Wer dachte, dass der Bau der Straßenbahnlinie 6 nach Hochzoll durch die Friedberger Straße mit 1100 Einwendungen vor zehn Jahren schwierig war, der wird bei der Linie 5 vermutlich zum Ergebnis kommen müssen, dass deren Bau sehr schwierig wird. Die ersten Überlegungen für die Tramlinie sind etwa 20 Jahre alt. Seit 2013 wird das Thema forciert angegangen – und irgendwie hat man das Gefühl, dass man noch nicht viel weiter ist.
In dieser Zeit gab es ein munteres Wechselspiel zwischen den favorisierten Trassen. Erst Hessenbachstraße, dann ein offenes Bürgerbeteiligungsverfahren mit drei Varianten, dann am Ende wieder die Hessenbachstraße (gegen das Bürgervotum) und vor einem Jahr das überraschende Umschwenken auf die Holzbachstraße.
Die Trassenfindung in dem dicht bebauten Gebiet rund um den Hauptbahnhof ist tatsächlich nicht einfach. Mal sind Kurvenradien zu eng, bei allen diskutierten Trassen sind Bäume im Weg, Fledermauspopulationen, Anwohnerparkplätze und Verkehrsbelastung an Kreuzungen spielen eine Rolle, ebenso wie Baukosten, Fahrzeiten der Tram, Fahrgastpotenziale und Bürgerproteste.
Vorgehen bei der Linie 5 wirkt sehr beliebig
Doch das bisherige Vorgehen hat dafür gesorgt, dass ein Eindruck der Beliebigkeit entstanden ist: Das Bürgerbeteiligungsverfahren vor fünf Jahren vermittelte die Idee, offen für alle Vorschläge zu sein. Das weckte Erwartungshaltungen bei den Anwohnern, die am Ende nicht eingehalten wurden: Die so genannte Entlastungsstraße als Ausweichmöglichkeit zur Rosenaustraße wird wohl nicht kommen, bei der Trassenwahl spielte das Bürgervotum zunächst keine Rolle mehr, später schwenkten Stadt und Stadtwerke dann doch überraschend um. Das hat einen Präzedenzfall geschaffen, weil sich der Eindruck verfestigt hat, dass die Planung jederzeit änderbar ist – von jeder Interessensgruppe zu jeder Zeit des Verfahrens. Soll die Linie 5 kommen, muss aber irgendwann entschieden werden.
Der neue Vorschlag der Verkehrsexperten Herbert König und Rainer Schnierle, die nun eine neue Variante entwickelt haben, muss trotzdem geprüft werden. Das ist das einzig richtige Vorgehen, denn der Vorschlag hat unbestreitbar einige Vorteile. Der Knackpunkt wird die Leistungsfähigkeit der Kreuzung Rosenau-/Pferseer Straße sein, die für zwei Straßenbahnlinien wohl zu gering ist. Zwischenzeitlich prüfte die Stadt deswegen den Bau einer neuen Autostraße an der oberen Kante der Wertachleite entlang der Bahngleise. Inzwischen ist es um das Projekt , das technisch schwierig, teuer und im Dreierbündnis mit den Grünen auch nie durchsetzbar gewesen wäre, sehr still geworden. Es wäre bei der von der Stadt favorisierten Tram-Trasse auch nicht nötig, weil die stadteinwärts fahrenden Straßenbahnen die Kreuzung gar nicht passieren würden.
Linie 5 in Augsburg: Klagen sind schon absehbar
Doch das Gelbe vom Ei ist der städtische Vorschlag auch nicht – er ist unter den gegebenen Voraussetzungen machbar, bringt aber auch Nachteile mit sich, etwa eine Verlagerung des Autoverkehrs. Eine Klage dagegen ist absehbar, wobei das auch bei allen anderen Varianten passieren kann. Bäume müssen überall gefällt werden, Anwohner sind überall von Lärm und Erschütterungen betroffen.
Und wenn die Kämpfe um die Trassierung in Bahnhofsnähe ausgestanden sind, geht es ja noch weiter. Die Strecke durch die Bürgermeister-Ackermann-Straße ist noch alles andere als im Detail durchgeplant. Klar ist bisher, dass die Straßenbahn in der Mitte der Straße auf einem eigenen Gleiskörper laufen soll und die bisher vier Autospuren erhalten bleiben sollen. Angekündigt ist ein Umbau der Knotenpunkte, der im Fall der B17-Kreuzung Verkehrsverbesserungen bringen soll. Die Überführung müsste dafür aber wohl neu gebaut werden.
Doch der Knoten an der Kriegshaber Straße macht Kopfzerbrechen, weil hier mittelfristig der Verkehrskollaps drohen könnte, wenn auch noch die Tram fährt. Im Gespräch ist eine Verbreiterung der Ackermann-Straße auf sechs Spuren, um die Situation zu entzerren. Das wird einen Neubau der Straße in diesem Bereich samt Verlegung von Gehwegen und vermutlich der Fällung von Bäumen nach sich ziehen. In den bisherigen Kostenschätzungen von 60 Millionen Euro ist das noch nicht mit eingerechnet. Ein Baubeginn in der Ackermann-Straße steht noch nicht fest – wegen der Unwägbarkeiten will die Stadt die Linie 5 in zwei Abschnitten planen, genehmigen und bauen lassen. Wegen der Unwägbarkeiten in der Ackermann-Straße wäre es sonst völlig ausgeschlossen, in Bahnhofsnähe bis 2023 zu Potte zu kommen, was schon unter den jetzigen Gegebenheiten nicht mehr zu garantieren ist.
Warum die Fünfer-Linie trotzdem richtig ist
Trotz all dieser Widrigkeiten sollten Stadt und Stadtwerke an der Linie 5 festhalten. Es bleibt ihnen auch wenig anderes übrig, wenn sie sich die Blamage ersparen wollen, den teuren Bahnhofstunnel nicht nur für eine durchgehende Linie, nämlich die bestehende Linie 3 nach Stadtbergen, gebaut zu haben.
Doch auch abgesehen davon gibt es gute Gründe: Die Uni-Klinik, an der künftig 1500 Studenten zu Ärzten ausgebildet werden, braucht eine leistungsfähigere Anbindung als mit der Linie 2, die durch die Frauentorstraße zuckeln muss, und mit der verspätungsanfälligen Buslinie 32. Mit 17 Minuten Fahrzeit wäre die Tramlinie 5 nicht schneller als der Bus, aber pünktlicher. Das ließe sich natürlich auch mit Busspuren, die in Augsburg noch Exoten sind, bewerkstelligen. Doch die Tram ist leistungsfähiger und auch den Platz für die Busspuren in der Ackermann-Straße können sich die Stadtwerke nicht schnitzen.
Buslinie 32 ist morgens schon jetzt knallvoll
Die Buslinie 32 ist heute schon morgens knallvoll und tagsüber gut gefüllt. Mit den zu erwartenden Wohnbauprojekten am Dehner-Park, dem südlichen Reese-Areal und der Weltwiese an der Carl-Schurz-Straße wird der Bedarf an Nahverkehr an dieser Achse in den Westen der Stadt noch steigen. Und viel mehr Autoverkehr verträgt die Ackermann-Straße zu Stoßzeiten auch nicht. Die Linie 5 ist die richtige Alternative – trotz aller Widrigkeiten.