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Augsburg: Weniger Corona-Patienten, aber Pflegekräfte an der Uniklinik sind am Limit

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Weniger Corona-Patienten, aber Pflegekräfte an der Uniklinik sind am Limit

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    Mit Protestaktionen macht die Gewerkschaft Verdi regelmäßig auf die Situation der Pflegekräfte aufmerksam. Diese Aktion am Uniklinikum Augsburg lief am 10. Juni.
    Mit Protestaktionen macht die Gewerkschaft Verdi regelmäßig auf die Situation der Pflegekräfte aufmerksam. Diese Aktion am Uniklinikum Augsburg lief am 10. Juni. Foto: Win Windisch (Archivbild)

    Achim Craney sieht müde aus. Der Fachpfleger für Anästhesie und Intensiv kommt gerade aus der Arbeit in der Uniklinik Augsburg. Er sagt: "Viele Kollegen fühlen sich ausgelaugt." Seit über einem Jahr seien die Pflegekräfte im Corona-Stress. Nach wie vor sei keine Erholung in Sicht.

    Als die erste Welle der Pandemie in Augsburg aufschlug, bekamen Pflegerinnen und Pfleger öffentlich Applaus für das, was sie rund um die Uhr leisteten. Sie wurden als Helden gefeiert. Stressig sei die Arbeit schon vorher gewesen, Corona habe den Stress aber noch verstärkt, sagt Craney. "Man hat viele Menschen sterben sehen." Die Arbeit in Schutzkleidung sei anstrengend, ebenso wie die vielen Wechsel innerhalb der Pflegeteams, die - je nach Entwicklung der Lage - immer wieder neu zusammengestellt werden mussten. Dazu kam die Sorge, sich selbst zu infizieren oder Familienmitglieder anzustecken, bevor ein Impfstoff zur Verfügung stand. Auch jetzt, mit nur noch wenigen Corona-Patienten im Haus, sei der Druck nicht geringer geworden - er komme nun von anderer Seite.

    Corona-Stationen an der Uniklinik Augsburg werden zurückgebaut

    Pflegedirektorin Susanne Arnold bestätigt, die Belastung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sei nach wie vor hoch, nur jetzt aus anderen Gründen. Aktuell sei man damit beschäftigt, die Corona-Stationen zurück zu bauen und wieder in den Normalbetrieb zu gehen. Es handelt sich um etwa 350 Betten, die speziell für die Behandlung dieser Patienten bereit gestellt worden waren. Sie werden nun stufenweise wieder anderen Bereichen zur Verfügung gestellt. Dafür seien zahlreiche Umzüge und Personalveränderungen erforderlich, so Arnold. "Die Teams wurden ja während der Pandemie umgestellt, gemischt, anderswo eingesetzt."

    Dazu kommt, dass das Großkrankenhaus nach eigenen Angaben auch jetzt mit Patienten so gut wie voll ist. Die aktuelle Auslastung liegt aktuell bei über 90 Prozent. Das hat auch mit Behandlungen und Operationen zu tun, die wegen der Pandemie verschoben werden mussten und nun nachgeholt werden. Arnold sagt, trotz der hohen Belastung seien die Mitarbeiter nach wie vor mit sehr hohem Engagement dabei und vor allem froh, dass wieder Normalität einkehrt.

    Mehr Anfragen nach Teilzeitverträgen im Pflegebereich

    Beim Personalrat sieht man die Lage nicht ganz so entspannt. Vorsitzende Eva-Maria Nieberle sagt, auch wenn es wieder in Richtung Normalbetrieb gehe, hätten Beschäftigte im Pflegebereich keine Zeit zum Durchatmen. Dafür sieht sie mehrere Gründe, die vor allem mit der Personalsituation zusammenhängen. Nach wie vor gebe es Brennpunkte, an denen der geltende Stellenschlüssel nicht eingehalten werden könne. Damit muss die anfallende Arbeit von weniger Mitarbeitern erledigt werden, als eigentlich vorgesehen wären. Parallel gebe es Kündigungen und deutlich mehr Anfragen nach Teilzeitverträgen, so Nieberle. "Der langjährige Stress ist mit Corona kulminiert und hat seine Spuren hinterlassen." Sie betont, dies sei ein allgemeiner Trend und keine Sondersituation in Augsburg.

    Arnold spricht dagegen von "vereinzelten Kündigungen und Arbeitszeitreduzierungen" im Zuge der Pandemie. Andererseits habe man in den vergangenen Monaten auch neue Mitarbeiter gewinnen können. Nach Angaben der Pflegedirektorin wurden seit 2018 etwa 250 neue Pflegekräfte in Vollzeit eingestellt. In der Regel könne damit die vereinbarte Regelbesetzung in den Schichten eingehalten werden. Trotzdem gibt es aktuell Bereiche, wo vorhandene Betten wegen Personalmangel nicht belegt werden können. Vor allem im Intensivbereich sei das leider immer wieder der Fall, sagt Arnold. Dies sei jedoch ein deutschlandweites Problem in Krankenhäusern, das sich in größeren Städten noch viel dramatischer darstelle.

    Neues Personal in der Pflege ist in Augsburg schwer zu bekommen

    Die Pflegedirektorin sagt, dass neues Personal nur sehr schwer zu bekommen ist. Dabei sei etwa auch in den neuen Hochschulambulanzen Verstärkung nötig. Dort gehe es zunächst um zwölf neue Vollzeitkräfte. Punktuell seien die Stellen schon besetzt. Insgesamt gibt es rund 2500 Pflegekräfte am Uniklinikum, bei über 6000 Mitarbeitern und mehr als 1700 Betten.

    Bei der Gewerkschaft Verdi kämpft man dafür, Pflegeberufe bundesweit wieder attraktiver zu machen, um dem Trend zur Abwanderung etwas entgegenzusetzen. Nun befürchten die Gewerkschaftssekretäre Win Windisch und Roman Martynez, dass als Folge von Corona erreichte Erfolge in Augsburg aufgeweicht werden. Nach jahrelangen Protesten von Mitarbeitern hat 2018 der damalige Klinikvorstand mit

    Pflegekräfte von Minister Spahn enttäuscht

    Aus Sicht der Gewerkschaft und auch der Uniklinik würde ein neues bundesweites Personal-Bemessungsinstrument (PPR 2.0) den großen Druck etwas verringern, unter dem Krankenhäuser stehen. Pflegedirektorin Arnold sagt, "wir sind der Ansicht, dass ein adäquates Personalbemessungssystem überfällig ist, um der Zuordnung, Verteilung und Ausstattung des Pflegepersonals gerecht zu werden". Doch nun sind viele Mitarbeiter in der Pflege, die nach ihrem viel gelobten Corona-Einsatz auf Verbesserungen ihrer Arbeitsbedingungen gehofft hatten, enttäuscht. Der Grund: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat eine entsprechende Neuregelung kürzlich um vier Jahre vertagt.

    Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast mit einer Hebamme aus der Reihe "Augsburg, meine Stadt" an:

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