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Augsburg: Wie der Klimawandel das Gesicht der Augsburger Wälder verändert

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Wie der Klimawandel das Gesicht der Augsburger Wälder verändert

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    Die Augsburger Wälder sind ein wertvoller Schatz. Sie leiden aber auch unter dem Klimawandel und müssen daher zum Teil „umgebaut“ werden.
    Die Augsburger Wälder sind ein wertvoller Schatz. Sie leiden aber auch unter dem Klimawandel und müssen daher zum Teil „umgebaut“ werden.

    Hartmut Dauner lässt einen Fichtenzweig durch seine Hand gleiten und sagt: „Im Wald ist meine Arbeit nur eine Momentaufnahme. Ihre Früchte werde ich nicht mehr erleben.“ Früher leitete er die Augsburger Forstverwaltung, heute ist er Direktor des Forstamtes der Fuggerstiftungen – und arbeitet Jahr um Jahr am Projekt seines Berufslebens: dem Umbau des Waldes. Im Wald herrsche ein anderes Zeitgefühl, erzählt er, was in hundert Jahren ein Wald sein soll, müsse heute gepflanzt werden.

    Mit dem Geländewagen geht es durch das Revier Blumenthal, das zu den Fuggerschen Wäldern gehört, auf der Rückbank Dauners Jagddackel Wotan, Erde im Fußraum, es riecht nach Wald und Motoröl. Er deutet aus dem Fenster, Fichten in langen Reihen ziehen vorbei. „Bis 1985 wurden hier vor allem Monokulturen aus Fichten angelegt.“, erklärt er, „davon wollen wir aber wegkommen.“

    Im unteren Teil des Stammes ist das Kernholz noch rund und gesund, oben ist es sichtbar geschädigt.
    Im unteren Teil des Stammes ist das Kernholz noch rund und gesund, oben ist es sichtbar geschädigt.

    Denn die Fichte ist ein Patient geworden, die Temperaturen sind ihr zu warm, der Niederschlag zu wenig. Besonder hart war das Jahr 2018: trocken und warm, ähnlich wie die Jahre davor. In der Vegetationszeit der Bäume, März und April, regnete es wenig, gerade die Hälfte beziehungsweise ein Drittel der normalen Menge. Auch die Temperaturen lagen über dem Durchschnitt. Der Fichte gefällt das gar nicht: Oben verdunstet Wasser, unten kommt keines nach. Sie schwächelt, kann sich nicht mehr wehren gegen Eindringlinge. Für den Borkenkäfer eine Einladung. Der bohrt durch die Rinde, legt Eier im Holz ab, die werden zu Larven, verpuppen sich, bevor sie selbst zu Käfern werden. Ihre Vermehrung verläuft exponentiell und der Baum ist bald Geschichte.

    Die Larven des Borkenkäfers haben Gänge durch die Rinde gefräst.
    Die Larven des Borkenkäfers haben Gänge durch die Rinde gefräst.

    Deswegen sollen die Fichten schrittweise reduziert werden, so Dauner. An ihre Stelle soll vor allem die Douglasie treten, heimisch an der nordamerikanischen Westküste und weniger empfindlich für Trockenheit. Auch die Tanne soll mehr Platz im Wald erhalten, sie wurzelt tief im Boden wie ein Pfahl, kann Wasser aus tieferen Bodenschichten aufnehmen. Doch nicht nur der Anteil an Fichten soll reduziert werden, sondern der der Nadelbäume allgemein. „Unser Ziel sind etwa 75 Prozent Nadel- und 25 Prozent Laubbaumbestand.“ erklärt Dauner.

    Noch einen Schritt weiter geht Jürgen Kircher, Dauners Nachfolger als Leiter der Augsburger Forstverwaltung: „Wir setzen auf gemischte und strukturierte Wälder.“ Heute überwiege der Nadelwald, doch dieses Verhältnis wolle man umkehren, 60 Prozent Laub-, 40 Prozent Nadelbäume. Da Nadelbäume eine größere Oberfläche haben filtern sie mehr Schadstoffe aus der Luft als Laubbäume, die sie dann an den Boden abgeben. „Der Augsburger Stadtwald ist ein Trinkwasserschutzgebiet. Da wollen wir weniger Schadstoffe im Boden, also setzen wir auf Laubbäume“, erzählt Kircher. „Da haben wir aber schon das nächste Problem“ – er zeigt auf eine Esche, ihre Krone ist seltsam kahl, keine verflochtenen jungen Triebe, nur ein paar dünne Äste - das Eschentriebsterben. Der Übeltäter ist ein Pilz, das Falsche Weiße Stengelbecherchen.

    Die Geschichte des Augsburger Stadtwalds

    1249 schenkte Ritter Siegfried von Bannacker dem Hospital zum Heiligen Geist sein väterliches Erbgut mit einem größeren Waldkomplex. 

    1602 erwarb die Stadt Augsburg von Bischof Heinrich von Knoeringen im Tausch gegen Grundbesitz in Anhausen und Eppisburg den Kernbereich des heutigen Siebentischwalds. Dadurch wurde die Wasserversorgung der Bürger für Jahrhunderte gesichert.

    1721 erhielt die Stadt den Haunstetter Wald für 40 Jahre als Pfand für ein Darlehen von 100.000 Gulden an Kurfürst Max Emanuel von Bayern. Damit war sie berechtigt, „die Brunnenquellen zusammenzuführen und in die Stadt zu leiten“ sowie Holz für den Wasserbau am Lech und zum Ausbau der Brunnen zu schlagen.

    1902 erwarb die Stadt das von Beck’sche Landgut mit 44 Hektar, richtete dort ab 1907 das Forsthaus Siebenbrunn ein und forstete die landwirtschaftlichen Flächen auf.

    1924 konnte die Stadt nach mehreren gescheiterten Versuchen den 879 Hektar großen Haunstetter Wald von Kommerzienrat Johann Pfeffer erwerben. Das Tattenbachpalais, ehemaliger Sitz der Familie Käß/von Tattenbach und späteres Rathaus von Haunstetten, beherbergt heute die Stadtforstverwaltung Augsburg.

    1927 erhielt die Stadt den Haunstetter Gemeindewald (37 Hektar) als Gegenleistung für den Bau der Straßenbahnlinie 4 nach Haunstetten.

    1942 übernahm die Stadt aus politischen Gründen die Wälder der vier städtischen Stiftungen in ihr Eigentum, um sie vor dem Nationalsozialismus zu schützen. Diese Stiftungen, darunter etwa die paritätische St.-Jakobs-Stiftung, sind heute zu 83 Prozent an den Reinerlösen des Gesamtwaldbesitzes außerhalb der Stadtgrenzen beteiligt. So dient der Waldertrag überwiegend der Erfüllung sozialer und kultureller Aufgaben. Die Stadt erhält 17 Prozent der Erträge.

    1958 übereignete Wolfgang Freiherr von Schaezler den 139 Hektar großen Schaezlerwald bei Pichl der Stadt Augsburg zur Erinnerung an seine im Krieg gefallenen beiden Söhne. Der Waldertrag dient dem Bauunterhalt des Schaezlerpalais, außerdem wird daraus ein jährlicher Beitrag für Stipendien von Studenten der Forstwissenschaften und der Altphilologie finanziert. Allerdings müssen die Studenten Absolventen des humanistischen Gymnasiums in Ansbach oder des humanistischen Gymnasiums bei St. Anna in Augsburg sein.

    1972 wuchs der Stadtwald durch die Eingemeindung der Städte Haunstetten und Göggingen sowie der Gemeinde Inningen um 350 Hektar.

    1996 erhielt die Stadt den 50 Hektar großen Gutmannwald nahe Treuchtlingen von ihrem Ehrenbürger Max Gutmann. Die Erträge sind für karitative, sonstige soziale Zwecke und für die Förderung des Sports in der Stadt Augsburg zu verwenden.

    Ein Pilz macht den Eschen große Probleme

    Eingeschleppt aus Asien hält er sich dank des milderen Klimas auch in Europa, und rafft so die Eschen dahin. „Es tut weh das zu sehen.“ Er bricht einen Zweig einer jungen Esche ab, er ist morsch, wie ausgetrocknet. „Unsere Hoffnung ist, dass vielleicht fünf Prozent der Eschen das überleben weil sie resistent sind und es dann in hundert Jahren wieder größere Populationen geben wird.“ Hundert Jahre sind eine lange Zeit, doch im Wald sind sie gerade mal eine Baumgeneration. Auf dem von Nadeln und Blättern bedeckten Boden liegt eine Esche, Kirchers Waldarbeiter haben sie gefällt. Ein dicker Stamm, zersägt in drei Teile, im Anschnitt wird der Stress sichtbar, dem sie aufgrund des Pilzes und der Trockenheit ausgesetzt war. Das Kernholz, dunkler als die restlichen Ringe, sollte sich wie ein Zylinder durch den Baum ziehen, ein gleichmäßiger Kreis. Stattdessen ist es verzogen, blutet aus in die äußeren Holzschichten.

    Auch die Fuggerschen Wälder leiden unter dem Eschentriebsterben. Kircher und Dauner haben noch eine weitere gemeinsame Sorge: Windwürfe. Die Stürme Sabine und Bianca, die im Februar durch Bayern zogen, haben Schneisen in die Wälder gerissen. „Vor allem geschwächte Bäume, wie die Fichte, die sich noch nicht von den trockenen letzten Jahren erholt hat, werden einfach entwurzelt.“, erzählt Dauner.

    Überangebot an Holz

    Die Zeiten für den Wald sind schwierig, nicht nur wegen des Klimas und der Krankheiten, die ihm folgen. Auch wirtschaftlich lohnen sie sich heutige weniger als zuvor. In Folge der trockenen Jahre und der beiden Stürme im Spätwinter, gibt es ein Überangebot von Holz. Das wirkt sich auch auf den Preis aus. Momentan bekomme er noch etwa 62 Euro für einen Kubikmeter Holz, erzählt Dauner, früher hätte er fast doppelt so viel erhalten. Damit könne er die Aufarbeitungskosten, das Fällen und aus dem Wald holen, decken, aber keinen Betrieb. In Deutschland werde pro Jahr etwa 55 Millionen Kubikmeter Holz geschlagen, alleine durch Bianca seien aber etwa 10 Millionen Kubikmeter Holz außerplanmäßig auf den Markt gekommen. Im Jahr 2019 seien als Folge des trockenen Jahres 2018 und des darauffolgenden Käferbefalls 110 Kubikmeter beschädigtes Holz angefallen. Für Dauner durchaus ein Problem: Die Wälder der Fuggerschen Stiftung finanzieren ihre Sozialprojekte, unter anderem auch die Fuggerei. Sinken die Einnahmen aus dem Forstgeschäft muss das Anderweitig kompensiert werden.

    Der Augsburger Stadtwald dient dagegen vor allem dem Trinkwasserschutz und als Naherholungsgebiet, die Prioritäten sind anders gesetzt. Wirtschaftlicher Erfolg sei daher eher zweitrangig, so Forstverwaltungschef Jürgen Kircher. Pessimismus sei generell nicht angebracht, lacht er: „Der nördliche Teil des Stadtwalds gehört seit 1602 zu Augsburg. Nennen Sie mir eine Aktie, die so lange überdauert hat!“ Der Wald wird bestehen, wenn auch in veränderter Form.

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