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Augsburg: Wie Böwe Systec aus der Krise kam

Die Konjunktur brummt, die Unternehmen sind ausgelastet und die Arbeitslosenquote so niedrig wie lange nicht mehr. Doch nicht in allen Branchen kommt der Erfolg gleichermaßen an. In Augsburg hatten zuletzt UPM (Papierherstellung), Manroland Web Systems (Druckmaschinen) und Ledvance (Leuchtstofflampen) Entlassungen oder gar Standortschließungen bekannt gegeben. Alles Unternehmen, deren Produkte stark dem Wandel der Zeit unterliegen und daher einen deutlich spürbaren Rückgang bei der Nachfrage verzeichnen müssen.

Auch der Augsburger Maschinenbauer Böwe Systec kennt diese Situation. Seit Jahren sinken der Digitalisierung wegen die Briefvolumina und damit die Nachfrage nach klassischen Kuvertiermaschinen, wie sie Böwe Systec herstellt und weltweit als einer der Marktführer vertreibt. Die Folge: 2010 schlitterte das Unternehmen in die Insolvenz, weil noch dazu Firmenzukäufe und die Wirtschaftskrise dem Unternehmen zugesetzt hatten. Was folgte, war der stufenweise Abbau von Personal – weltweit wie auch am Hauptsitz in Augsburg. Zu Hochzeiten waren hier rund 700 Mitarbeiter registriert, heute sind noch rund 290 Menschen in Augsburg beschäftigt. Weltweit hat Böwe Systec aktuell etwa 910 Mitarbeiter. Doch das Unternehmen hat aus der Krise seine Konsequenzen gezogen. Zwar ist man weiter im Kerngeschäft „Kuvertieren und Plastikkartenversand“ aktiv, hat sich aber auch neu ausgerichtet. Ziel ist es, unabhängig vom Hauptumsatzträger Hochleistungs-Kuvertieren zu werden. Die jetzige Geschäftsführung hat sich daher zusammen mit der 2010 eingestiegenen Possehl-Gruppe auf die Suche nach neuen Wachstumsmärkten gemacht, die Erfolg für die Zukunft versprechen und in die sich die bisherigen Kompetenzen übertragen lassen.

Neue Märkte gesucht

Fündig geworden ist man im Bereich Sortieren, wo Lösungen für die Post- und Paketsortierung, den Einzel- und Großhandel, Verteilzentren und Lagerhaltung angeboten werden. „Diese neu gegründete Sparte stellt eine innovative Erweiterung unserer Geschäftstätigkeit innerhalb eines rasant wachsenden Marktes dar“, erzählt Geschäftsführer Manfred Barwan. Um sich optimal auf dieses Geschäftsfeld einlassen zu können, hat Böwe Systec deshalb die Mehrheit des niederländischen Unternehmens Optimus Sorters erworben, einem Spezialisten für Sortier- und Fördersysteme für die Logistik und Postbranche. So lassen sich Synergieeffekte nutzen. Bislang mit Erfolg. Für 2018 erwartet Böwe Systec, dass in Augsburg fast 30 Prozent des Produktumsatzes über die neue Sparte „Sortieranlagen“ erzielt wird. Dazu schreibt das Unternehmen laut Barwan seit drei Jahren in Folge schwarze Zahlen. Beim Umsatz sei innerhalb dieser Zeit ein Plus von 30 Prozent erzielt worden – von 114 Millionen Euro 2014 auf 147 Millionen Euro 2017.

Eine Entwicklung, die auch Augsburgs IG-Metall-Chef Michael Leppek gefällt. „Böwe ist ein Beispiel dafür, dass sich ein Unternehmen auch in einem schwierigen Marktumfeld behaupten und Arbeitsplätze erhalten kann. Nämlich dann, wenn es sich neu orientiert.“ Zwar habe der Wandel Stellenstreichungen gefordert, aber Böwe Systec habe es – im Gegensatz zu anderen Unternehmen wie Manroland – geschafft, ein erfolgreiches Zukunftskonzept zu erarbeiten und das Unternehmen langfristig wieder auf die Beine zu stellen. Gründe für die „Erfolgsgeschichte“ gibt es für Leppek mehrere. „Das hat mit den Akteuren vor Ort zu tun, die sich sehr kreativ und innovativ engagieren, aber auch mit den handelnden Personen beim Eigentümer Possehl“, resümiert er.

Es wartet noch Arbeit

Ausruhen will sich Manfred Barwan auf dem Lob aber nicht. „Wir werden sicher noch mehrere Jahre damit beschäftigt sein, uns in den Wachstumsmärkten weiter zu etablieren“, sagt er. Dazu gelte es, die Gratwanderung zwischen klassischem Kerngeschäft und neuen Geschäftsfeldern zu bewältigen. „Obwohl wir uns bei den Kuvertiermaschinen einem stagnierenden bis rückläufigen Markt gegenüber sehen, können wir uns hier derzeit gut behaupten und sogar Wachstumsraten erzielen. Dieses Niveau wollen wir stabil halten und das Geschäftsfeld auch keinesfalls aufgeben.“ Gleichzeitig müssten aber die neuen Bereiche aufgebaut und Weichen für die Zukunft gestellt werden.

Um beides zu bewerkstelligen, beschäftigt Böwe Systec am Stammsitz Augsburg mehr als 50 Entwickler mit einem Entwicklungsbudget von etwa sieben Millionen Euro pro Jahr und setzt auf seine Mitarbeiter: „Die Strategie wird offen kommuniziert, jeder muss sich wiederfinden können“, so Barwan. Die Mitarbeiter seien eine wichtige Säule, hätten in Krisenzeiten dem Unternehmen stets loyal gegenüber gestanden. Hierfür gelte jedem Einzelnen ein herzlicher Dank. Ebenso dem Eigentümer Possehl, ohne dessen Unterstützung und Förderung der eingeschlagene Weg nicht möglich gewesen wäre.

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