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Augsburg: Weniger Verkehr, mehr Platz: So könnten Augsburgs Plätze schöner werden

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Weniger Verkehr, mehr Platz: So könnten Augsburgs Plätze schöner werden

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    Noch nicht so schön: Der Helmut-Haller-Platz in Oberhausen könnte nach Einschätzung von Experten ein Lifting vertragen.
    Noch nicht so schön: Der Helmut-Haller-Platz in Oberhausen könnte nach Einschätzung von Experten ein Lifting vertragen. Foto: Annette Zoepf

    Am Helmut-Haller-Platz macht es sich an diesem Sommertag eine Männerrunde in Bob's Kiezgarten bei Weißbier und Würstl gemütlich. Ein paar Meter weiter sitzen Süchtige im Schatten von Bäumen und Hochbeeten. Mittendrin steht ein weißes Schild: "Ballspielen verboten" - und das auf einem Platz, der Augsburgs wohl berühmtesten Fußballspieler gewidmet ist. Solche Widersprüche und viele andere Nutzungskonflikte fallen Architekturhistoriker Gregor Nagler sofort auf. Zusammen mit weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat er sich zehn wichtige Plätze in der Stadt genau angeschaut, um ihren Wandel in der Gestaltung und Nutzung zu analysieren. Was Nagler auffällt: "In Augsburg gibt es einen starken Trend zur Kommerzialisierung von Plätzen, wo das nicht funktioniert, droht Verödung." Dabei ginge es auch anders.

    Die Drogenszene und die Gegenbewegung auf dem Haller-Platz

    Beim Stadtrundgang steuert der Augsburger Experte Plätze mit Problemen an, die öffentliche Debatten auslösen. Einer ist der Helmut-Haller-Platz mit dem Oberhauser Bahnhof, ein Ort, an dem Reisende mit Bus und Bahn, die Süchtigenszene mit ihrem Betreuungspunkt Be-Treff und Anwohner nicht immer konfliktfrei aufeinander treffen. Nagler sagt, "die gestalterische Grundanlage dieses Platzes ist gut." Er hat ein schöne dreieckige Form, die von Gebäuden gefasst wird. Er hat einen denkmalgeschützten Bahnhofsbau und einen kleinen Biergarten, relativ viel Grün und unversiegelte Flächen. Lauter Verkehr und Ruhezonen sind räumlich voneinander getrennt.

    Diese Konzeption hat einen Grund: Als der Oberhauser Bahnhof 1931 neu errichtet wurde, legte die Stadt damals einen großzügigen Vorplatz an. Der Bahnhof wurde nach dem Zweiten Weltkrieg öfter umgestaltet und ist bis heute ein wichtiger Umsteigeknoten. Immer wieder macht er als Treffpunkt von Drogenabhängigen Schlagzeilen. Nagler findet es spannend, dass Stadt und Nachbarn das negative Image des Platzes nun in einer Gegenbewegung verbessern wollen, etwa mit Veranstaltungen wie dem "Kirschblütenfest" oder dem "Sommer am Kiez", wenn die Pandemie es wieder zulässt.

    Neue Studie über öffentliche Plätze in Augsburg

    Der Architekturexperte übt auch Kritik. Er konstatiert einen "Wust von unterschiedlichen Gestaltungen" mit Schildern, Litfaßsäulen oder Hochbeeten, die den Platz unruhig und unschön wirken lassen. Nagler sagt, der Helmut-Haller-Platz bräuchte dringend ein Lifting. Dann würde er als Treffpunkt für unterschiedliche Menschen besser funktionieren. Zwar plant die Stadt eine Umgestaltung. Es gibt Ideen. Knackpunkt der Planung ist das Geld. Man hoffe, 2023/24 Geld für den Umbau zu haben, hieß es zuletzt bei der Stadt.

    In Augsburg geht es nicht nur die Probleme an diesem zentralen Platz in Oberhausen. Grundsätzlich es geht es um die Frage: Wie können bestehende Plätze im Sinne einer modernen und offenen Stadt von vielen unterschiedlichen Menschen genutzt werden? Urbanist Benedikt Boucsein von der TU München nennt mehrere Kriterien: Plätze müssen für viele Nutzerinnen und Nutzer eine Bedeutung haben und ihnen zeitlich und räumlich offen stehen. Sie müssen verschiedenen Anforderungen gerecht werden und sich an deren Wandel anpassen können. Wichtig sei auch, dass unterschiedliche soziale Milieus auf dem Platz präsent sein und ihn für ihre jeweiligen Bedürfnisse nutzen können. "Auch muss ihnen die Möglichkeit gegeben werden, positiv aufeinander einzuwirken", so Boucsein.

    Debatte um ein Riesenrad am Augsburger Kö

    Der Manzù-Brunnen am Königsplatz ist beliebt bei Familien mit Kindern.
    Der Manzù-Brunnen am Königsplatz ist beliebt bei Familien mit Kindern. Foto: Bernd Hohlen

    Ortswechsel in die Innenstadt zum Königsplatz. Dort sorgt gerade der Vorschlag für Debatten, dauerhaft ein Riesenrad aufzustellen. Eine Idee, die aus Sicht von Gregor Nagler negative Folgen hätte, sollte sie realisiert werden. Ein Riesenrad würde sehr viel öffentlichen Raum einnehmen, der dann fehlen würde, sagt er. "Das Fahrgeschäft wäre auch eine zusätzliche Kommerzialisierung auf Kosten von anderen Nutzungen."

    Dabei habe der große Umbau des Königsplatzes vor rund zehn Jahren spürbare Verbesserungen am zentralen und stark frequentierten Verkehrsknoten gebracht, den über 100.000 Passanten auf dem Weg zur Arbeit, zur Schule oder zum Einkaufen überqueren, so Nagler. Gut finde er, dass der früher ausufernde Autoverkehr jetzt weit weg sei von den Menschen, die sich am Kö aufhalten. Auch der neu gestaltete Manzù-Brunnen, an dem Kinder gerne im Wasser plantschen, und die Sitzbänke unter Bäumen daneben, hält er für einen Gewinn.

    Dabei hat sich gerade am Kö sehr viel verändert, positiv und negativ. Im 19. Jahrhundert brach man das Gögginger Tor ab und legte einen großen Grünplatz an - viel größer als die heutige Grünanlage. Das 1913 gebaute Wartehäuschen, von Augsburgern liebevoll "Pilz" genannt, ist weg. es gibt ein neues Haltestellen-Dreieck mit nachts beleuchtetem Flugdach. Anstelle prägender historischer Bauten wie dem Hotel "Kaiserhof" stehen heute Bürokomplexe.

    Aus Naglers Sicht hat der Kö wahrscheinlich am stärksten von allen Augsburger Plätzen einen urbanen Charakter. Doch auch der Kö könnte lebenswerter sein. "Sein größtes Problem ist der fehlende Fugger-Boulevard", sagt der Experte. Angelehnt an historische Vorbilder würde sich künftig eine begrünte Flaniermeile vom Kö bis zum Staatstheater ziehen. Doch auch dieses Millionenprojekt hängt in der Warteschleife. Die Stadt muss es wegen ihrer Finanznot immer wieder verschieben.

    Was Menschen brauchen, um sich wohl zu fühlen

    Bleibt die Frage: Was brauchen Menschen, um sich auf einem öffentlichen Platz wohl zu fühlen? Stadtplaner und Stadtraumpsychologe Mathias Rothdach sagt: "Ein öffentlicher Platz ist im besten Fall ein Sozialisationsraum, der Teilhabe an der Gesellschaft bietet." Wenn man diesen Raum jedoch massiv durch Parkplätze, Fahrbereiche oder Haltestellen und ähnliches einschränkt, schwäche das den Platz in seiner Sozialfunktion. Auch Handel und Gastronomie wollen vom öffentlichen Raum profitieren, ihre Waren dort aufstellen oder Bewirtung anbieten. Aus Sicht von Rothdach müsse man prüfen, welche Nutzungen im öffentlichen Raum da seien und welche nötig wären, um gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Sein Credo: "Der Mensch sucht den Menschen, nicht das Auto."

    Architekturhistoriker Gregor Nagler hält große Müllcontainer am Ulrichsplatz für unpassend.
    Architekturhistoriker Gregor Nagler hält große Müllcontainer am Ulrichsplatz für unpassend. Foto: Piet Bosse

    Diese Meinung teilt Nagler auch mit Blick auf den Ulrichsplatz und die daran anschließende Maximilianstraße. Städtebaulich gilt sie als eine der schönsten in Europa. Als Fußgänger nimmt man sie jedoch anders war. Am Ulrichsplatz dröhnt der Verkehr direkt am historischen Münster vorbei. An diesem Tag sind es nicht so viele Autos. Durch den Pflasterbelag sind sie aber sehr laut. Nagler sagt: "Der Platz ist kein Platz mehr, sondern eine breite Straße mit Verkehr im Mittelpunkt."

    Wo eigentlich ein neuer Brunnen vor St. Ulrich geplant wäre, stehen ein Haltestellenschild und nicht weit weg Müllcontainer. Den Straßenrand teilen sich parkende Autos, Fußgänger und Gastronomie. Ähnlich geht es in der Maximilianstraße weiter: viele Verkehrszeichen, Mülltonnen, viel Außenbestuhlung von Gastronomie. Augsburgs kostbarer Herkules-Brunnen, der zum Welterbe gehört, ist von diversen Blumentöpfen verstellt, um in der Pandemie nächtliche Ansammlungen von jungen Leuten, die dort feiern wollen, zu verhindern.

    Verona könnte ein Vorbild für Augsburg sein

    Nagler sagt, die jüngste Neugestaltung der Maximilianstraße habe positive Seiten. So gebe es mehr Platz für Fußgänger und Sitzbänke. Problematisch sei jedoch, dass die Außengastronomie auf der historischen Flaniermeile nun sehr viel Raum beansprucht und der geplante Umbau am Ulrichsplatz mit Brunnen und weniger Verkehr bislang nicht realisiert wurde. "Man müsste auch das Zentrum der Maximilianstraße, insbesondere zwischen Herkulesbrunnen und Ulrich, mehr als verkehrsberuhigten Raum gestalten", so sein Urteil.

    Ein Blick von oben auf die Maximilianstraße zeigt, dass der Verkehr dort viel Raum hat.
    Ein Blick von oben auf die Maximilianstraße zeigt, dass der Verkehr dort viel Raum hat. Foto: Ulrich Wagner

    Nagler sagt auch: "Man muss nicht immer völlig neu denken." Oft helfe es, sich an historischen Vorbildern zu orientieren. So wie es andere schöne und beliebte Städte machen. Zur Zeit der Freien Reichsstadt war die Maximilianstraße keine Straße, sondern eine Abfolge von Plätzen - ähnlich, wie man es heute noch in Verona findet. Damals standen noch der Salzstadel und das Siegelhaus in der Mitte. Nach dem Abriss 1809 gab es die Idee, an dieser Stelle eine begrünte Promenade mit Allee zu schaffen. Nagler hält das für einen interessanten Gedanken, doch daraus wurde nichts. Stattdessen nutzte man den nunmehr gepflasterten Straßenzug als Aufmarschfläche für Paraden und Festzüge, danach auch für den Autoverkehr.

    Insgesamt fällt das Fazit des Wissenschaftlers gemischt aus: In Augsburg gibt es danach nur wenige Plätze mit einer guten Aufenthaltsqualität, außerdem einen starken Trend zur Kommerzialisierung des öffentlichen Raums. "Es wäre viel mehr drin, und nicht immer mit großem finanziellen Aufwand", sagt er.

    Die Studie "Augsburger Plätze im Wandel" von Gregor Nagler, Jeffrey Wimmer und Barbara Wolf entstand im Rahmen des fächerübergreifenden Stadtforschungsprojekts "Die digitale Stadt, Materialität und Objekte urbaner Kommunikationskultur". Partner waren die TU München, Uni Augsburg und Uni Leipzig. Online zu finden unter www.augsburger-plaetze.com und https://digista.de.

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