Manche Blicke aus Augsburg richten sich derzeit etwas neidisch in Richtung München: Dort ist die Sieben-Tage-Inzidenz unter den Wert von 100 gesunken. Bleibt es dabei, dann kann dort schon in wenigen Tagen die Außengastronomie öffnen, ebenso Kinos und Theater. Auch Hotels, Pensionen und Campingplätze dürfen dann ab dem Pfingstwochenende wieder Gäste empfangen. Die Stadt Augsburg ist von der 100er-Marke noch ein ganzes Stück entfernt. Am Montag meldete das Robert-Koch-Institut eine Corona-Inzidenz von 184,1 – damit lag der Wert sogar etwas höher als vor einer Woche. Augsburg steht mit dieser Situation aber längst nicht alleine da. Das zeigt ein Vergleich bayerischer Städte.
Die Landeshauptstadt München steht derzeit mit einer Inzidenz von 84,9 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gut da. Die Gastwirte dort können sich darauf einstellen, dass ab Mittwoch die Außenbereiche wieder öffnen dürfen. Ein Biergartenbesuch am Vatertag scheitert dann höchstens noch am eher durchwachsenen Wetter, das vorausgesagt wird. Noch entspannter sieht es in Passau aus – dort ist der Sieben-Tage-Wert inzwischen auf 24,6 gesunken. Allerdings: Die Unterschiede sind innerhalb Bayerns groß. Es gibt auch eine Reihe von kreisfreien Städte, in denen die Infektionslage aktuell schlechter ist als in Augsburg. Nürnberg gehört mit einer Inzidenz von 222,2 dazu. In der fränkischen Stadt zeigt der Trend derzeit sogar eher wieder nach oben.
Auf der Suche nach Erklärungen für die unterschiedlich hohen Corona-Zahlen gibt es viele Indizien. Konkrete Belege, woran es liegt, sind dagegen rar. Bei der Stadt Augsburg geht man davon aus, dass die Beschäftigungsstruktur eine Rolle spielen dürfte. An einem Produktionsstandort wie Augsburg bestünden weniger Möglichkeiten für Homeoffice, als etwa in München, wo der Dienstleistungssektor stark ausgeprägt sei, heißt es in einer Mitteilung der Stadtverwaltung. Auch in Nürnberg erklärt man sich die höheren Infektionszahlen mit weniger Homeoffice-Möglichkeiten. Die dortige Gesundheitsreferentin verweist auch auf das starke Logistikgewerbe mit seinen Verbindungen unter anderem nach Osteuropa.
Menschen in schlechter bezahlten Jobs haben ein höheres Corona-Risiko
Studien legen inzwischen auch nahe, dass Menschen in schlechter bezahlten, einfachen Jobs ein höheres Ansteckungsrisiko haben – weil auch sie nicht einfach ins Homeoffice wechseln oder sich ausreichend schützen können. Eine von der Stadt in Auftrag gegebene Studie hat im vorigen Jahr festgestellt, dass ein verhältnismäßig hoher Anteil der Angestellten in Augsburg keinen Berufsabschluss hat – er lag demnach bei 12,5 Prozent.
Auswertungen der Stadt Augsburg haben ergeben, dass sich in sozial schwächeren Stadtbezirken seit Beginn der Pandemie tatsächlich mehr Menschen mit Corona infiziert haben. Auch die Uniklinik bestätigt, dass überdurchschnittlich viele Covid-Patienten aus solchen Stadtteilen kämen. Dass in diesen Stadtteilen auch mehr Migranten wohnen, spielt für die Stadt in der Bewertung aber keine entscheidende Rolle. Es sei vor allem die soziale Komponente, die eine Rolle spiele, erklärte zuletzt auch der städtische Sozialreferent Martin Schenkelberg. Aus Sicht des Gesundheitsamtes finden auch vor allem in den Stadtteilen auffällig viele Ansteckungen statt, in denen besonders viele Menschen in einem Haushalt leben.
Die Stadt will deshalb in den betroffenen Stadtteilen noch einmal verstärkt informieren, Testangebote schaffen und auch Impfaktionen anstoßen. Ein Bestandteil sind auch mobile Teams, die im Auftrag der Stadt an verschiedenen Orten in Augsburg Schnelltests anbieten. Am Montag waren die Tester nachmittags im Jugendhaus H2O in Oberhausen, am Dienstagnachmittag sind sie ebenfalls in Oberhausen in der Baitun-Naseer-Moschee und nehmen dort Abstriche. Sahin Luqman von der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde sagt: „Der Ort ist vielleicht auch für alle diejenigen etwas Besonderes, die unsere schöne und moderne Moschee einmal besuchen möchten.“
Corona in Augsburg: Auch ländliche Regionen haben hohe Infektionszahlen
Allerdings: Mit der sozialen Struktur einer Großstadt alleine lassen sich die Corona-Zahlen auch nicht erklären. Schließlich gibt es derzeit auch eine Reihe von ländlich geprägten Kreisen, die bei der Inzidenz ähnlich oder schlechter liegen als die 300.000-Einwohner-Stadt Augsburg. Im Unterallgäu etwa lag der Wert am Montag bei 237,4, in der Stadt Memmingen sogar bei 267,6. Dort erklärt man sich die hohen Wert teils mit speziellen Ausbruchsgeschehen, etwa in einem Seniorenheim. Generell zeigt der Blick auf die Corona-Karte derzeit eine Zweiteilung: In vielen schwäbischen Landkreisen sind die Zahlen relativ hoch, während sich die Lage östlich des Lechs in vielen oberbayerischen Kreisen entspannter darstellt.
Wenn sich nicht überraschend etwas tut bei den Infektionszahlen, dann wird in Augsburg die Außengastronomie wohl erst im Juni öffnen können. Im Gesundheitsamt geht man davon aus, dass die Zahlen weiter nach unten gehen – nur die Geschwindigkeit des von allen herbeigesehnten Abschwungs ist unklar. Am Montag lag der R-Wert für Augsburg bei 0,98. Das bedeutet, dass ein Infizierter im Schnitt knapp eine weitere Person ansteckt – damit steigen die Zahlen zwar nicht, sie sinken aber auch nur sehr langsam.
Zumal zuletzt vom Gesundheitsamt wieder vermehrt Ansteckungen innerhalb von Familien beobachtet worden sind. Schönes Wetter wie am vergangenen Wochenende, warnt Dr. Thomas Wibmer vom Gesundheitsamt, dürfe einen nicht zur Sorglosigkeit bei privaten Treffen verleiten. Im Freien sei das Risiko, sich anzustecken, zwar geringer als in geschlossenen Räumen – aber nur, wenn man sich auch draußen an die Hygiene- und Abstandsregeln halte.
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