Die Gelenke quietschen bedrohlich, als der haushohe Abrissbagger seinen Greifarm immer weiter Richtung Himmel streckt und sich so Stück für Stück zu seiner vollen Größe aufrichtet. Vor ihm stehen die Überreste dessen, was einmal das Verwaltungsgebäude des Augsburger Theaters war. Davon übrig geblieben sind nach seinem Einsatz lediglich ein paar rot-gelbe Wände, die noch die Stellung halten.
Das Schauspiel in der Kasernstraße fasziniert täglich viele Passanten. Sie versammeln sich hinter dem Bauzaun und beobachten das Geschehen gebannt. Auch ein kleiner Junge, der an diesem Tag mit seinen Eltern auf dem Fahrrad vorbeikommt, ist begeistert - vor allem von den riesigen Maschinen. Mit großen Augen zeigt er auf den haushohen Bagger.
Wer für den Abriss am Staatstheater Augsburg verantwortlich ist
Vielleicht, weil der mit seiner überragenden Größe und den langsamen Bewegungen an einen trägen, pflanzenfressenden Dinosaurier erinnert. Stück für Stück nagt er sich durch die Wände und reißt einen Brocken nach dem anderen raus. Auch die Dimensionen passen - 30 Meter misst der Greifarm im ausgestreckten Zustand. Das gelbe Ungetüm ist ein sogenannter Longfront-Bagger und wird zusammen mit anderen Fahrzeugen und Geräten bei dem Abriss des Gebäudes in der Kasernstraße eingesetzt.
All das geschieht unter der Regie von Werner Luff, der mit seinem Abrissunternehmen für die Baustelle verantwortlich ist. „Der brutale Abbruch mit der Birne macht uns eigentlich am meisten Spaß“, erzählt Luff, während er den Blick über die Überreste des Hauses schweifen lässt. Das sei hier aber nicht möglich – man habe eine „sensible Nachbarschaft“. Denn direkt hinter dem ehemaligen Verwaltungsgebäude steht das Klostergebäude der Heilig Kreuz Kirche, das auf keinen Fall beschädigt werden darf. Die angrenzende Wand mussten die Arbeiter deshalb teilweise von Hand abtragen.
Neubau am Staatstheater Augsburg soll ebenerdig stehen können
Doch das war nicht die einzige Hürde, berichtet Luff und zeigt auf die Stahlträger, die das Gebäude beim Abriss stabilisieren sollen. Wie sich zu Beginn der Arbeiten herausstellte, handelte es sich beim Verwaltungsgebäude nicht, wie ursprünglich gedacht, um einen Bau aus den 1950er-Jahren. Stattdessen stand das Haus bereits während des Kriegs, wurde beschädigt und danach wieder zusammengeflickt. Oben wurde Beton verarbeitet, unten dagegen leichtere Baumaterialien. Die Schwierigkeit besteht darin, dass diese Konstruktion beim Abriss nicht einfach unkontrolliert einstürzen darf. Der zweigeschossige Keller muss außerdem noch mit Material aufgefüllt werden, damit die Baufahrzeuge nicht einbrechen und ein künftiger Neubau an dieser Stelle auf einer ebenen Fläche steht.
Luff lehnt locker am Bauzaun, während er die Schwierigkeiten erklärt. Vor ihm erstreckt sich eine wüste Geröll-Landschaft aus den Überresten des Gebäudes. Wenn die Bagger das Gebäude Stein um Stein auseinandernehmen, entsteht einiges an Schutt, denn insgesamt bestand das Haus aus vier-bis fünftausend Kubikmetern festem Material. Das meiste davon ist eine Mischung aus Beton und Ziegeln, erklärt Luff. Früher hätte man die Überreste einfach auf Deponien entsorgen können, aber inzwischen müsse alles sortenrein getrennt werden, damit so viel Material wie möglich recycelt werden kann. Ähnlich wie bei der Mülltrennung zuhause. Auf der Baustelle untersucht am Ende sogar ein Gutachter, ob der Müll ordentlich separiert ist.
Luffs Firma hat in Augsburg viele Gebäude abgerissen
Auch mit dem Staub ist es auf diesen Baustellen so eine Sache. Damit der die Arbeiter und Anwohner nicht zu stark belastet, steht eine Nebelkanone auf dem Platz. Sie sieht ähnlich wie eine Schneekanone aus und soll den Staub in der Luft binden. Wenn sie gerade nicht läuft, merkt man das deutlich - kleine, rötliche Wolken steigen immer wieder von der Baustelle auf.
Das Gebäude in der Kasernstraße ist eines von vielen, das Luffs Firma in Augsburg abgerissen hat. Auch bei der Hasenbrauerei, dem alten Einkaufszentrum EGM, der Brauerei Goldene Gans und den Fabrikschlössern der Firma Dierig ist er mit seinen Baggern angerückt. Einige seiner Fahrzeuge sind auch mit Fotos von den Abrissen, an denen er beteiligt war, bedruckt. Den Betrieb gibt es seit 1977 und die Tätigkeit hat Luff geprägt. „Wenn ich zum Beispiel einkaufen gehen, sehe ich bei den Gebäuden nur noch die Konstruktion und die Träger – und denke gleich darüber nach, wie man das einreißen könnte“, sagt er und lacht. Außerdem würde er nur noch ungern Aufzug fahren, nachdem er die Technik dahinter gesehen hat.
Wie lange der Abriss am Staatstheater Augsburg noch dauern wird
In seinem Abrissbagger fühlt er sich dagegen ausgesprochen wohl. So ein Gerät zu bedienen sei allerdings keine einfache Aufgabe. „Der Beruf ist sehr nervenaufreibend - laut, dreckig und gefährlich. Ein falscher Handgriff und man schmeißt das Gebäude um“, meint Luff. Außerdem steckt hinter den Maschinen einiges an Kraft. Der große gelbe Bagger mit der Zange zerquetsche die Bauteile „wie ein Sandwich“.
Wie lang der Abriss hier noch dauern wird? Ungefähr zwei bis drei Wochen schätzt Luff, schließlich sind hier einige Arbeitsschritte notwendig. Über die hügelige Kraterlandschaft aus rötlichem Schutt geht er zurück zu seinem Bagger und klettert in das Führerhäuschen. Von alleine wird das Gebäude schließlich nicht verschwinden - da muss schon das gelbe Ungetüm nachhelfen und die letzten rot-gelben Wände zum Einsturz bringen.
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