"Die Stadt hat nur noch die Radfahrer im Blick." Diese Kritik bekommt Michael Müller von Besucherinnen und Besuchern des Hermanfriedhofs immer wieder zu hören. Sie sind alles andere als glücklich über die Fahrradstreifen in der Hermanstraße, denen rund 30 Parkplätze weichen mussten. Friedhofsgänger beklagen, man habe kaum noch Möglichkeiten, mit dem Auto anzuhalten, um Pflanzen und Blumenerde anzuliefern oder jemanden aussteigen zu lassen. Gerade Senioren, die nicht mehr gut zu Fuß sind, stünden vor einem Problem. "Die Älteren sind die Leidtragenden", bestätigt Friedhofsverwalter Müller. Eine Entwicklung schmerzt ihn besonders.
In den zurückliegenden Monaten sei bei Grabauflösungen immer wieder die bescheidene Parkplatzsituation als Grund genannt worden. Dem 49-jährigen Geschäftsführer der katholischen Gesamtkirchengemeinde bereitet dies Sorge. Zwar sei er guter Dinge gewesen, als in der angrenzenden Ladehofstraße, quasi ums Eck am Bahnhofsgelände, auf der einen Straßenseite Parkbuchten entstanden. Mit einer Parkscheibe habe man für eine Stunde parken können. "Für Friedhofsbesucher war das ideal. Aber kurz vor Allerheiligen wurde das leider geändert." Nun könne man gegen Gebühren dort zwei Stunden lang sein Auto abstellen. Dies würden nun viele für Einkäufe nutzen. Friedhofsgänger hätten einmal mehr das Nachsehen. Auch in Arztpraxen spürt man Auswirkungen der Fahrradstreifen.
Leiter einer Arztpraxis: "Logistisch ist es mitunter schwierig"
"Keine Parkmöglichkeiten mehr in der Hermanstraße", steht in signalroter Farbe auf der Homepage der Radiologischen Privatpraxis H15 geschrieben. Auf der Internetseite wird gebeten, genügend Zeit zwischen Parkhaus oder Haltestellen und der Praxis einzuplanen. In der Ärzteschaft herrsche Verständnis für die Verkehrswende, sagt Adriano Albanese, kaufmännischer Leiter der Radiologie. "Aber logistisch ist es mitunter schwierig. Wir haben auch Patienten mit Bänderrissen oder kaputten Knien." Albanese fände es ideal, wenn Patienten irgendwo die Möglichkeit hätten, sicher aus dem Auto zu steigen. "Viele werden ja von ihren Angehörigen gebracht." Das sei nun mit den Radwegen für alle Beteiligten gefährlich.
Im Juni dieses Jahres hatte der Stadtrat beschlossen, die Fahrradstreifen versuchsweise für ein Jahr zu installieren. Zehn Stimmen, darunter die Fraktion Bürgerliche Mitte und die AfD, richteten sich dagegen. Bei den befürwortenden Parteien ist man nach wie vor überzeugt. "Es wurden ja schon Kompromisslösungen gemacht", sagt Peter Rauscher, Fraktionsvorsitzender der Grünen, in Hinblick auf die neuen Parkmöglichkeiten in der Ladehofstraße. Zudem befinde man sich noch im Versuch und sammle Erfahrungen. "An der einen oder anderen Stelle wird sicherlich noch nachjustiert." Er wolle die Bedenken der Friedhofsbesucher nicht abtun", versichert Florian Freund, Vorsitzender der Sozialfraktion. Aber man dürfe nicht den gesamten Radweg verdammen. Die Fahrradstreifen seien ein wichtiges Signal für das Projekt Fahrradstadt, so Freund. Der Versuch ist auf die Zeit von einem Jahr angelegt, betont CSU-Fraktionsvorsitzender Leo Dietz. "Wir müssen erst auf die Auswertung der Ämter warten, dann können wir mit den Versuchsergebnissen operieren." Kritik kommt nach wie vor von der Bürgerlichen Mitte.
Verwalter des Hermanfriedhofs wünscht sich Kompromisse
"Unsere Bedenken haben sich bewahrheitet", meint Fraktionsvorsitzender Hans Wengenmeir. Anlieger und Kunden oder Patienten seien vor vollendete Tatsachen gestellt worden und nun Leidtragende. Friedhofsverwalter Michael Müller hat vor allem die älteren Menschen im Blick. Er nehme bei ihnen eine massive Enttäuschung wahr, dass Friedhofsbesucher scheinbar keine Wertigkeit mehr hätten. Müller will die Radstreifen nicht kritisieren, wünscht sich aber weitere Kompromisse.
Einer davon wäre in seinen Augen, den Fahrradstreifen stadteinwärts in das angrenzende Wohnviertel zu verlegen. So könnten zumindest auf einer Seite der Hermanstraße Parkplätze entstehen. Am Friedhof selbst stellt die Verwaltung seitdem an den Eingängen eine Art Schubkarren zur Verfügung. "Man kann sie ausleihen und Blumenerde zwischen Auto und Friedhof transportieren", erklärt Müller. Damit wolle er das Problem etwas entschärfen. Müller gibt zu bedenken, dass es vielen Menschen wichtig sei, Gräber aufzusuchen. "Die Gesellschaft besteht nicht nur aus Fahrradfahrern."