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Augsburg: Was Augsburg anpacken muss: OB Kurt Gribl im großen Interview

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Was Augsburg anpacken muss: OB Kurt Gribl im großen Interview

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    Oberbürgermeister Kurt Gribl während des Interviews mit unserer Zeitung. Er spricht über die Aufgaben, die es für die Entwicklung der Stadt anzupacken gilt.
    Oberbürgermeister Kurt Gribl während des Interviews mit unserer Zeitung. Er spricht über die Aufgaben, die es für die Entwicklung der Stadt anzupacken gilt. Foto: Silvio Wyszengrad

    Augsburg wächst. Wie soll sich die Stadt weiterentwickeln? Was sagen Sie als Oberbürgermeister?

    Kurt Gribl: Alles, was wir bisher gemacht haben an größeren Projekten und Strukturen, steht in einem inneren Zusammenhang. Augsburg muss sich ganzheitlich entwickeln. Es geht nicht darum, einzelne Leuchttürme zu schaffen, auf die man verweisen kann. Die einzelnen Maßnahmen müssen aufeinander abgestimmt sein. Es hilft nichts, nur die Wirtschaft zu fördern, etwa bei Messe, Kongresshalle oder Technologiezentrum. Man muss gleichzeitig darauf schauen, dass die Bildung mitwächst, darum hier ein Förderprogramm. Wir wollen bis 2030 rund 300 Millionen Euro in die Schulen investieren. In einer weiteren Säule muss ich schauen, wo ich Entlastungen bei Verpflichtungen hinbekomme. Die Staats- und Stadtbibliothek ist ein Beispiel, die Uniklinik, aber auch finanzielle Entlastungen vom Bund im Sozialbereich bei den Kosten der Unterkunft. An allen Stellschrauben muss gedreht werden. Da gehört die Kultur dazu, und das Thema Sport, das wir auch strukturiert angehen wollen mit einem Programm.

    Stichwort Kitas und Schulen: Reichen die Kapazitäten?

    Gribl: Es besteht Handlungsbedarf, aber nicht akut. Wir konnten die Versorgung mit Betreuungsplätzen sicherstellen, wir müssen aber auch sehen, dass wir eine Zunahme an Geburten haben. Darum muss man nachziehen. Im Westen haben wir bei der Erweiterung der Grundschule Kriegshaber die Reese-Flächen berücksichtigt. Aber wenn die Stadt sich weiterentwickelt, wird die Aufgabe nie erledigt sein. Die Frage ist, wie hoch der Berg ist, den man vor sich herschiebt. Den sollte man möglichst klein halten.

    Sprechen wir über den Verkehr. Da gab es eine überraschende Wendung bei der Trasse für die Linie 5, als man kurzfristig von der favorisierten Hessenbachstraße auf die Holzbachstraße umschwenkte. Jetzt steht ein Bürgerbegehren im Raum. Im Nachhinein: Würden Sie den Bürgerbeteiligungsprozess als geglückt bezeichnen?

    Gribl: Grundsätzlich ja, in einem speziellen Aspekt nicht. Die Workshops waren richtig. Bei einem Infrastrukturprojekt gibt es immer Betroffenheiten: Je nachdem, wo eine Trasse verläuft, melden sich halt unterschiedliche Gruppen zu Wort. Trotzdem war es wichtig, diesen Prozess stattfinden zu lassen, weil wir so Erkenntnisse gewinnen konnten, die wir ins Verfahren eingearbeitet haben. Das Problem ist: Am Ende schauen wir – jetzt nur – auf das kleine Teilstück zwischen dem Bahnhofs-Westportal und der Ackermann-Straße, dabei haben wir die gesamte Linienführung im Verfahren gehabt und die Erkenntnisse eingearbeitet. Er ist insoweit nicht geglückt, als die Besetzung der Workshop-Beteiligten eine problematische Struktur hatte.

    Inwiefern?

    Gribl: In jedem Workshop saßen Personen, die einer ganz bestimmten, gemeinsamen Interessengruppe angehören. Damit ist meines Erachtens die Neutralität nicht gewährleistet. Die waren auch bei mir und haben reklamiert, dass die Holzbachstraße als favorisierte Variante nicht oben stand. Damals haben aber die Kriterien nicht dafür gesprochen, dass das die Vorzugsvariante wird. Aber ich habe immer gesagt: Wir sind in einem offenen Verfahren, und wenn noch was anderes rauskommt, werden wir das ändern. Und das haben wir getan. Man kann es einem nicht zum Vorwurf machen, wenn sich in einem offenen Verfahren andere Erkenntnisse ergeben als zum Anfang. Alles andere wäre willkürlich.

    Sehr planvoll wirkt das aber nicht. Sie mussten auf den letzten Drücker eine Verbreiterung der Ackermann-Brücke in Auftrag geben, die 900000 Euro Mehrkosten mit sich bringt. Im Genehmigungsverfahren bei der Regierung von Schwaben könnte aber ja auch herauskommen, dass die Holzbachstraße nicht genehmigungsfähig ist. Es ist ein offenes Verfahren. Falls es am Ende auf die Hessenbachstraße hinausläuft, haben Sie eine sehr breite Brücke, die viel Geld gekostet hat, aber die keiner braucht.

    Gribl: Es ist auch heute nicht so, dass 100-prozentig feststeht, dass die Trasse über die Holzbachstraße geführt werden kann. Die Regierung von Schwaben entscheidet, und die Summe aller Faktoren vom Naturschutz über die Kosten bis zur Belastung der Kreuzungen wird in die Beurteilung einfließen. Das Verfahren wäre eine Farce, wenn ich heute sage, so kommt es. Diese Sicherheit haben wir nicht. Aber die heutigen Erkenntnisse sprechen dafür, dass die Trasse über die Holzbachstraße im Hinblick auf den Naturschutz, vor allem aber auf die Verkehrsabwicklung, die bessere Variante ist. Es wäre ein Witz, wenn wir diese Erkenntnisse haben und dann nicht dafür sorgen, dass es am Ende der Holzbachstraße über die Wertach weitergeht. Was würde die Zeitung schreiben, wenn wir die Ackermann-Brücke einweihen und dann sagen, wir müssen mit der Straßenbahn drüber, hätten sie aber nicht breit genug gebaut. Die Mehrkosten sind zu einem erheblichen Anteil gefördert und damit überschaubar. Sie wären selbst für den Fall, dass die Holzbachstraße nicht als Vorzugstrasse gewählt wird, auch nicht verloren. Wir hätten mehr Raum für Geh- und Radwege. Das wären in keinem Fall verlorene Mehrkosten.

    Warum wollen Sie die Tram? Irgendwie gibt es immer Proteste dagegen.

    Gribl: Es geht darum, dass wir ein riesiges Einzugsgebiet haben mit insgesamt 20000 Leuten, die in den neuen Wohngebieten leben werden. Wir werden die neue Polizeiinspektion an der Ackermann-Straße bekommen, aber vor allem ist die neue Universitätsklinik ein Grund für die Straßenbahn: Rund eine Million Besucher pro Jahr, 5500 Mitarbeiter täglich: Das ist eine Verkehrsbelastung, die vom Umfang her enorm ist. Man muss sich mal vorstellen, was passiert, wenn das alles nur mit dem Auto abgewickelt wird. Das würde nicht funktionieren. Die Linie 5 ist Bestandteil unserer strategischen, innerstädtischen Gesamtverkehrsplanung. Es geht nicht darum, das Auto auszuschließen, aber mehr und mehr zum öffentlichen Nahverkehr zu kommen.

    Wie sehen Sie die Perspektiven im Verkehr in den kommenden Jahren? Und wo bleibt das Auto?

    Gribl: Auf der Straße, nicht auf der Strecke (lacht). Die Osttangente hat eine große Bedeutung. Wenn man sieht, wie stark die Westtangente frequentiert ist, dann ist das eine notwendige Entwicklung. Ansonsten müssen wir innerstädtisch dazu kommen, dass immer mehr über die ,neue‘ Mobilität abgewickelt wird, und das ist das öffentliche Verkehrsangebot. Das wird entsprechend ausgebaut. Es macht keinen Sinn, dass jemand aus Schwabmünchen mit dem Auto etwa zum Klinikum fährt. Er kann künftig am Hauptbahnhof direkt in die Straßenbahn umsteigen. Etwas anderes muss klar sein: Wir werden quer durch die Stadt keine Hauptentlastungsstraßen bekommen. Bypasslösungen sind denkbar, aber die werden kein zusätzliches Verkehrsaufkommen bewältigen können. Wenn es eine Spange oder Sonstiges geben sollte, dann führt dies zur Erleichterung bei der Bewältigung der jetzigen Verkehrskapazitäten und nicht zur Bewältigung von zusätzlichem Verkehr. Deshalb brauchen wir ein anderes System, bei dem die Grundlast vom Öffentlichen Nahverkehr getragen wird.

    Zum Theater. Es kam überraschend, dass vor Baubeginn der Kostenpuffer von über 20 auf unter fünf Millionen Euro zusammengeschrumpft ist. Was lässt die Stadt glauben, mit dem Gesamtbudget hinzukommen?

    Gribl: Es ist nichts zusammengeschrumpft. Das ist die zentrale Botschaft. Wir waren gehalten, die Kosten aufgrund einer Schätzung darzulegen. Dafür ist die Entwurfsplanung maßgeblich. Diese Planung kann zuverlässige Kostenangaben machen für all das, was gesehen wird. Es gibt keine verlässlichen Kostenangaben für das, was man noch nicht weiß, weil das erst späteren Planungsebenen vorbehalten ist. Jede Planungsstufe bringt mehr Erkenntnisse und Kostengenauigkeit. Der Begriff Kostenpuffer war eigentlich auch falsch gewählt.

    Warum falsch?

    Gribl: Es war eine Kostenangabe auf Grundlage des Entwurfs, die man erst im Weiteren konkretisiert hat. Wir haben diese Kostenschätzung nicht aus einer Untersuchung der Bausubstanz heraus vorgenommen, sondern aus einer Parallelbewertung der Sanierung des Münchner Gärtnerplatztheaters. Für die Erfahrungen und Unwägbarkeiten, die bei unserem Großen Haus bestanden haben, stellten wir diesen Kostenblock ein. Diesen Kostenblock haben wir jetzt konkretisiert, und zwar auf der Grundlage weiterer Gebäudeuntersuchungen. Bei zunehmendem Erkenntnisgewinn kommt man jetzt zum Ergebnis, dass diese Summe eigentlich zu hoch war. Wir brauchen voraussichtlich weniger Geld als geplant. Jeder von uns hat die Sorge, dass die Kosten davonlaufen könnten, und darum waren wir vorsichtig. Ich bin froh, dass eine Konkretisierung jetzt dazu führt, dass voraussichtlich weniger Kosten anfallen als zunächst gedacht.

    Bleibt es also bei den 186 Millionen Euro Investitionssumme?

    Gribl: Das wäre eine unprofessionelle Aussage meinerseits. Wir haben jetzt eine Entwurfsplanung, und es folgen eine Genehmigungs- und Ausführungsplanung. Da können sich noch Verschiebungen ergeben. Aber je weiter wir kommen, und wir sehen die Dinge schon detailliert, desto sicherer bewegen wir uns. Die großen Entwicklungen sind nach meiner Einschätzung jetzt im Griff.

    Es kamen zuletzt ja immer neue Summen dazu, etwa 13 Millionen Euro Zinsbelastungen. Bisher wurde das Thema eher kleingeredet. Selbiges gilt für das Thema Baukostensteigerungen.

    Soll sich die Stadt für die Sanierung des Theaters neu verschulden? Mit dieser Frage versuchten Kritiker, das Millionenprojekt zu stoppen. Sie scheiterten.
    Soll sich die Stadt für die Sanierung des Theaters neu verschulden? Mit dieser Frage versuchten Kritiker, das Millionenprojekt zu stoppen. Sie scheiterten. Foto: Anne Wall

    Gribl: Wir versuchen, Kostensicherheit reinzubringen, wo es irgendwie möglich ist. Die Sicherheit besteht in einem ersten Punkt darin, dass wir erst anfangen, wenn wir die Ergebnisse der Ausschreibung von 50 oder 60 Prozent der Bauleistungen haben. Erst dann können wir Sicherheit haben über den Verlauf. Zweiter Punkt: Wir haben daran gearbeitet, bei der Finanzierung Sicherheit zu bekommen. Es wurde im Stadtrat zu Recht gefragt, was passiert, wenn in ein paar Jahren die Kreditzinsen deutlich steigen. Wir haben jetzt einen Weg gefunden, uns die günstigen aktuellen Konditionen zu sichern. Das ist beim Thema Sicherheit ein riesiger Vorsprung. Und bei der Durchführung werden wir darauf achten, dass es nicht kurzfristig noch Änderungen gibt, wenn jemandem noch einfällt, dass man hier und dort noch einen Raum bräuchte. Das ist nämlich bei öffentlichen Bauvorhaben das Einfallstor für Nachforderungen von Baufirmen. So etwas darf uns nicht passieren.

    Hält das Regierungsbündnis bis zum Ende der Periode? Zuletzt gab es Misstöne zwischen den Fraktionen.

    Gribl: Wir haben eine gute Zusammenarbeit und eine gute persönliche Ebene. Da hat sich vieles gefügt. Es ist unkompliziert. Natürlich ist die Bandbreite an Positionen breiter geworden, was aber nicht schlechter ist. Wir haben festgestellt, dass wir bei den wichtigen Entscheidungen für unsere Stadt keine grundlegend unterschiedlichen Auffassungen haben. Das ist eine gute Erfahrung.

    War die Unstimmigkeit in den Fraktionen größer als in der Stadtregierung? Da gab es persönliche Spitzen.

    Gribl: Wir haben unterschiedliche Fraktionen. Es ist doch nicht vorstellbar, dass es kein Thema gibt, bei dem es nicht unterschiedliche Auffassungen gibt. Und ohne die Themen, bei denen es zuletzt Unterschiede gab, geringschätzen zu wollen: Das Wohl der Stadt Augsburg hängt davon nicht ab. Das Entscheidende ist für mich, dass wir bei allen wichtigen Entscheidungen – teils auch nach Ringen – zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen. Und wenn es gar keine Nuancen mehr gäbe, würde ich mir Sorgen machen.

    Das Interview führten Stefan Krog und

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