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Augsburg: Wenig Spur von "Miteinander": Das sagt die Opposition über OB Eva Weber

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Wenig Spur von "Miteinander": Das sagt die Opposition über OB Eva Weber

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    Am Dienstag ist es ein Jahr her, dass sich der Stadtrat konstituierte (damals noch ohne FFP2-Masken). Ein Großteil der Sitzungen fand seitdem im Kongress am Park statt.
    Am Dienstag ist es ein Jahr her, dass sich der Stadtrat konstituierte (damals noch ohne FFP2-Masken). Ein Großteil der Sitzungen fand seitdem im Kongress am Park statt. Foto: Silvio Wyszengrad (Archivfoto)

    Dass sich in dieser Periode etwas im Augsburger Stadtrat geändert hatte, wurde zum ersten Mal im Juli vergangenen Jahres spürbar: Rund vier Stunden stritt und debattierte das Gremium bei coronabedingt aufgerissenen Fenstern im Sitzungssaal des Rathauses in zugiger Atmosphäre über die Fortsetzung der Theatersanierung. Der Wind blies Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) aber auch im übertragenen Sinn ins Gesicht: Das neu erstarkte Nicht-Regierungslager wetterte fast geschlossen gegen die millionenschwere Kostensteigerung und, das ist das eigentlich Neue im Vergleich zur vergangenen Periode, stellte einen Alternativvorschlag vor, der zumindest eine Diskussion lohnte. Das gleiche Muster zeichnete sich fünf Monate später bei der Trassierung der Linie 5 ab.

    Es wird wieder mehr diskutiert im Stadtrat, denn die Opposition hat deutlich zugelegt. Die Stimme der Oberbürgermeisterin mit eingerechnet, kommt das schwarz-grüne Regierungslager auf 36 von insgesamt 61 Stimmen. Im Vorgänger-Stadtrat dominierte das Bündnis aus CSU, SPD und Grünen mit - nach mehreren Übertritten - am Ende 49 Stimmen. Vieles wurde vorab im Hinterzimmer diskutiert und, wenn Volker Schafitel von den Freien Wählern als personifizierte Opposition gerade nicht da war, auch ohne große Diskussion beschlossen. Der Name, der dem Bündnis von der versprengten Opposition halb spöttisch, halb resigniert verpasst wurde, war ÜGroKo, was für "Übergroße Koalition" stehen sollte. Auch heute sind die Mehrheiten klar abgesteckt, aber es finden wieder mehr Diskussionen statt, auch weil die neue Opposition mehr Ressourcen für die inhaltliche Arbeit hat.

    Wahlergebnis in Augsburg war bewusste Entscheidung gegen die SPD

    Dass es nun anders ist, hängt mit dem Willen der Wähler zusammen, die ein schwarz-grünes Bündnis mit ausreichender Mehrheit ermöglichten. Weber entschied sich gegen eine Beteiligung der SPD, was wohl zu einem nicht geringen Teil atmosphärische und persönliche Gründe hatte. Weber sagt aber auch, dass die neue Konstellation im Stadtrat gut für die Demokratie und den politischen Prozess sei. Sie habe verstanden, dass manche Bürger das ganz große Bündnis aus der letzten Periode nicht fortgesetzt haben wollten. Genervt schaut Weber manchmal dennoch, wenn Anfragen und Anwürfe aus den Sitzreihen der Opposition kommen.

    Die Sozialfraktion, der elfköpfige Zusammenschluss von SPD und Linken mit Christian Pettinger (ödp) als Hospitant, zog am Mittwoch auf einer Online-Pressekonferenz eine Bilanz des ersten Jahres. Die größte Oppositionsfraktion watschte Schwarz-Grün eine Dreiviertelstunde lang ab. "Die neue Stadtregierung verkauft sich als Avantgarde, aber nach einem Jahr kann man feststellen, dass sich CSU und Grüne recht ähnlich sind: Es fehlt an Mut und Ideen", so Fraktions-Vorsitzender Florian Freund. Was aus der vor der Wahl hochgehaltenen Bürgerbeteiligung wurde, habe man zuletzt bei der Einebnung des Fahrradparcours im Gögginger Wäldchen gesehen. "Es wurde Bürgerbeteiligung versprochen. Was wir bekommen haben, war das nachträgliche Erklären von rechtlichen Vorgaben oder von Verwaltungsvorgängen", so Freund.

    Sozialfraktions-Vorsitzender Florian Freund (vorne) und Dirk Wurm, einer seiner Stellvertreter (hinten) in der konstituierenden Sitzung.
    Sozialfraktions-Vorsitzender Florian Freund (vorne) und Dirk Wurm, einer seiner Stellvertreter (hinten) in der konstituierenden Sitzung. Foto: Silvio Wyszengrad (Archivfoto)

    Auch ansonsten habe die Stadtregierung nicht geliefert. Dies gelte für die Verkehrswende, Bildungs-, Sozial- und Klimapolitik. Man habe ein schwieriges Jahr hinter sich, Corona sei aber keine Begründung für den gezeigten Stillstand. Nötig sei gerade jetzt eine Wirtschaftspolitik, die Augsburger Unternehmen und Arbeitsplätze sichere und gleichzeitig den Klimaschutz nach vorne bringe, so Fraktions-Vize Dirk Wurm. Aktuell gebe es quasi wöchentlich Hiobsbotschaften aus Industrieunternehmen. Die Sozialen sehen die Förderung von Wasserstofftechnologie als Schlüssel zur Sicherung von Industriejobs und Klimaneutralität. "Es ist schwach, dass hier nichts vorangeht unter einer Oberbürgermeisterin, die fast zehn Jahre Wirtschaftsreferentin war", so Wurm. Auch für die Innenstadt und die Stadtteile seien jetzt Ideen nötig, um sie nach Corona neu zu positionieren. Denkbar sei etwa eine Leerstandssatzung, bei der Immobilieneigentümer für leerstehende Ladenflächen eine Abgabe an die Stadt zahlen müssen. "Es kann doch nicht sein, dass ein Woolworth-Gebäude seit Jahren leer steht. Eine Idee wäre, Marktstände reinzusetzen, damit Kunden unabhängig vom Wetter einkaufen können. Das kann man für eine Schnapsidee halten, aber es ist mal eine Idee. Von der Stadtregierung hört man gar nichts", so Wurm.

    Opposition kritisiert Verzögerungen beim Corona-Management

    In der Tonlage etwas moderater formuliert die fünfköpfige Fraktion Bürgerliche Mitte (Freie Wähler, FDP, Pro Augsburg) als zweitgrößte Opposition ihre Ein-Jahres-Bilanz. Beim Corona-Krisenmanagement habe sich im Zuge der Neustrukturierung der Stadtregierung die Verlagerung des Gesundheitsamtes zum Umweltreferat "als nicht gewinnbringend" entpuppt, so Fraktionsvorsitzender Hans Wengenmeir. Seine Fraktion habe frühzeitig diverse Vorschläge gemacht. "Forderungen nach einer Verfolgungssoftware für Corona-Kontakte, der Einbeziehung von externen Spezialisten zum Beispiel aus der Polizei sowie zusätzlichem Personal für das Gesundheitsamt wurden immer erst mit Verzögerung umgesetzt."

    Hans Wengenmeir ist Vorsitzender der Fraktion Bürgerliche Mitte (im Hintergrund die Stadträte Regina Stuber-Schneider und Peter Hummel).
    Hans Wengenmeir ist Vorsitzender der Fraktion Bürgerliche Mitte (im Hintergrund die Stadträte Regina Stuber-Schneider und Peter Hummel). Foto: Silvio Wyszengrad (Archivfoto)

    Auch in puncto Bildungspolitik gebe es noch Nachbesserungsbedarf. Zwar seien einige teure Schulsanierungen beschlossen worden, für Reparaturen etwa an nicht zu öffnenden Klassenzimmerfenstern sei aber kein Geld da. Die "Bestandsverwahrlosung", die schon Alt-Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) festgestellt hatte, gehe also weiter. Als Bürgerliche Mitte wolle man vor allem Anregungen aus der Bürgerschaft nachkommen, so Wengenmeir. "Ideologische Ansätze sind nicht so unser Ding." Umso interessierter beobachte man, wie Schwarz-Grün beim Klimaschutz und der Radverkehrspolitik agiere. Spätestens wenn Corona ausgestanden sei, werde man sehen, wie kompromissfähig die beiden Partner untereinander seien.

    Die AfD steht im Augsburger Stadtrat isoliert da

    Während sich Stadträte aus der Opposition und der Koalition gelegentlich zu Themen austauschen, gibt es zur vierköpfigen AfD-Fraktion als kleinster Oppositionsfraktion keinen Kontakt. Als der damalige AfD-Vorsitzende Steffen Müller im Herbst in einem Facebook-Post die Hautfarbe von Stadträtin Lisa McQueen als vermeintlich herausragendes Qualifikationsmerkmal bezeichnete, kam postwendend Protest aus dem ganzen Gremium. Auch beim Abstimmungsverhalten in politischen Fragen steht die AfD mitunter alleine da.

    Andreas Jurca (vorne) ist Vorsitzender der AfD-Fraktion im Stadtrat (im Hintergrund sein Fraktionskollege Raimond Scheirich).
    Andreas Jurca (vorne) ist Vorsitzender der AfD-Fraktion im Stadtrat (im Hintergrund sein Fraktionskollege Raimond Scheirich). Foto: Silvio Wyszengrad (Archivfoto)

    "Bei bestimmten Grundsatzthemen sind wir oft die einzige Fraktion, die eine andere Position vertritt", so Vorsitzender Andreas Jurca. In der Tat kommen bei Themen wie Klimaschutz, Radverkehrsförderung, Flüchtlingsaufnahme oder dem Haushalt die einzigen Gegenstimmen mitunter von der AfD. Lokale Klimaschutzziele, so Jurca, seien "teure Augenwischerei", der Bau neuer Radwege ein "schleichender Angriff" auf den Autoverkehr und die Idee, Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen, ein Signal, illegale Zuwanderung zu fördern. Die CSU, so Jurca, schwenke auf allen politischen Ebenen immer stärker auf Kurs der Grünen ein. Es sei bemerkenswert, dass "der eigentlich 'konservative' Seniorpartner keine eigenen Akzente mehr setzt und die linke Agenda - zumindest in Teilen - nicht stutzt", so Jurca.

    Die Opposition erkennt wenig "Miteinander" in Augsburg

    Inhaltlich sind die Oppositionsfraktionen, geschweige denn die Einzelstadträte, alles andere als auf einer Linie. In einem Punkt scheint es allerdings Ähnlichkeiten zu geben - nämlich dass man Oberbürgermeisterin Eva Weber ihre Aussage, mehr "Miteinander" im Stadtrat zu wollen, als leere Versprechung vorhält. Zum Miteinander muss man sagen, dass es nach den teils sehr verhärteten Fronten in den zwei Amtsperioden unter Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) tatsächlich entspannter zugeht, Schwarz-Grün aber bei bestimmten Themen gegen alle anderen entscheidet. "Sachliche Anfragen oder Verständnisfragen werden meist als Kritik an der Regierungskoalition empfunden und nur im Rechtfertigungsmodus beantwortet", sagt Bürgerlichen-Fraktions-Chef Wengenmeir. In der Tonlage am härtesten äußert sich die Sozialfraktion, die der Stadtregierung auch mal mit Worten wie "Konzeptionslosigkeit", "Untätigkeit" bis hin zu "es ist etwas faul im Staate Augsburg" konfrontiert. Das findet dann auch ein entsprechendes Echo bei Weber.

    Aufs Thema Miteinander angesprochen sagt sie, dass manches womöglich auch der Corona-Pandemie geschuldet sei. Der Stadtrat sehe sich momentan nur einmal pro Monat, und das auch nur hinter Maske und mit Abstand. Gespräche am Rande der Sitzung, in denen man sich unaufgeregt über Standpunkte austauschen und kennen lernen könne, gebe es kaum.

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