Bei Bernhard Riepl darf eine Kneipe noch eine Kneipe sein. Mit einem Billardtisch, auf dem sich teilweise der grüne Filz löst. Mit vielen Holztischen, einer großen Theke, Barhockern und Gesellschaftsspielen, die sich in einer Ecke stapeln. Hier wird noch „geschafkopft“, sogar ein Klavier und Konzerte gibt es. Der „Mohrenkönig“ im Antonsviertel ist eine Traditionskneipe und vor allem bei Stammgästen beliebt. Umso trauriger sind jetzt einige von ihnen. Denn Wirt Riepl hört nach zehn Jahren auf.
Leicht habe er sich die Entscheidung nicht gemacht. Ein halbes Jahr rang der Gastronom mit sich, besprach es immer wieder mit seiner Frau. Doch seit Riepl beschlossen hat, Ende Februar den Mohrenkönig aufzugeben, lässt er keine Wehmut mehr zu. Der Mann mit dem grauen Schnurrbart und der Brille, die an einem Band um seinen Hals baumelt, stützt sich mit den Händen auf der Theke ab. Entschlossen sieht er aus.
„Ich werde nächstes Jahr 66 Jahre alt. Ich will nicht irgendwann auf den Brustwarzen hier rauskriechen. Es gibt auch noch ein anderes Leben“, erklärt er. Viel Herzblut hat Riepl in die Kneipe mit dem idyllischen Biergarten in der Sulzerstraße gesteckt. Vielleicht lässt sich solch eine Leidenschaft nur mit Rigorosität beenden.
Auch ein bekannter Sportreporter war im „Mohrenkönig“ mal Wirt
Der Mohrenkönig hat eine lange Tradition. „Das Haus mit der Wirtschaft wurde bereits 1897 gegründet, da gehörte es noch dem Militär“, erzählt er. Viel mehr hat Riepl im Stadtarchiv dazu nicht gefunden. Aber er weiß, dass Sportreporter Waldemar Hartmann einst zwei Jahre lang den Mohrenkönig betrieb. In Lauflage liegt die Kneipe nicht, eher versteckt in einem Wohngebiet im Antonsviertel. „Wir mussten uns unsere Kunden schon erarbeiten“, sagt Riepl. „Aber wenn sie mal da waren, kamen sie immer wieder.“
Bei manchen Augsburgern gilt der Mohrenkönig tatsächlich als Geheimtipp. Nicht nur wegen der bürgerlichen Küche, sondern auch, weil hier Konzerte stattfinden. Riepl selbst ist ein großer Kultur- und Musikfan. Er geht regelmäßig ins Theater. Die Philharmoniker, erzählt er, zählen seit sechs Jahren zu seinen Stammgästen. Es ist früh am Abend. Gerade läuft im Mohrenkönig Mozart. Was seine Gäste zu der klassischen Musik sagen, die auf den ersten Blick gar nicht so in die kunterbunte Kneipe passen mag?
„Mozart gibt es bei mir zwischen 17 und 18 Uhr“, sagt Riepl und fügt trocken hinzu: „Manchmal auch bis 23 Uhr. Rockfans sage ich dann, das ist erst der Anfang.“ Freilich gibt es bei Riepl auch Rock und Jazz zu hören, persönlich bevorzugt er aber Klassik. Da müssen seine Gäste dann durch. Denn in erster Linie, findet der Gastwirt, muss es ihm selbst in seiner Kneipe gefallen. „Sonst könnte ich die gute Stimmung nicht transportieren. Man muss sich halt seine Gäste erziehen.“ Bernhard Riepl, der einst in der Pharmazie arbeitete und waschechter Augsburger ist, ist zweifellos ein Unikum. Genau das schätzen seine Gäste. Manche befürchten, dass der Mohrenkönig unter einem neuen Pächter an Atmosphäre verlieren könnte. Eine treue Anhängerin etwa ruft auf Facebook dazu auf, einen Verein zur Rettung des Mohrenkönigs zu gründen. Viel Resonanz gibt es darauf bislang nicht. Aber Bernhard Riepl rührt so etwas.
Richtige Kneipenwirte sind eine Seltenheit in Augsburg
„Klar ist die Kneipe für das Antonsviertel bedeutend“, räumt er ein. Sein Traum ist, dass der Mohrenkönig wieder einen richtigen Kneipenwirt bekommt. Inzwischen eine Seltenheit in der Stadt, wie er bemängelt. „Etwas Authentisches findet man kaum noch. Das meiste sind nur noch Ketten.“ Riepl verweist auf den Eigentümer, die Brauerei Riegele. Es läge an ihr, einen geeigneten Nachfolger zu finden. „Ein paar Interessenten sind schon da“, berichtet er. Mehr kann oder will der 65-Jährige nicht sagen.
Bis Ende Februar jedenfalls geht der Betrieb weiter. Am Samstag, 29. Dezember, spielt die Huber & Schwarz Band ab 20 Uhr, ab 23 Uhr legt ein DJ Rockmusik auf. Riepl macht bis zum Schluss weiter, als wäre nichts. Bis auf das gesamte Inventar, das er jetzt schon zum Verkauf anbietet. Der eine oder andere Nachbar habe sich schon einen Tisch reserviert. Ob er für sich ein Andenken aus der Kneipe behalten wird? „Ich weiß es noch nicht“, sagt der Wirt. „Das muss ich mir noch überlegen.“ Es klingt fast eine Spur zu lässig. Leicht wird ihm der Abschied sicherlich nicht fallen.