Die meisten Berufstätigen dürften die Bedeutung des Sprichwortes "Nicht geschimpft ist genug gelobt" am eigenen Leib erfahren haben. Anerkennende Worte fallen viel seltener als Tadel. Die Mitarbeiter des Augsburger Impfzentrums hingegen können sich regelmäßig über "verbale Streicheleinheiten" freuen, sei es im Gespräch mit erleichterten Patienten, in Form von Leserbriefen an unsere Zeitung oder als Post direkt ans Impfzentrum. Dankesfaxe und handgeschriebene Briefe sind dort im Verwaltungstrakt an eine Tafel gepinnt, die von den Verantwortlichen scherzhaft "Lobeswand" genannt wird. Dass das Impfen von täglich 1000, 2000 oder theoretisch sogar 3000 Personen wie am Schnürchen klappt, ist eine Gemeinschaftsleistung. Insgesamt sind am Impfzentrum, das von der Bäuerle-Ambulanz im ehemaligen Fujitsu-Werk in Haunstetten betrieben wird, rund 400 Menschen im Einsatz - pro Tag etwa 120 Frauen und Männer. Wir stellen acht von ihnen vor.
Emre Güclüs Arbeitsplatz befindet sich am Empfang, der ersten Station nach dem Parkplatz. Dort wirft der 25-Jährige einen Blick auf die Impfberechtigung der Wartenden, misst ihre Temperatur oder lädt sie zu einer kleiner Spritztour mit dem Golf-Caddy ein. Durch das zunehmend jüngere Publikum würde dieses Serviceangebot mittlerweile seltener in Anspruch genommen, sagt Güclü fast ein wenig bedauernd.
Augsburgs Impfzentrum als Sprungbrett zum Notfallsanitäter
Die kurze Fahrt zum Gebäude und der Kontakt zu den Menschen machen dem gelernten Einzelhandelskaufmann und Koch sichtlich Freude. Für den Job hat er sogar seine bisherige Arbeit aufgegeben. "Ich wollte schon immer Blaulicht fahren", verrät er. Seine neue Tätigkeit ermögliche es ihm, in dieses Metier hineinzuschnuppern und seinem Traum - eine Ausbildung zum Notfallsanitäter - einen großen Schritt näherzukommen.
Güclüs Passagierin ist am Haupteingang des Impfzentrums angekommen, wo Andre Wessels die Personenströme lenkt, das korrekte Tragen der FFP2-Masken kontrolliert und freundlich aufs Händedesinfizieren mit den bereitgestellten Spendern erinnert. Auch wenn der 42-jährige Security-Chef oft im Zug steht, hat er Freude an dem Job an der frischen Luft. "Hier haben wir es mit der kompletten Bandbreite der Gesellschaft zu tun, es wird nie langweilig." Die meisten Besucher seien sehr diszipliniert. "Nur manche kommen viel zu früh oder wollen sogar ein paar Tage zuvor einen Probelauf machen und sind dann sauer, wenn ich sie nicht hineinlasse", erzählt Wessels.
Wer vor Monika Wolf (oder ihren Kollegen) in der Anmeldung links neben dem Eingang Platz nimmt, hat das Sicherheitspersonal erfolgreich passiert. Die 30-Jährige kontrolliert den Personalausweis der Patienten, geht die Angaben des Impfbogens durch und stellt die eine oder andere Rückfrage, wenn das Formular nicht vollständig ausgefüllt sein sollte oder die korrekte Angabe besonders wichtig ist. "Die Einnahme von Blutverdünnern etwa fragen wir lieber doppelt nach." Wolf ist im März als Verwaltungsmitarbeiterin zur Bäuerle-Ambulanz gestoßen und froh, "hier eine sinnvolle Arbeit" gefunden zu haben. Wegen Corona herrsche in ihren bisherigen Jobs in der Hotellerie und der Logistik Flaute.
Während die Patienten eine Nummer ziehen und im Wartebereich Platz nehmen, werden im dritten Stock die Spritzen vorbereitet. Wo sich der Verwaltungsbereich des Zentrums befindet ist auch der Arbeitsplatz von Viktoria Sowa. Die 23-Jährige ist im Labor für die Zubereitung des Impfstoffs zuständig. "Wir ziehen die Impfstoffe so spät wie möglich auf, sie sind danach bis zu sechs Stunden haltbar", informiert Sowa. Eine "ruhige Hand und ein gutes Auge" sind für diese Millimeter- oder besser - Milliliter-Arbeit vonnöten.
Nur ein paar Tropfen sind für die Corona-Impfung nötig
Denn nur 0,3 Milliliter mit Kochsalzlösung verdünnter Impfstoff - das sind ein paar Tropfen - dürfen vom Vakzin des Herstellers Biontech/Pfizer in die Spritze gelangen. Nach einem Arbeitstag habe sie oft den ganzen Abend die Zahl 0,3 im Kopf, sagt die junge Frau lachend. Doch das nimmt die Friedbergerin gerne in Kauf, denn mit dem Job im Labor kann Sowa nach dem Studium die Zeit bis zum Start in ihren Beruf ideal überbrücken. "Ich bin noch zu jung, um als Osteopathin arbeiten zu dürfen."
Wenn die 23-Jährige mit mehreren aufgezogenen Spritzen auf einer Schale ihr Labor verlässt, um mit dem Aufzug in eines der darunterliegenden Stockwerke zu fahren, könnte Kay Rehermann der Auslöser gewesen sein. Als "Impfstoffkoordinator" ist er das Bindeglied zwischen dem Labor und den Impfzimmern. Er muss mit einem Anruf dafür sorgen, dass dort immer genug und auch das richtige Vakzin bereitliegt. Darüber hinaus sorgt der 47-jährige gelernte Krankenpfleger für steten Patientennachschub in den Zimmern. Kaum dass ein Impfling den Raum verlässt, tritt schon der nächste ein. 20 bis 30 Impfungen pro Stunde in einem Raum seien dadurch möglich.
Der Aufenthalt in dem kleinen, durch Messe-Bauelemente abgeteilten Zimmer kann auch mal etwas länger dauern. Etwa, wenn sich zwischen Impfarzt Edwin Krebs und dem Patienten eine intensivere Unterhaltung anbahnt. Der Mediziner teilt sich mit seinen diensthabenden Kollegen die vorgeschriebenen Beratungsgespräche vor dem Piks und pendelt dafür zwischen zwei bis drei Zimmern hin und her. Der frühere Anästhesie-Chefarzt der Wertachklinik in Bobingen, der inzwischen freiberuflich tätig ist, scheint seine neue Aufgabe zu genießen. "Die Leute kommen angespannt herein und gehen glücklich wieder hinaus", schildert der 70-Jährige ein typisches Szenario. Glücklich ist Krebs auch, weil durch die Massenimpfung Tag für Tag mehr Menschen vor schweren Krankheitsverläufen geschützt würden.
Helfer im Augsburger Impfzentrum halten manchmal auch Händchen
Dass dennoch manche vor der Nadel Bammel haben, bleibt dem Arzt nicht verborgen. Manchmal lenkt er daher ängstliche Patienten mit ein paar Fragen ab, damit sie gar nicht merken, wie Hermann Väth aus dem Team des medizinischen Fachpersonals zum Piksen ansetzt. Den 58-jährigen Notfallsanitäter kann man mit Fug und Recht als "Bäuerle-Urgestein" bezeichnen. In der Corona-Krise wechselte er zunächst ins Testzentrum und war schon beim Impfen in den Altenheimen und in den Schnelltest-Stationen im Einsatz. Dank seiner Berufserfahrung merkt der Mann mit der stattlichen Statur schnell, wenn er es mit einem supernervösen Impfling zu tun hat. "Dann halte ich auch mal Händchen", verrät Väth. Dabei spürten viele den Piks mit der dünnen Nadel überhaupt nicht.
Rasch klebt der 58-Jährige dem älteren Mann noch ein Pflaster auf die Einstichstelle am Oberarm. Dann begibt sich der Geimpfte in den Nachbeobachtungsraum, wo eine 15-minütige Ruhezeit empfohlen wird. Sabine Weggel hat an diesem Nachmittag die Frauen und Männer auf den Stühlen im Blick. "Sollte es jemandem nicht gut gehen, rufe ich einen Arzt." Mit Anzeichen von Unwohlsein wird die 55-Jährige jedoch wesentlich seltener konfrontiert als mit Fragen nach dem Ausgang oder der Bitte, ein Taxi zu rufen. "Viele verabschieden sich dankbar, wenn sie gehen", freut sich Weggel. Mit etwas Glück wartet draußen bereits Emre Güclü, um einen frisch Geimpften mit dem Caddy zum Empfang beim Parkplatz zurückzubringen.
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