Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Augsburg: Wie geht es den Prostituierten, die in Augsburg arbeiten?

Augsburg

Wie geht es den Prostituierten, die in Augsburg arbeiten?

    • |
    Mehrere hundert Frauen arbeiten in Augsburg als Prostituierte. Die Freier erfahren in der Regel nicht mal den richtigen Namen der Frauen.
    Mehrere hundert Frauen arbeiten in Augsburg als Prostituierte. Die Freier erfahren in der Regel nicht mal den richtigen Namen der Frauen. Foto: Andreas Arnold, dpa (Symbolfoto)

    Der gepflegt wirkende, muskulöse Mann, etwa Anfang 30, kam zuerst als Freier zu Alexa (Name geändert), 27, ins Bordell. Doch es blieb nicht beim bezahlten Sex. Die Prostituierte freundete sich mit dem Kunden an. Beide stammen aus Rumänien, sie sprechen dieselbe Sprache. Sie sahen sich öfter und wurden rasch ein Paar. Heute sagt Alexa: „Er hat mich ausgenutzt, von meinem Geld gelebt.“ Auch die Staatsanwaltschaft ist überzeugt: Der 31-Jährige war nicht alleine der Freund der Prostituierten, er war auch ihr Zuhälter. Deshalb läuft seit Montag vor dem Augsburger Amtsgericht ein Prozess gegen den Mann.

    Alexa löste sich zwar von ihrem „Freund“ und zeigte ihn an. Als Prostituierte arbeitet sie aber immer noch, aktuell in einem Bordell im Augsburger Osten. Sie hatte früher studiert, erfuhr dann aber von einer Freundin, wie viel Geld man – für rumänische Verhältnisse – als Prostituierte in Deutschland verdienen könne. Alexa ist eine von mehreren hundert Frauen, die aktuell in Augsburg ihren Körper verkaufen. Und sie steht mit ihrer Geschichte und ihrer Herkunft auch fast beispielhaft dafür, welche Frauen hier tätig sind. Die Stadt hat inzwischen einen relativ guten Überblick über das Rotlichtmilieu. Seit das neue Prostituiertenschutzgesetz Mitte 2017 in Kraft getreten ist, müssen sich die Frauen regelmäßig bei den Kommunen anmelden und dafür auch ein Beratungsgespräch beim Gesundheitsamt besuchen.

    Etwa 40 Prozent der Prostituierten haben keine Berufsausbildung

    Fast die Hälfte der rund 340 Frauen, die sich bis Anfang dieses Jahres in Augsburg angemeldet haben, stammen wie Alexa aus Rumänien. Weitere Herkunftsländer sind unter anderem Thailand, Ungarn und Bulgarien. Deutsche Frauen sind mit rund 15 Prozent in der Minderheit. Auffällig ist auch: Viele Prostituierte – etwa 40 Prozent – haben keine Berufsausbildung. Ebenfalls etwa 40 Prozent haben eine Ausbildung absolviert, häufig im medizinischen Bereich als Krankenschwester oder Arzthelferin. 13 Prozent der Frauen in der Beratung gaben sogar an, studiert zu haben.

    Vor allem für Frauen ohne Ausbildung und ohne deutsche Sprachkenntnisse ist das Risiko nach Einschätzung der Augsburger Kripo groß, dass sie zu Opfern von Zuhältern und Menschenhändlern werden. Diese Frauen seien in vielen Fällen von ihren „Beschützern“ oder den vermeintlichen Freunden abhängig. Dazu müssten die Männer oft nicht Gewalt anwenden, es reiche die Hilflosigkeit im Ausland und der emotionale Druck.

    Was eher ungewöhnlich ist im Fall von Alexa: Sie schaffte die Trennung von ihrem mutmaßlichen Zuhälter selbst. Sie machte Schluss, als sie erfuhr, dass ihr Freund in Rumänien auf ihre Kosten mit einer anderen Frau zusammen leben soll. Fast 40.000 Euro soll sie bis dahin für ihn ausgegeben haben, steht in der Anklage. Die Frau erzählte vor Gericht, sie haben ihrem Freund unter anderem zwei Mal ein Auto gekauft. Eines habe er bei einem Rennen mit Freunden zu Schrott gefahren. Als sich Alexa trennte, wollte der „Freund“ das nicht akzeptieren. Er verriet ihren Eltern, dass sie in Deutschland als Prostituierte arbeitet. Auch das ist nach der Erfahrung der Kripobeamten ein häufiges Druckmittel. Oft wissen die Angehörigen in Rumänien nichts von dem Job im Rotlichtmilieu. Alexa sagt, das alles sei für sie ein großes Stress gewesen – dabei sei doch die Arbeit im Bordell schon viel Stress. Ihr Gesichtsausdruck verrät, dass es eben kein Job wie jeder andere ist.

    Die Freier in Augsburg fragen oft nach Sex ohne Kondom

    Das zeigt sich auch bei den Gesprächen im Gesundheitsamt. Zwei Sozialarbeiterinnen und eine Ärztin reden mit den Frauen. In einer Zwischenbilanz der Beraterinnen heißt es: „Insgesamt scheint bei den Prostituierten ein negatives Bild des männlichen Geschlechts vorzuherrschen.“ Ein Grund dafür ist offenbar der Wunsch vieler Freier nach Sex ohne Kondom – was angesichts ansteckender Krankheiten ein großes Risiko bedeutet. Frauen, die nicht gut Deutsch sprechen, falle es schwerer, solche Wünsche abzulehnen. Die Erfahrung der Beraterinnen: „So konnten sich Wut, Aggressionen und Ungeduld bei diesen Prostituierten schnell anstauen.“ Es gebe auch Prostituierte, die davon erzählen, dass sie sich beim Sex mit den Freiern ekeln oder sogar Schmerzen verspüren. Sie machen den Job aber dennoch, weil sie etwa auf das Geld angewiesen sind.

    Als „erschreckend“ bezeichnet der Bericht den Umgang der Frauen mit Medikamenten. So heißt es: „Vor allem ausländische Prostituierte, meist aus Rumänien, erzählten von Massen an Medikamenten, die sie aus ihrem Heimatland für die verschiedensten Zwecke mitbrachten.“ Viele Prostituierte schluckten offenbar vor allem Pillen, statt der Ursache von körperlichen Leiden auf den Grund zu gehen. Auch Alkohol und Drogen sind offenbar ein Thema. Es gab Frauen, die den Beraterinnen erzählten, dass sie mitunter alkoholisiert mehr Geld verdienen könnten als nüchtern.

    Manche Frauen berichten von Zwängen oder Aggressionen als Folge ihrer Arbeit

    Manche Frauen beschrieben auch, mit welchen Problemen sie in ihrem Alltag als Prostituierte zu kämpfen hätten – so litten einige unter Waschzwängen, Aggressionen, Ungeduld oder Schlafschwierigkeiten.

    Alexa gibt an, dass sie inzwischen auf eigene Rechnung arbeitet und sie von keinem Mann abkassiert wird. Das ist nach Einschätzung der Polizei aber nur bei einer Minderheit der Frauen der Fall. Etwa bei Frauen, die sich mit dieser Arbeit ihr Studium finanzieren. Wie das Gericht die Rolle des „Freundes“ im Fall von Alexa einschätzt, ist noch unklar. Ein Urteil könnte kommende Woche fallen.

    Lesen Sie dazu auch: Augsburger Pfarrer will Sex mit Prostituierten verbieten

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden