Voraussichtlich in der Nacht auf Freitag wird es wieder mal soweit sein: Mehr als zehn Liter Regen pro Quadratmeter sind in den Nachtstunden vorhergesagt. Das ist nicht besonders viel im Vergleich zu den Sturzregen, die es in diesem Sommer schon häufiger gab, aber ohne Kanalisation würde das Regenwasser dann am Freitagmorgen auf Straßen und Plätzen überall mehr als einen Zentimeter hoch stehen. Was bei jedem einzelnen Gulli als überschaubares Rinnsal nach unten plätschert, führt im städtischen Kanalnetz, wo sich alles Wasser sammelt, bei solchen Ereignissen zu einer Sturzflut.
Zum normalen Abwasser aus Haushalten und Firmen, das die Kanalisation spielend schafft, kommt noch ein Vielfaches an Regenwasser von Straßen und Hausdächern. „Dann steht in manchen Kanälen das Wasser bis obenhin“, so Peter Haller, der bei der Stadtentwässerung für das Kanalnetz verantwortlich ist. Allerdings sei die Augsburger Kanalisation auch für Starkregen gut ausgestattet. In diesem Sommer muss die städtische Kanalisation Schwerstarbeit verrichten. Der Sommer ist regnerisch, vor allem aber gab und gibt es heftige Gewitter mit hohen Niederschlagsmengen innerhalb kurzer Zeit. Teils gehen sie auch nur über Teilen des Stadtgebiets nieder. Momentan sei es ein ständiges Austarieren zwischen dem Bewältigen von neuen Niederschlägen und dem Ableiten von zwischengespeichertem Regenwasser, so Jochen Schindele, der für den Betrieb des Kanalnetzes verantwortlich ist.
Zum Vergleich: Während bei Trockenheit im städtischen Klärwerk an der Grenze zu Gersthofen rund 1800 Liter Abwasser pro Sekunde ankommen, wären es bei einem starken Regen, der das Stadtgebiet gleichmäßig trifft, 200.000 Liter pro Sekunde – rein theoretisch. Faktisch schaffen das weder Klärwerk noch Kanalisation. Die Kapazität der Kläranlage ist bei 5000 Liter Abwasser pro Sekunde erreicht. Der Rest des Abwassers – eine Mischung aus Haushaltsabwasser und Regenwasser – ging bei starkem Regen früher komplett ungeklärt in Lech und Wertach. An rund 35 Stellen gibt es Auslässe aus dem Kanalnetz, die in die Uferböschungen betoniert sind und mit denen die Kanalisation entlastet werden kann.
Unwetter in Augsburg: Stadt behilft sich auch mit Überläufen in die Flüsse
Mit solchen Überläufen behilft sich so gut wie jede Stadt. „Als ich in den 1980er Jahren bei der Stadtentwässerung angefangen habe, fand man in der Nähe der Überläufe auf Kiesbänken noch Hygieneartikel, die in die Toilette gespült worden waren“, so Haller. „Diese Hinterlassenschaften sind inzwischen kein Thema mehr“, sagt Haller. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten versenkte die Stadt nämlich um die 150 Millionen Euro im Untergrund. Inzwischen gibt es 16 Speicher, die um die 70 Millionen Liter Abwasser zurückhalten können, wenn es regnet. Teils sind es tiefgaragengroße Becken, die bei Regen bis zur Decke volllaufen. Dort wird das Wasser zwischengespeichert und das Überlaufwasser in Lech und Wertach mechanisch gereinigt, bis der Regen nachgelassen hat. Anschließend wird der Rest des gespeicherten Wassers in die Kanalisation geleitet.
Früher gingen laut Haller pro Jahr um die sieben Milliarden Liter Abwasser pro Jahr in die Flüsse, inzwischen wurde die Menge halbiert. „Und das Wasser, das wir dennoch ausleiten, weist inzwischen nur noch die Hälfte an Schadstoffeintrag auf“, so Haller. Die Becken sind nämlich so konstruiert, dass sich alle Sinkstoffe auf dem Beckengrund absetzen und dann im Normalbetrieb kontrolliert in die Kläranlage geleitet werden, statt in Lech und Wertach gespült zu werden. Nach jedem starken Regen werden die Becken von Mitarbeitern der Stadtentwässerung inspiziert. Aktuell, so Schindele, seien die Trupps mitunter täglich unterwegs. Die organischen Bestandteile im Abwasser sind bei Regen nicht das größte Problem. Wenn es länger trocken war und dann ein Regenguss die Straßen sauber wäscht, schwemmt es feinen Reifenabrieb oder Staub von Bremsbelägen mit in die Kanalisation. Gerade in der ersten Welle, die sich nach einem Regen in der Kanalisation aufbaut, gebe es mitunter hohe Konzentrationen. „Da sind die Becken immens hilfreich“, so Haller. Hier finde eine Vorklärung statt, die auch für solche feinen Sinkstoffe und angelagerte Schwebstoffe hilfreich sei.
Die Stadt Augsburg sieht sich für Starkregen gut gerüstet
Grundsätzlich, so Haller, sei das städtische Kanalnetz auf Starkregenereignisse gut vorbereitet. Dass es, wie vor einigen Wochen in Haunstetten und Göggingen, dennoch zu vollen Kellern nach extremen Starkregenereignissen kommt, seien Einzelfälle. Prinzipiell weist die Stadt darauf hin, dass Kanäle so konstruiert seien, dass sie bei sehr starkem Niederschlag auch rückstauen können. Dann steigt das Abwasserniveau in den Zuleitungen bis zur Straßenoberkante, der satzungsgemäßen Rückstauebene. In diesem Fall hilft eine Rückschlagklappe oder Hebeanlage im Hausanschluss, die verhindert, dass zum Beispiel aus dem Waschmaschinenanschluss im Keller Abwasser heraussprudelt. Für Einbau und Wartung sind Hauseigentümer selbst verantwortlich.
Allerdings steht nach starkem Regen auch auf manchen Straßen das Wasser. Dann sind es mitunter verstopfte Gullis, die den Abfluss verhindern. Die Stadt hat die Reinigung vor einigen Jahren an eine Privatfirma vergeben, die die Sinkkästen von Laub und Kehricht befreit. Steht zum Beispiel aber gerade ein geparktes Auto auf dem Gulli, fällt die Reinigung aus.
Insgesamt misst das Kanalnetz in Augsburg um die 640 Kilometer. Entsorgt wird das Abwasser von etwa 325.000 Bürgern – hinzu kommt noch einmal die selbe Menge aus Gewerbe und Industrie. Auch aus Umlandstädten wie Königsbrunn, Stadtbergen und Friedberg wird das Abwasser zum Augsburger Klärwerk geleitet. Langfristig setzt die Stadtplanung inzwischen darauf, Regenwasser von Dächern und Straßen in Neubaugebieten nicht mehr in die Kanalisation zu leiten, sondern vor Ort zu versickern. Das soll die Kanalisation entlasten und auch eine Reaktion auf den Klimawandel mit heißeren Sommern sein.