Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Augsburg: Wie eine alte Mülldeponie die Baupläne einer Familie durchkreuzt

Augsburg

Wie eine alte Mülldeponie die Baupläne einer Familie durchkreuzt

    • |
    In den 1950er-Jahren wurden etliche Grundstücke an der Hochvogelstraße bebaut. Was die Hauseigentümer nicht wussten: Die Stadt Augsburg betrieb dort eine Hausmülldeponie.
    In den 1950er-Jahren wurden etliche Grundstücke an der Hochvogelstraße bebaut. Was die Hauseigentümer nicht wussten: Die Stadt Augsburg betrieb dort eine Hausmülldeponie. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Dietmar Pentz hat auf dem Grundstück seiner Eltern und Großeltern eine schöne Kindheit erlebt. In dem großzügigen Garten, der zu dem Zweifamilienhaus in Hochzoll-Süd gehört, konnte der Junge nach Herzenslust spielen. Heute spricht der 67-Jährige nicht mehr von paradiesischen Zuständen, im Gegenteil: Er sei vielleicht all die Jahre Giften ausgesetzt gewesen, befürchtet Pentz. Erst seit vier Jahren wissen er und seine Familie, dass sich das Grundstück an der Ecke Hochvogel-/Breitenbergstraße auf einer ehemaligen Hausmülldeponie befindet.

    Als die Familie von Dietmar Pentz das Baugrundstück 1956 von der Stadt erwarb, war die Deponie längst geschlossen und in Grünland umgewandelt. Niemand, auch nicht die ebenfalls betroffenen Nachbarn, habe von der früheren Nutzung gewusst, sagt Ehefrau Karin Glogger-Pentz. Noch heute würde – auch im übertragenen Sinn – Gras über die Sache wachsen, hätte nicht die Tochter des Ehepaares den Wunsch geäußert, einen Teil des großen Gartens zu bebauen, um dort mit ihrem Mann und ihren Kindern zu leben.

    Wie in diesem Fall vorgeschrieben, ließ die Familie 2016 für das vorgesehene Areal ein Baugrundgutachten erstellen. Sie fiel aus allen Wolken, als Schadstoffe im Boden nachgewiesen wurden. Dies habe man dem städtischen Umweltamt mitgeteilt, das daraufhin eine sogenannte historische Erkundung veranlasste. Das Ergebnis der Recherche in den Archiven ergab, dass die Stadt auf heute neun bebauten Grundstücken an der Hochvogelstraße vor dem Zweiten Weltkrieg eine Hausmülldeponie betrieben hatte.

    Mülldeponie in Augsburg-Hochzoll: „Katastrophal für uns und für die Stadt“

    Nötig wurde auch ein Sachverständigengutachten, dessen Ergebnis Karin-Glogger-Pentz in wenigen Worten zusammenfasst: „Katastrophal für uns und für die Stadt.“ Es seien gesundheitsgefährdende Stoffe entdeckt worden, unter anderem der krebserregende Schadstoff Benzopyren. Der Gutachter empfehle daher, die oberflächennahe Erde vor einer weiteren Nutzung bis in eine Tiefe von 60 Zentimetern auszuheben und durch einen unbelasteten Boden zu ersetzen. Vor dem Aushub allerdings sollte noch eine weitere Untersuchung erfolgen, um herauszufinden, ob eventuell auch das Grundwassers verunreinigt ist.

    Dass diese Untersuchung noch nicht erfolgt ist und das Umweltamt die Verzögerung unter anderem mit der Corona-Pandemie begründet, macht die Familie Pentz „geradezu fassungslos“. Mittlerweile ist sie mit ihrer Geduld und ihren Nerven am Ende und hat sich entschlossen, den Boden demnächst auf eigene Kosten austauschen zu lassen.

    Von den hohen Entsorgungskosten im wohl sechsstelligen Bereich einmal abgesehen, fühlt sich Familie Pentz von der Stadt hingehalten. „Wir wollten schon vor vier Jahren bauen und mussten sogar unsere Baugenehmigung nochmals verlängern lassen.“

    Umweltreferent Reiner Erben räumt ein, dass der Verweis seines Amtes auf Corona in diesem Fall nicht „ganz glücklich“ gewesen sei. Gleichwohl handle es sich um einen sehr komplizierten Vorgang, mit dem die Stadt und auch der Freistaat seit Jahren befasst seien und der viel Zeit in Anspruch nehme.

    Anwohner der ehemaligen Hausmülldeponie müssen auf Gutachten warten

    „Persönlich kann ich den Ärger sehr gut nachvollziehen“, sagt Erben. Er bittet die Grundstücksbesitzer dennoch, mit dem Abtragen des Bodens noch zu warten, bis die Grundwasseruntersuchung vorliegt. Diese sei nur vor dem Aushub möglich. Je nach Ergebnis sei es möglich, dass die Stadt für die Entsorgung der Altlasten ganz oder teilweise aufkommen müsse. Generell sei eine Kostenübernahme aber nicht möglich, weil Erben sonst einen Präzedenzfall befürchtet.

    Der Referent spricht von „Sünden der Vergangenheit, die die nachfolgenden Generationen nun ausbügeln müssen“. Früher sei das Umweltbewusstsein in puncto Müllentsorgung ein anderes gewesen. „Es gibt Hinweise, dass es in Augsburg noch weitere bebaute Grundstücke auf ehemaligen Hausmülldeponien gibt“, räumt Erben ein. Er geht von einer zweistelligen Zahl aus, die Standorte seien noch nicht bekannt. Man sei gerade dabei, das Stadtgebiet auf derartige Altlasten abzuscannen.

    Müssen jetzt zahlreiche Augsburger fürchten, dass von den Überbleibseln diverser Mülldeponien auf ihren Grundstücken Gesundheitsgefahren ausgehen? Solange nicht in den Boden eingegriffen werde, seien die Gefahren wohl zu vernachlässigen, sagt Erben. Er schließt aber nicht aus, dass es in den nächsten Jahren im Zuge von Neubauprojekten beziehungsweise Nachverdichtungen zu weiteren unliebsamen Entdeckungen in den Stadtteilen kommen könnte.

    In einer Sache will die Stadt nun der Familie Pentz in Hochzoll entgegenkommen. Sie darf ausnahmsweise ihren Bodenaushub auf der Deponie-Nord bis zur weiteren Entsorgung zwischenlagern. „Damit ist uns für den Anfang geholfen, wir hoffen jetzt natürlich auf weitere Gespräche“, sagen die Betroffenen.

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Mülldeponie: Ein mulmiges Gefühl bleibt

    Lesen Sie dazu auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden