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Augsburg: Zwischen Vorsicht und Impf-Weigerung: So trifft Corona Oberhausen

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Zwischen Vorsicht und Impf-Weigerung: So trifft Corona Oberhausen

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    Farhan Muhammad (links) führt einen Laden in Oberhausen. Er und sein Bruder kommen aus Pakistan. Khurran Shahzad findet, dass sich viele Migranten nicht an Corona-Regeln halten.
    Farhan Muhammad (links) führt einen Laden in Oberhausen. Er und sein Bruder kommen aus Pakistan. Khurran Shahzad findet, dass sich viele Migranten nicht an Corona-Regeln halten. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die moralische Pflicht, so könnte man sagen, trägt weiße Hosen und weiße Shirts. Sie wird verkörpert von vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bäuerle-Ambulanz, die im Haupteingang der Baitun-Naseer-Moschee eine Corona-Teststation aufgebaut haben. Die Helfer bieten jetzt jeden Dienstag in dem islamischen Gotteshaus an der Donauwörther Straße Schnelltests an. "Wir haben die Tests zur moralischen Pflicht gemacht", sagt Schahid Luqman. Dem Imam der Moschee ist wichtig, gerade jetzt während des Ramadan die Gläubigen noch einmal zu sensibilisieren, um Ansteckungen zu vermeiden. Mit mobilen Teststationen wendet sich die Stadt Augsburg gezielt an verschiedene Gemeinschaften in den Vierteln. Vor allem in jenen, in denen sozial schwächergestellte Menschen leben. Wie in Oberhausen. Schließlich ist bekannt, dass diese Menschen von der Pandemie stärker betroffen sind, als andere Bürger. Aber wie gehen die Menschen in Oberhausen, von denen viele Migrationshintergrund haben, mit der Pandemie um? Eine Spurensuche.

    Schahid Luqman ist Imam in Augsburg. Auch ihn beschäftigt das Thema Corona.
    Schahid Luqman ist Imam in Augsburg. Auch ihn beschäftigt das Thema Corona. Foto: Silvio Wyszengrad

    Oberhauser Bahnhof: Drogensüchtige haben andere Probleme als Corona

    Robert Ziegelschmied lehnt an dem Zaun, der die Verlorenen vom Rest der Gesellschaft trennt. Auf dem Areal am Oberhauser Bahnhof trifft sich Augsburgs Drogenszene. Ein Junkie auf einer Bank scheint weggetreten, Männer und Frauen stehen in Grüppchen zusammen, manche von ihnen lallen, schwanken. Maske trägt hier keiner. Ziegelschmied, der ums Eck wohnt, beobachtet die Szenerie. Die Leute hier hätten andere Sorgen als Corona, sagt er, "nämlich, wo sie die nächsten Kräuter herbekommen."

    Der Augsburger kennt ein paar Süchtige noch aus früheren Zeiten. Er sagt, das Impfen sei bei ihnen kein Thema. Und wird sarkastisch: "Da müsste man die Impfung schon in einen Kräutertopf reinmischen." Auch wenn hier Pfeifen und Joints herumgereicht würden, der 46-Jährige glaubt nicht, dass sich jemand unter freiem Himmel ansteckt. "Da stelle ich mir Fabrikhallen eher als Infektionsherd vor." Genau diese Erfahrung musste Saad Jarro Ibrahim machen.

    Der Iraker betreibt in der Ulmer Straße seinen Bahzani-Markt, einen kleinen Lebensmittelladen, in dem es von Sesampaste über Kichererbsen und Getränke einiges zu kaufen gibt. Der freundliche Mann mit der FFP2-Maske erzählt, dass einer seiner Söhne vor ein paar Wochen das Virus von der Arbeit in einer Fabrik mit nach Hause gebracht hat. Die Ibrahims, die vor fünf Jahren aus dem Irak nach Deutschland kamen, leben mit ihren vier Kindern auf rund 90 Quadratmetern. Schnell hatten sich alle mit Corona angesteckt, erzählt der 51-jährige Familienvater. Nur die Tochter erkrankte als Einzige nicht. "Sie macht gerade eine Ausbildung in einer Arztpraxis und war schon geimpft."

    Der Iraker Saad Jarro Ibrahim und seine Familie waren unlängst an Corona erkrankt. Der Sohn habe das Virus aus der Fabrik nach Hause gebracht.
    Der Iraker Saad Jarro Ibrahim und seine Familie waren unlängst an Corona erkrankt. Der Sohn habe das Virus aus der Fabrik nach Hause gebracht. Foto: Silvio Wyszengrad

    Für den Iraker ist das der Beweis, dass eine Impfung gegen Corona schützt. Seine Frau, die drei Söhne und er wollen sich auch immunisieren lassen. Die Familie könnte ein Paradebeispiel für Bürger sein, die mit am meisten gefährdet sind, an Corona zu erkranken.

    Augsburger OB Eva Weber: Zwei Faktoren, die Infektionsrisiko erhöhen

    Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) und Dr. Thomas Wibmer vom städtischen Gesundheitsamt sprachen bei der Pressekonferenz am Dienstag von zwei Faktoren, die das Infektionsrisiko erhöhen: die Größe eines Haushalts und die Bildung. Wer etwa keinen Berufsabschluss habe, arbeite eher in prekären Verhältnissen und habe keine Möglichkeit für Homeoffice. In Stadtteilen mit größeren Haushalten und mehr sozialer Problematik, oder mit einem der beiden Faktoren, gebe es mehr Fälle als in anderen Stadtteilen. So haben sich im Bereich der Postleitzahl 86154, zu dem weite Teile Oberhausens und Links der Wertach zählen, bislang im Verhältnis zur Bevölkerung am meisten Menschen infiziert. Aus der Datenanalyse ergebe sich aber nicht, dass Migrationshintergründe für Ausbruchsgeschehen verantwortlich seien, betonte die Oberbürgermeisterin.

    Die Stadt verzichtet auch weiterhin darauf, die Inzidenzen der verschiedenen Stadtteile zu nennen. Dazu seien manche Viertel zu klein und einzelne Ausbrüche könnten Zahlen verfälschen. Als Beispiel nannte Eva Weber Göggingen-Süd, wo die Inzidenz vorübergehend mal bei 270 lag, weil 17 Infizierte registriert wurden. Allein zwölf Fälle davon seien innerhalb einer Familie gemeldet worden. "Ohne diese Familie hätte die Inzidenz bei knapp 80 gelegen."

    Dass einzelne Stadtteile nicht stigmatisiert werden dürfen, findet ein Mann, der vor einer Metzgerei in der Ulmer Straße ansteht. Seinen Namen will er nicht nennen, dafür verrät er, dass er sich für seine Mittagspause ein Schnitzel holen will. Er selbst lebe in Lechhausen, sei beruflich aber viel in Oberhausen unterwegs. "Ich beobachte oft Grüppchen, die vor Wettbüros oder Istanbul-Cafés zusammenstehen", sagt der 45-Jährige. Das heiße für ihn aber nichts. "Jeder Stadtteil muss neutral betrachtet und analysiert werden." Über Analysen einzelner Viertel machen sich die beiden Brüder Khurran Shahzad und Farhan Muhammad sicherlich keine Gedanken. Bei ihnen steht ihr neues Leben im Mittelpunkt.

    Augsburger Ladenbesitzer hat "das Gefühl, dass Ausländer weniger aufpassen"

    Vor vier Jahren kamen die Brüder aus Pakistan nach Deutschland. Der Ältere trägt Zeitungen aus, der Jüngere verkauft in seinem kleiden Laden in der Ulmer Straße Lebensmittel aus Pakistan, Bangladesch und Indien. "Maske auf Mund und Nase", steht in Handschrift auf einem Zettel, den er an seiner Ladentür mit Tesafilm befestigt hat. Die Brüder legen Wert auf die Einhaltung der Corona-Regeln, vor allem aber auf die Atemschutzmasken - auch um sich selbst zu schützen. Ohne Maske dürfe niemand den Laden betreten. Das Verhalten einiger Migranten sieht der 31-jährige Shahzad kritisch. "Ich habe das Gefühl, dass Ausländer weniger aufpassen als die Deutschen, weil sie aus armen Ländern hierherkommen", berichtet er und versucht, seine Beobachtung in gebrochenem Deutsch genauer zu erklären.

    Der Pakistaner achtet darauf, dass die Kunden in seinem Laden in Oberhausen die Masken korrekt tragen. Deshalb hat er auch ein Schild an die Tür angebracht.
    Der Pakistaner achtet darauf, dass die Kunden in seinem Laden in Oberhausen die Masken korrekt tragen. Deshalb hat er auch ein Schild an die Tür angebracht. Foto: Silvio Wyszengrad

    "In unserem Land herrscht Hungersnot, in anderen Ländern ist Krieg. Die Menschen, die nach Deutschland kommen, haben ganz andere Probleme. Wenn man als Kind in Deutschland geboren wird oder zumindest hier aufwächst, weiß man vieles besser und hat auch mehr Respekt." Eine Impfung gegen Corona schließen die Brüder für sich selber aus. Auch wenn sie vor dem Virus Angst haben, wie der Ältere meint. "Wir passen aber auf und tragen Masken." Das reiche.

    Impfen kommt auch für einen Oberhauser nicht in Frage, der auf dem Bürgersteig Halt macht, um seine eigene Theorie zu schildern. Das Coronavirus, so der Mann, gebe es nämlich gar nicht. "Da wird nur die Grippe und die Lungenentzündung in einen Topf geworfen. Das sagt Putin auch", meint der gebürtige Russe. Bestes Beispiel für seine Theorie sei der Nachbar vom Schrebergarten nebenan. An Corona sei der angeblich erkrankt gewesen. "Und gestern saß er nebenan im Garten und hat gesoffen wie vorher auch. So schlimm kann es also nicht sein."

    Der Friseur Barber Ramzi Wadi sagt, dass sich viele Kunden nicht testen lassen wollen, wie es derzeit allerdings erforderlich ist.
    Der Friseur Barber Ramzi Wadi sagt, dass sich viele Kunden nicht testen lassen wollen, wie es derzeit allerdings erforderlich ist. Foto: Silvio Wyszengrad

    Barber aus Oberhausen erzählt: Kunde hat Angst vor Teststäbchen

    Mit seltsamen Theorien wird auch Friseur Ramzi Wadi immer wieder konfrontiert. Der 36 Jahre alte Aramäer aus dem Irak stutzt in seinem Barbershop in der Donauwörther Straße vielen Männern die Bärte und Kopfhaare. Neulich, erzählt er, habe ein Marokkaner einen Termin haben wollen. Allerdings konnte er keinen Corona-Test vorlegen, wie es derzeit bei Friseuren erforderlich ist. "Er sagte, er ist sich nicht sicher, ob das Mittel am Teststäbchen, das in die Nase kommt, schädlich ist." Ramzi Wadi schickte ihn weg. 60 Prozent seiner Laufkundschaft bräche jetzt weg, berichtet der Aramäer, weil sich die Leute weigerten, sich testen zu lassen. An Nationalitäten aber will er das nicht festmachen. Er selbst hofft, im Impfzentrum bald einen Termin zu erhalten. Seine Frau sei bereits geimpft.

    Während der Barber auf seinen nächsten Kunden wartet, beten ein paar hundert Meter weiter rund 20 Muslime in der Baitun Naseer Moschee. Die Teppiche, auf denen sie knien, haben die Männer mit Abstand zueinander auf den Boden gelegt, alle tragen Masken. Währenddessen warten am Haupteingang der Moschee die Mitarbeiter der Bäuerle-Ambulanz auf Klienten, die sich testen lassen wollen. Am Vormittag seien es erst sieben gewesen, erzählen die Helfer. Es müsse halt erst bekannt werden, dass sie nun jeden Dienstag in der Moschee anzutreffen seien.

    Die Teppiche in dieser Augsburger Moschee sind mit Abstand ausgelegt. Die Betenden tragen Masken.
    Die Teppiche in dieser Augsburger Moschee sind mit Abstand ausgelegt. Die Betenden tragen Masken. Foto: Silvio Wyszengrad

    Imam Schahid Luqman hofft, dass sich viele seiner Gemeindemitglieder noch testen lassen. Denn das Ende des Ramadan naht. Am Freitag werde das Zuckerfest gefeiert. Vergangenes Jahr zum Ramadan waren die Fallzahlen in Augsburg kurzzeitig gestiegen. Der Imam ist dieses Mal optimistisch. Er habe der Gemeinde klar gemacht, dass sie moralisch verpflichtet sei, sich testen zu lassen. "Es steht auch im Koran, dass wir unsere Pflichten gegenüber dem Staat und den Menschen zu erfüllen haben."

    Lesen Sie dazu den Kommentar: Augsburg steht die große Corona-Herausforderung noch bevor

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