„Kathedralen der Industriebaukunst“ und „Industrieschlösser“ nennt der Industriebau-Historiker Karl Ganser die Gebäude des Gaswerks in Oberhausen. Die Stadtwerke Augsburg sind Besitzer dieser baugeschichtlich herausragenden Immobilien auf dem rund 86.000 Quadratmeter großen Gelände, das sich zum Kulturpark gewandelt hat.
Der erste Spatenstich für ein damals technisch hochmodernes Gaswerk in Oberhausen war 1913 erfolgt. Ab 31. Dezember 1915 produzierten die Öfen durch Verkokung von Kohle Leuchtgas. Rund 20 Stunden lang wurde im Ofenhaus in „Meilern“ bei 1000 Grad Celsius der Kohle unter Luftabschluss Rohgas entzogen. Die Kohle durfte nicht verbrennen. Der im Schwelprozess entstehende Koks wurde abgelöscht und zum wertvollen Brennmaterial. Als Nebenprodukte der Verkokung entstanden außerdem Wertstoffe wie Ammoniak, Benzol, Naphthalin, Schwefel und Teer.
Bauten des Oberhauser Gaswerks stehen unter Denkmalschutz
Das Gas strömte nach einer aufwendigen Reinigung in die Gasbehälter. Zwei Teleskop-Gastanks gab es ab 1915. Erst 1954 kam als höchstes Bauwerk auf dem Gelände der 84 Meter hohe Scheibengasbehälter mit rund 100.000 Kubikmeter Fassungsvermögen dazu. Er steht – wie alle Bauten des Gaswerks – unter Denkmalschutz. Er ist im Inneren auf einem Steg umrundbar. In der Mitte schwingt extrem langsam ein 65 Meter langes Pendel. Es demonstriert die Erdrotation. Zu besonderen Gelegenheiten kann der Gaskessel mit Führung bestiegen werden. Zu besichtigen sind auch die Gebäude mit den Pumpanlagen und Kompressoren, die das Gas ins Leitungsnetz drückten.
Bei Führungen werden die Funktionen erklärt. Zum 1. November 1938 war das ursprünglich eigenständige städtische Gaswerk in die damals neu geschaffenen Stadtwerke eingegliedert worden. Sie investierten 1957 letztmals in die klassische Gaserzeugung mit Kohle: Drei neue Ofenbatterien gingen in Betrieb. Die erzeugbare Gasmenge stieg auf rund 280.000 Kubikmeter in 24 Stunden. Die Öfen waren nur mehr zehn Jahre in Betrieb, dann wurde Stadtgas von Erdgas abgelöst. Seit 5. Juli 1962 strömt Erdgas per Pipeline nach Augsburg.
1966 beschlossen die Stadtwerke die totale Umstellung auf Naturgas. Die Übergangsphase vom Stadtgas auf reines Erdgas vollzog sich in Etappen. Zuerst waren Spaltanlagen zur Reduzierung des höheren Brennwerts von Erdgas nötig. Nachdem sie betriebsbereit waren, wurde am 26. November 1968 der letzte Ofen stillgelegt. Nach 53 Jahren endete in Augsburg die Gasproduktion aus Kohle.
Augsburger Gasfabrik gilt als "Perle der Industriekultur"
Die Umstellung auf „unverdünntes“ Erdgas war am 31. März 1977 abgeschlossen. Damit war auch die Spalttechnik überflüssig. Bis 2001 dienten die Gasbehälter zur Erdgas-Zwischenlagerung. Seither hält man eine Bevorratung nicht mehr für nötig. Der Wasserturm, das Apparatehaus und das Ofenhaus waren seit 1968 außer Dienst. Ab 2001 stand das gesamte Gaswerkareal zur Disposition. Industriehistoriker und Denkmalschützer hatten es längst im Blick. Sie bezeichnen die Augsburger „Gasfabrik“ aufgrund der erhaltenen Bauten als „Perle der Industriekultur“, die in ihrer Art in Europa einmalig sei. Lediglich als Museum hatte das einstige Gaswerk keine Zukunft.
Die Stadtwerke und die Stadt bemühten sich deshalb frühzeitig um eine Neunutzung, die dem Industriedenkmal angemessen ist. Sie gewannen den in der Umnutzung großer Industrieanlagen im Ruhrgebiet erfahrenen Karl Ganser als Berater bei der Erarbeitung von Konzepten. Die Pläne sind vielfältig und schließen lediglich Wohnraum aus. Die Kultur in allen ihren Facetten und eine „Kreativwirtschaft“ sollten hier heimisch werden. Die Umsetzung des Konzepts ist im Gange. Das „Gaswerk im Wandel“ wird bei Aktionen und Veranstaltungen der Öffentlichkeit präsentiert.
Gaswerksfreunde Augsburg bieten Führungen an
Der Verein Gaswerksfreunde Augsburg richtete in der ehemaligen Elektrozentrale eine Ausstellung zur Geschichte der Augsburger Gasversorgung ein und bietet Führungen an. Bei einem Rundgang ist die Überraschung bei manchem Besucher groß: Die am 12. Januar 2019 eröffnete Brechtbühne, die neben dem Stadttheater stand, fand im einstigen Ofenhaus Platz. Die Gastronomie ist in das ungewöhnliche Ambiente integriert.
Erweitert wurde das riesige, über 100 Jahre alte Gebäude um einen Neubau. Darin bildete sich eine „Künstlerkolonie“. Es herrscht vielfältiges kulturelles Leben in einem Teil des Gebäude-Ensembles, das ab 1915 der Erzeugung, Reinigung und Verteilung von Gas gedient hatte. Einige Bauten befinden sich noch in der Umbau- und Restaurierungsphase. Ein neues Parkhaus zählt zu den Erschließungsbauten auf dem Areal.
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