Worum geht es bei der Diskussion um die Linien 3 und 5? Die Frage ist, wie es für die Straßenbahnen westlich des Bahnhofstunnels weitergeht. Konkret geht es um die bestehende Linie 3 nach Stadtbergen/Pfersee, die seit Jahrzehnten durch die Pferseer Unterführung fährt und künftig in den Bahnhofstunnel mit seiner unterirdischen Haltestellestelle verlegt werden soll.
Die Gleise sollen aus der Pferseer Unterführung verschwinden, was möglicherweise Verbesserungen für Radler ermöglicht. Zweite betroffene Linie im Westen ist die geplante Linie 5, die als Verlängerung der bestehenden Linie 6 (sie endet aktuell am Hauptbahnhof) bis zur Uniklinik geführt werden soll. Für die Linie 5 steht schon fest, dass sie entlang der Bgm.-Ackermann-Straße geführt werden soll, wobei es auch hier noch genügend offene Fragen gibt. Knackpunkt ist aber auch das jetzt zur Diskussion stehende erste Wegstück zwischen Bahnhofstunnel und Ackermann-Straße.
Welche Varianten stehen zur Auswahl?
Die Stadtwerke haben in den vergangenen Jahren insgesamt 33 Varianten zusammen mit Gutachtern geprüft, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Walter Casazza. In einem dreistufigen Verfahren habe man nach und nach Trassenmöglichkeiten ausgeschlossen. In der ersten Stufe (Kriterien wie Fahrzeit und Umweltauswirkungen) seien 24 Möglichkeiten ausgeschieden, nach der zweiten Stufe (Kriterien wie verkehrliche Leistungsfähigkeit, Lärm für Anlieger, Kosten) blieben noch zwei Varianten übrig. Konkret geht es um die "geflügelte Variante", die die Stadt und die Stadtwerke favorisieren, und eine Trassierung der Linie 5 direkt über die Rosenaustraße.
Was entscheidet der Stadtrat am Donnerstag?
Die Stadt kann keine Straßenbahnlinie genehmigen. Dafür ist die Regierung von Schwaben zuständig. Um das Genehmigungsverfahren (Planfeststellung) zu starten, müssen die Stadtwerke als Bauherr einen Antrag einreichen. Dort ist eine Vorzugsvariante benannt, also eine Wunschstrecke. Für die muss der Stadtrat sein OK geben, was am Donnerstag passieren soll.
In den Antragsunterlagen muss auch dargestellt sein, warum die gewünschte Variante aus Sicht des Bauherren besser ist als andere. Die Regierung von Schwaben hört im Rahmen des Verfahrens dann unter anderem Anwohner an, die Einwendungen vorbringen können. Am Ende des mindestens einjährigen Verfahrens steht dann die Planfeststellung, also die Genehmigung zum Bau. Dagegen kann von Bürgern geklagt werden. Für den Fall, dass die Straßenbahn nach dem Wunsch der Stadt durch die Hörbrotstraße fährt, ist bereits eine Klage angekündigt. Andreas von Mühldorfer, Sprecher der Bürgerinitiative Rosenau- und Thelottviertel, hält die Rosenaustraßenführung, die die Hörbrotstraße links liegen lassen würde, für sinnvoller. Sie schneide bei mehreren Kriterien besser ab. Dem dürfe sich der Stadtrat nicht verschließen.
Was spricht für die städtische Variante?
In einer Abwägung der beiden Varianten, die für die Stadträte auf 23 Seiten zusammengefasst wurde und unserer Redaktion vorliegt, kommen die Stadtwerke zum Ergebnis, dass die Variante über die Pferseer Straße bzw. die Hörbrotstraße die geeignetere ist. Allerdings geht aus der Aufstellung hervor, dass es ein knappes Rennen war - beide Varianten seien gut für die Linienführung geeignet, heißt es im Fazit.
Stadtwerke-Chef Walter Casazza sagt, dass es bei keiner Variante ein "Killerargument" gegeben habe, das sie unmöglich mache. Die Abwägung ergibt, dass die Rosenaustraßen-Führung günstiger wäre (19,1 statt 22,7 Millionen Euro), eine etwas kürzere Fahrzeit hätte und schneller gebaut werden könnte - für die städtische Variante spricht, dass man unabhängig vom in der Rosenaustraße liegenden Kanal wäre (er muss irgendwann saniert werden und für eine Gleis-Überbauung mit einer Betonplatte gesichert werden), das Thelottviertel vom Autoverkehr entlastet würde und die Pferseer Straße neu gestaltet werden könnte sowie einen Radweg bekäme. Baureferent Gerd Merkle (CSU) wies in der Vergangenheit darauf hin, dass die Beruhigung des Thelottviertels und die Befreiung vom Durchgangsverkehr auch ein Wunsch der Anwohner gewesen sei. Florian Freund, Chef der Sozialfraktion, liest die Abwägung so, dass sich Merkle mit städtebaulichen Überlegungen durchgesetzt habe. Die seien für eine Tramplanung aber nicht maßgeblich.
Bei welcher Variante droht mehr Stau?
Die jeweiligen Befürworter halten ihre Variante für verträglicher. Laut einem Modell der Stadtwerke wäre die Kreuzung Pferseer-/Rosenaustraße in der Lage, beide Varianten zu bewältigen, ohne dass es zum Verkehrskollaps kommt, wobei die Rosenaustraße seit dem Königsplatzumbau schon deutlich mehr Verkehr packen muss als in der Vergangenheit und Staus zur Stoßzeit keine Seltenheit sind. In der Vergangenheit hatte es geheißen, dass diese Kreuzung keine zwei Straßenbahnlinien aufnehmen könne, doch die genaueren Untersuchungen kamen nun zu einem anderen Ergebnis.
Die Stadtwerke gehen davon aus, dass bei der städtischen Planung aufs Jahr 2030 hochgerechnet noch geringe Kapazitätsreserven blieben. In diesem Fall würden 24 Straßenbahnen pro Stunde (gerechnet auf den Fünf-Minuten-Takt) an der Kreuzung abbiegen. Bei der Rosenaustraßen-Variante für die Linie 5 wären es 48 Straßenbahnen pro Stunde, wobei die Hälfte davon geradeaus über die Kreuzung fahren würde und somit für wenig Behinderungen für Abbieger sorgen würde. Im Morgenverkehr wäre die Kreuzung damit aber voll ausgelastet, so das Verkehrsmodell der Stadtwerke.
Der frühere Chef der Münchner Verkehrsbetriebe Herbert König, der die Sozialfraktion in der Angelegenheit berät, gibt aber zu bedenken, dass bei der städtischen Variante die Holzbachstraße zur Einbahnstraße für Autos würde und somit mehr Verkehr auf der Rosenaustraße landen werde. "Das macht diese Variante problematisch", so König. Er fordert die Hinzuziehung eines neutralen Gutachterbüros.
Welche Variante wäre schneller?
König hält die städtische Planung mit mehreren kurvigen Abschnitten und einer längeren Strecke für kontraproduktiv. Ziel sei, Autofahrer zum Umsteigen in den Nahverkehr zu bringen. Das gehe am besten mit kurzen Fahrzeiten, und die gebe es am ehesten auf der Rosenau-Trasse. Hier entscheide man mit über den Erfolg des ganzen Projekts. Die Stadtwerke gehen hingegen nur von einer minimalen Fahrzeitersparnis aus. Casazza sagt, dass die Variante der Stadt auch aus seiner Sicht die bessere sei. "Es ist schwierig, sich einzugestehen, dass ein Umweg der bessere Weg sein kann", so Casazza im Hinblick auf die etwas längere Strecke. Dennoch sei die Kreuzung Rosenau-/Pferseer Straße ein Knackpunkt. Es bringe wenig, wenn sich Straßenbahnen und Autos dort gegenseitig behindern. Davon profitiere auch die Straßenbahn nicht.
Droht bei einer Trasse über die Rosenaustraße ein Kahlschlag?
Die nördliche Rosenaustraße wird von einer alten Kastanienallee gesäumt. Die Stadtwerke gehen in ihrer Abwägung davon aus, dass diese Bäume fallen müssten. Die Straße müsste verbreitert werden, wenn dort eine Straßenbahn fährt. Dabei gehen die Planer davon aus, dass die Straßenbahn aus Gründen der Fahrzeitbeschleunigung abgetrennte Gleise bekommt und nicht im Straßenverkehr mitschwimmt. Das war bislang auch die Voraussetzung, um Zuschüsse zu bekommen. König verweist darauf, dass man in Abschnitten auch Gleise in den Straßenraum legen könne, ohne bei Zuschüssen leer auszugehen. In diesem Fall könnten Bäume stehen bleiben.
Warum gibt es Kritik an den Plänen?
Kritik am Vorgehen kommt unter anderem von der Fraktion Bürgerliche Mitte. Unter anderem fehle es an Transparenz, wenn dem Stadtrat nun lediglich die von der Stadt favorisierte Variante nahegebracht werde, die anderen Varianten aber nur pauschal als ungünstiger abgehandelt würden, so Fraktionsvorsitzender Hans Wengenmeir. Ähnliche Kritik kommt von Verkehrsverbänden. „Die Geheimhaltung der Alternativen durch die Verwaltung hat jede sachliche Diskussion verhindert. Wir haben bereits 2018 nach den Alternativen gefragt und wurden auf später vertröstet“, so Christian Ohlenroth, Vorsitzender des VCD. Die von den Parteien im Wahlkampf versprochene Transparenz lasse auf sich warten. Auch die Arbeitsgemeinschaft Nahverkehr Augsburg (ANA) kritisiert das Fehlen jeder Diskussion. Unter anderem möchte die ANA wissen, warum die in der Vergangenheit verfolgte Trasse durch die Hessenbachstraße nicht mehr in Frage kommt, so Vorsitzender Jörg Schiffler.
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