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Augsburg: Zahl der Insolvenzen geht zurück – droht Augsburg 2021 eine Pleitewelle?

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Zahl der Insolvenzen geht zurück – droht Augsburg 2021 eine Pleitewelle?

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    Droht aufgrund der Corona-Krise in Augsburg eine Pleitewelle? Das Amtsgericht geht jedenfalls von einer deutlich steigenden Anzahl von Insolvenzen ab Oktober aus.
    Droht aufgrund der Corona-Krise in Augsburg eine Pleitewelle? Das Amtsgericht geht jedenfalls von einer deutlich steigenden Anzahl von Insolvenzen ab Oktober aus. Foto: Martin Gerten, dpa (Symbolbild)

    Die Zahlen wirken paradox: Da treffen viele der Corona-Maßnahmen Selbstständige und Firmen enorm hart, zwingen sie oftmals zur Schließung ihrer Betriebe – doch offiziell pleitegegangen sind in Augsburg und Umgebung 2020 nicht mehr Unternehmen als im Vorjahr. Im Gegenteil: Betrachtet man sich die Daten des Amtsgerichtes, bei dem die Firmenpleiten in der Region angemeldet werden, gibt es im Vergleich zu 2019 gar einen deutlichen Rückgang. Waren es dieses Jahr bis einschließlich November 327 sogenannte Regelinsolvenzen, die beim Amtsgericht beantragt wurden, waren es im gesamten Vorjahr 578. Eine so deutliche Differenz, dass der Dezember in der Gesamtbetrachtung keinen großen Unterschied machen dürfte. Diese überraschende Entwicklung hat einen Grund, der nach Ansicht von Experten durchaus Gefahren birgt, sowohl für gesunde Unternehmen als auch für Firmenchefs.

    Hintergrund sind verschiedene Maßnahmen der Politik, die den in der Corona-Krise in Bedrängnis geratenen Unternehmen Luft und Zeit verschaffen sollen. So wurde etwa die gesetzliche Pflicht, eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung sofort gerichtlich anzuzeigen, ausgesetzt. Normalerweise sind Geschäftsführer verpflichtet, nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung innerhalb von drei Wochen den Antrag auf Insolvenz einzureichen.

    Wirtschaft in Augsburg: Zahl der Firmenpleiten geht zurück

    Die aktuellen Zahlen zeigen also aller Wahrscheinlichkeit nach kein realistisches Bild der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage. Amtsgerichts-Sprecherin Simone Bader sagte unserer Zeitung bereits im Juni, dass man "einen sehr starken Anstieg bei den Anträgen" erwarte und dafür auch entsprechende Indizien habe. Häufig gingen einem Anstieg der Insolvenzzahlen entsprechende Zivilklagen voraus. Das Amtsgericht Augsburg ist bei Insolvenzsachen insgesamt zuständig für den Großraum Augsburg sowie den Landkreis Landsberg am Lech.

    Seit dem 1. Oktober gibt es eine neue Regelung. Seither müssen Firmen, die vor der Zahlungsunfähigkeit stehen, dies wieder melden. Nur der Insolvenzgrund der Überschuldung bleibt von der Antragspflicht ausgenommen. Die meisten Firmen, die pleitegehen, tun dies allerdings aufgrund von Zahlungsunfähigkeit, nicht aufgrund von Überschuldung. Der Augsburger Insolvenzverwalter Georg Stemshorn von der Kanzlei Pluta spricht von "vielleicht einer einstelligen Prozentzahl der Fälle", bei dem der Insolvenzgrund der Überschuldung alleine zum Tragen komme. Seiner Einschätzung nach birgt die veränderte Rechtslage die Gefahr, dass viele Firmenchefs sich hohen Haftungsrisiken aussetzten, in dem sie keine Insolvenz anmeldeten, obwohl ihr Unternehmen womöglich bereits insolvent sei. Dafür können Geschäftsführer und Vorstände zivilrechtlich belangt werden, aber auch strafrechtlich; Insolvenzverschleppung ist eine Straftat.

    Insolvenzen in Augsburg: Experten rechnen mit Anstieg

    Darüber hinaus berge die Existenz von immer mehr faktisch bereits insolventer "Zombie-Unternehmen" am Markt die Gefahr, dass letztlich gesunde Unternehmen von deren verspätetem Insolvenzantrag in einer Art Kettenreaktion angesteckt werden, es zu Folgeinsolvenzen komme.

    Klar ist: Die Lage bei vielen Betrieben in der Region ist angespannt. Wie berichtet, betrachtet man bei den regionalen Wirtschaftskammern die Ausgangssituation im Lockdown mit Sorge. Vielen Unternehmen drohe das Aus, sollten die von Bund und Land zugesagten Hilfen nicht schnell und unbürokratisch fließen, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Marc Lucassen zuletzt.

    Insolvenz-Spezialist Christian Plail rechnen mit einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen im Zuge der Corona-Krise.
    Insolvenz-Spezialist Christian Plail rechnen mit einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen im Zuge der Corona-Krise. Foto: Annette Zoepf (Archiv)

    Das dicke Ende für die Firmen in Augsburg und Umgebung kommt also möglicherweise noch. So sagte der Insolvenz-Spezialist Christian Plail von der Wirtschaftskanzlei SGP Schneider Geiwitz & Partner unserer Redaktion bereits im April, er rechne mit einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen im Zuge der Corona-Krise. Viele Firmen in Liquiditätsnöten würden erst einmal durch staatliche Gelder und den erleichterten Zugang zur Kurzarbeit gestützt, er rechne aber damit, dass die Insolvenzwelle im Zuge der Corona-Krise erst mit Monaten Verspätung beginne. Das deckt sich mit den Erfahrungen von Insolvenzverwalter Stemshorn. Man könne beobachten, dass die Zahl der Fremdanträge bereits zunehme, also etwa Krankenkassen Insolvenzanträge gegen Unternehmen stellen, weil Zahlungen ausbleiben.

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