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Augsburg: Was Sie noch nicht über die Augsburger Fuggerei wussten

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Was Sie noch nicht über die Augsburger Fuggerei wussten

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    Mit über 220.000 Besuchern im Jahr zählt die Fuggerei zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Augsburg.
    Mit über 220.000 Besuchern im Jahr zählt die Fuggerei zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Augsburg. Foto: Silvio Wyszengrad

    Johanna Grünwald ist das schon oft gefragt worden. Wann sie denn abends nach Hause gehen dürfe und ob sie kostenlos zu essen und trinken bekäme während ihrer Arbeitszeit, wollten Touristen wissen. Grünwald, Anfang 60, muss dann Aufklärungsarbeit leisten. Nein, die Fuggerei sei keine „Schaustadt“ und sie keine Statistin. Die Fuggerei, erklärt sie geduldig, sei eine Siedlung, in der tatsächlich Menschen leben. Menschen wie sie.

    Mit 220.000 Besuchern im Jahr, dem Großteil davon Individualtouristen, ist die Fuggerei eine der beliebtesten Sehenswürdigkeiten in Augsburg. Sie steht in jedem Reiseführer, und doch wissen viele Besucher kaum etwas über die älteste Sozialsiedlung der Welt. 2021 wird das 500-jährige Bestehen gefeiert, es soll ein Jahr mit vielen Aktionen werden. Schon im Vorgriff auf dieses Datum wollen die Fugger’schen Stiftungen aber mit Vorurteilen und Fehlinformationen aufräumen. Deshalb sind nun zwei neue Museen entstanden, die einerseits die Zeit nach 1945, andererseits das Leben der Fuggereibewohner näher beleuchten.

    Lesen Sie dazu auch: Das sind die Schicksale der Fuggerei-Bewohner

    Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist kaum erforscht

    „Die Zeit der Fuggerei nach Ende des Zweiten Weltkriegs war bislang kaum erforscht“, sagen Astrid Gabler und Sigrid Gribl, die die neuen Fuggereimuseen konzipiert haben. Die Geschichten der Bewohner, die seither in der Sozialsiedlung eine Bleibe fanden, wurde nie umfassend erzählt. Dabei seien es gerade die Menschen, die das Leben in der Fuggerei ausmachen. „Ein bisschen ist das hier ja wie im Dorf: Man kennt sich, man redet und man weiß, wie es dem anderen geht“, sagt Astrid Gabler.

    Etwa 1400 Männer und Frauen wohnten von 1945 bis heute in den kleinen, ockerfarbenen Häuschen. Während der Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg verloren zeitweise auch sie ihre Heimat: Die Fuggerei wurde damals zu zwei Dritteln zerstört. Als die Siedlung wieder aufgebaut war, konnten sie in ihre Wohnungen zurückkehren – erst die, die beim Wiederaufbau geholfen hatten, dann die Handwerker, die ihren Teil dazu beitrugen.

    Gabler und Gribl haben die Informationen mühsam aus alten Akten und Dokumenten recherchiert, die im Fuggerarchiv Dillingen lagen; unsortiert und lose gebündelt in Papierordnern. Und sie haben sich mit den Menschen unterhalten, die heute in der Fuggerei leben und arbeiten, manche davon bereits seit über 20 Jahren. Im Mittelpunkt der Recherche stand vor allem eine Frage: Was bedeutete es kurz nach dem Krieg, bedürftig zu sein, und wie hat sich dieses Empfinden bis heute verändert?

    Die neuen Fuggereimuseen entstanden im bisherigen Café der Fuggerei sowie in einer angrenzenden Wohnung. Wohnraum ging den derzeit rund 150 „Siedlern“ dabei nicht verloren: Für ein Museum wurde das ehemalige Lädchen samt Café umfunktioniert, das nicht mehr gebraucht wird, da mit dem Restaurant „Die Tafeldecker“ eine Gastronomie vorhanden ist. Für das zweite Museum wurde die bisherige moderne Schauwohnung aufgegeben und in das Häuschen neben dem Café verlegt. Die historische Schauwohnung und der von Martin Kluger konzipierte Weltkriegsbunker bleiben erhalten.

    Durch Medienstationen lernen Fuggerei-Besucher in den neuen Museen einige Bewohner der Sozialsiedlung näher kennen.
    Durch Medienstationen lernen Fuggerei-Besucher in den neuen Museen einige Bewohner der Sozialsiedlung näher kennen.

    Um so viele Informationen wie möglich zu vermitteln, wurden die neuen Museen mit Medienstationen ausstaffiert. Per Fingertipp auf einen Monitor erzählen Fuggereibewohner, warum sie hier sind, wie der Alltag in der Fuggerei abläuft und wie es ist, in einer touristischen Sehenswürdigkeit zu leben. Die meisten kommen mit dieser Tatsache gut zurecht, wissen sie doch, dass Touristen das Leben der Bewohner sichern: Bis zu einem Viertel aller Einnahmen der Stiftungen generiert sich durch die Eintrittspreise, der Rest kommt aus der Wald- und Forstwirtschaft. Das Geld wird in den Erhalt der 67 Reihenhäuser reinvestiert. Im Lauf der Jahre bekamen die Wohnungen eine moderne Heizung, Stromanschlüsse, neue Fenster. „Auch wer bedürftig wird, hat ein Recht auf gewisse Standards“, sagt Gabler.

    Die Wartezeit für die Fuggerei beträgt bis zu vier Jahre

    Wer heute das Wohnrecht in der Fuggerei beantragt, muss zwischen zwei und vier Jahre warten, bis es gewährt wird. Die Voraussetzungen sind dieselben wie vor 500 Jahren: Die Fuggereibewohner müssen Augsburger sein, katholisch und bedürftig. Kurz nach dem Krieg waren die Wartezeiten bedingt durch die große Wohnungsnot länger: „Manche mussten bis zu 15 Jahre warten, bis sie einziehen durften“, hat Sigrid Gribl im Zuge der Recherchen erfahren. Und: Lange Zeit durften nur Menschen einziehen, die über 55 Jahre alt waren und einen Partner bzw. Familie hatten. Oft kam es dann zu bedauernswerten Entwicklungen: „Eine Frau wartete über zehn Jahre auf die Genehmigung, in die Fuggerei zu ziehen. In der Nacht vor dem Umzug starb ihr Mann, wohl aufgrund der Aufregung.“ Weil die Frau somit Witwe war, war ihr Recht auf ein Leben in der Fuggerei verwirkt. Es sind solche und andere Geschichten, die bei einem Fuggereibesuch bislang gar nicht bekannt wurden oder nur gestreift werden konnten. Viele auswärtige Gäste – ein Großteil aus Italien, den USA und Asien – haben nur wenig Zeit für einen Besuch. In den Museen erfahren sie die wichtigsten Dinge im „Schnelldurchlauf“. Wer mehr Zeit investieren will, kann sich auch tagelang beschäftigen. „Vor allem für Augsburger, die mit einer Jahreskarte mehrfach kommen können, ist künftig eine intensivere Auseinandersetzung möglich“, sagt Gabler.

    Erarbeitet haben sie und Gribl das neue Museumskonzept auch mit den Augsburger Gästeführern. Schließlich sind sie es, die die Gruppen Tag für Tag durch die älteste Sozialsiedlung führen, um ein Phänomen zu erklären, das seit fast 500 Jahren Bestand hat.

    Info: Die Fuggereimuseen werden am Sonntag, 15. September, eröffnet. Start ist um 11.30 Uhr mit einem Festakt im Goldenen Saal, dann geht es in die Fuggerei, wo es einen Mittagsimbiss gibt. AZ-Leser, die an diesem Empfang für geladene Gäste teilnehmen wollen, können sich unter lokales@augsburger-allgemeine.de bis Donnerstag, 12. September, an die Lokalredaktion wenden. Wir vergeben exklusiv 50 Mal zwei Plätze für die Museumseröffnung.

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Nicole Prestle: Fuggerei: Zwischen Heim und Attraktion

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