke" über eine einflussreiche Lobby. Zu den Mitgliedern zählte der städtische Oberbaudirektor Otto Holzer. Er plante den Künstlerhof als Domizil für Kunstschaffende. Die Einweihung fand am 17. Juni 1926 statt. Die damalige Adresse: Litera C 81 (ab 1938: Beim Pfaffenkeller 3) im Domviertel.

    Bei der Einweihung wurde die Frage "Zweg'n was hat man den Künstlerhof baut?" so beantwortet: "Weil die Künstler stets sag'n, sie bring'n ohne Werkstatt nix z'samm, so daß s' jetzt koa Ausred mehr ham." Zwölf Ateliers waren im Juni 1926 an zwei Architekten, acht Maler und zwei Bildhauer vergeben. Zu den Arbeitsräumen im Obergeschoss gehörte jeweils ein Empfangsraum im Parterre. Er wurde meist als Wohnung genutzt.

    Der Innenhof bildete den Treffpunkt. Der Viereckhof war von den bis zu dreistöckigen Bautrakten und an drei Seiten von Arkaden umgeben. Den Mittelpunkt des Hofes bildete der Brunnen mit dem Koelle-Mädchen. Bauherr und Besitzer des Künstlerhofes war die Stadt Augsburg. Der bayerische Staat und die Stadt hatten den Bau finanziert. Die Künstlervereinigung "Die Ecke" verwaltete den Künstlerhof und wählte die Nutzer aus.

    Übel zugerichtet kam die Bronzeskulptur in die Restaurierungswerkstatt.
    Übel zugerichtet kam die Bronzeskulptur in die Restaurierungswerkstatt. Foto: Untere Denkmalschutzbehörde
    Im Brunnenmeisterhof fand die Skulptur eine neue Heimat
    Im Brunnenmeisterhof fand die Skulptur eine neue Heimat Foto: Franz Häußler

    Nicht mal 18 Jahre überlebte der Künstlerhof. In der Bombennacht vom 25. auf den 26. Februar 1944 wurde er zur Ruine. Fenster und Türen waren geborsten, die Dächer abgebrannt, ein Trakt völlig zerstört. Für eine umfassende Instandsetzung fehlten die Mittel. Notdürftig hergerichtete Räume wurden in Zeiten höchster Wohnraumnot genutzt. 1954 lebte als letzter Künstler der Bildhauer Franz Schmid darin. Auch eine Mütterberatungsstelle war untergebracht.

    1955 wurden die Reste der Künstlerhofs abgebrochen und das Grundstück geräumt, um darauf eine Jugendherberge zu bauen. Im Jahr der Einweihung (7. Mai 1956) konnten darin 13.269 Übernachtungen registriert werden, im Laufe von 50 Jahren waren es rund 1,3 Millionen. 2006 löste ein 224-Betten-Jugendhotel am Unteren Graben die Jugendherberge Am Pfaffenkeller ab. Sie wurde abgebrochen, um einer Wohnanlage Platz zu machen.

    Die Nachkriegsgeschichte des Koelle-Mädchens: Als es 1943 zum Einschmelzen abgeliefert wurde, besaß es noch beide Arme. Jetzt verfügt die Skulptur nur noch über Armstümpfe. Der Grund: Bei der Rückkehr aus Hamburg fehlte ein Arm. Das Bronzemädchen kam wie die anderen Brunnenfiguren zur Reinigung und Reparatur in die Bronzewarenfabrik Riedinger. Dort entfernte man aus Symmetriegründen den anderen Arm. Es gibt ihn noch: Er wird von den Kunstsammlungen verwahrt. Man wollte 1950 die Figur so rasch wie möglich der Öffentlichkeit präsentieren, und zwar in der Grünanlage Am Alten Einlass. Doch dieser Standort wurde verworfen.

    Gesicherter Freiluftplatz für das Koelle-Mädchen

    Aufgestellt wurde das "amputierte" Bronzemädchen erst 1953 im Rosengarten in der damals neu gestalteten Grünanlage am Fuß des Roten Torwalls. Dort stand die Skulptur fast 50 Jahre. Brutaler Vandalismus zwang dazu, sie im Mai 2002 in Sicherheit zu bringen.

    1954: Das grazile Bronzemädchen im Rosengarten am Roten Tor. Hier verbrachte es fast 50 Jahre.
    1954: Das grazile Bronzemädchen im Rosengarten am Roten Tor. Hier verbrachte es fast 50 Jahre. Foto: Sammlung Häußler

    Die Kunstsammlungen bargen die beschädigte und übel verschmierte Figur. Nach der aufwendigen Restaurierung fand sie im Brunnenmeisterhof unweit vom vorherigen Standort einen gesicherten Freiluftplatz: Der Zugang zum idyllischen, von drei Wassertürmen und dem Schwäbischen Handwerkermuseum umrahmten Hof ist verschließbar.

    Weitere Folgen von Franz Häußlers stadthistorischen Exkursionen finden Sie hier.

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