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Foto: Silvio Wyszengrad
Foto: Silvio Wyszengrad

Rund 270.000 Patienten werden jährlich am Augsburger Uniklinikum behandelt.

Augsburg
17.03.2021

Uniklinik zu Kritik einer Witwe: Es gibt keinen absoluten Schutz vor Corona

Von Ina Marks

Eine Frau kritisiert, dass sich ihr Mann erst in der Uniklinik mit Covid-19 infiziert habe und daran gestorben sei. Was das Klinikum dazu sagt und was die Witwe massiv stört.

55 Jahre lang waren Gerlinde B. und ihr Mann miteinander verheiratet. Anfang Februar ist der 78-Jährige an Corona verstorben. Wie die Rentnerin erzählt, war ihr Mann wegen einer schweren Krebserkrankung in die Augsburger Uniklinik gekommen. Er sollte dort operiert werden. Doch zum Eingriff kam es nicht mehr. Der Senior starb im Klinikum offenbar an den Folgen von Corona. Die 74-jährige Witwe ist davon überzeugt, dass er sich erst in der Uniklinik mit Covid-19 infiziert hat. Am Klinikum selbst schließt man trotz strenger Infektionsschutzmaßnahmen grundsätzlich nicht aus, dass es dort zu Ansteckungen kommen kann.

Das Universitätsklinikum Augsburg (UKA) gilt als eine der größten Kliniken in Deutschland und ist als Krankenhaus der höchsten Versorgungsstufe ein sogenannter Maximalversorger. Jährlich werden hier insgesamt rund 270.000 Patienten versorgt. Seit Ausbruch der Pandemie seien bislang am UKA rund 1600 Patienten mit einer Covid-19-Infektion behandelt worden, berichtet der Ärztliche Direktor Prof. Dr. Michael Beyer. "Bedauerlicherweise sind circa 300 Covid-19-Patienten in unserem Haus verstorben." Ob sich ein Patient erst in der Klinik mit dem Virus infiziert hat, lässt sich dabei offenbar schwer prüfen.

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Foto: Klaus Rainer Krieger
Foto: Klaus Rainer Krieger

Prof. Dr. Michael Beyer ider der Ärztliche Direktor der Augsburger Universitätsklinik.

Uniklinik Augsburg: Vor der Aufnahme ein negativer Corona-Test

Der Ärztliche Direktor weist darauf hin, dass alle Patienten vor der stationären Aufnahme einen negativen Coronatest vorlegen müssen. "Allerdings haben wir immer wieder gesehen, dass es Patienten gibt, die ein falsch-negatives Ergebnis aufweisen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass bei Aufnahme der Test zwar negativ war, der Patient sich aber in der Inkubationszeit befand", erklärt Beyer. Natürlich habe man leider auch Mitarbeitende, die sich außerhalb oder im Haus infiziert haben und damit potenziell ansteckend waren, ergänzt der Ärztliche Direktor. Inwieweit der schwere Krankheitsverlauf an und für sich oder die im Krankenhaus erfolgte Covid-Infektion ursächlich für das Ableben der Patienten verantwortlich sei, lasse sich im Nachhinein nur schwer klären. "Hier muss jeder Fall individuell bewertet werden."

Für Gerlinde B. steht fest, dass sich ihr Mann erst im Klinikum angesteckt hat. Weder sie noch der Sohn, mit denen der 78-Jährige ausschließlich in Kontakt gestanden sei, hätten Corona gehabt. Außerdem sei ihr Mann vor seiner Aufnahme im UKA negativ getestet worden. "Er lag dann zusammen mit einem Mann im Patientenzimmer, der viel gehustet hat", berichtet die Friedbergerin, die ihren vollständigen Nachnamen lieber nicht veröffentlicht haben will. Dann sei der Zimmernachbar plötzlich weg gewesen. "Mein Mann erzählte mir am Telefon, er habe diesbezüglich irgendwas mit Corona gehört." Zwei Tage später sei bei ihm selbst eine Corona-Infektion festgestellt worden. Für den Mann, der an Darmkrebs erkrankt war und dessen Leber laut Gerlinde B. bereits mit Metastasen befallen war, hatte das offensichtlich schwerwiegende Konsequenzen. "Ich merkte am Telefon, dass er immer schwächer wurde."

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Über was sich Gerlinde B. am Uniklinikum empörte

Gerlinde B. und der gemeinsame Sohn durften erst in die Klinik, als der 78-Jährige im Sterben lag. Sie nahmen Abschied. Was die Ehefrau vor dem Haupteingang des Krankenhauses nach eigenen Angaben beobachtet hat, macht sie jetzt immer noch wütend. "Da saßen Patienten mit ihren Infusionsflaschen draußen auf den Bänken, rauchten und trafen sich mit Freunden. Abstand wurde da nicht eingehalten", kritisiert sie. Sie habe sogar gesehen, wie ein Patient und ein Besucher aus einer Bierflasche getrunken hätten. "Und danach gehen die Patienten wieder zurück ins Klinikum und keiner weiß, ob sie sich infiziert haben," sagt sie empört. "Aber meinen schwer kranken Mann durfte ich die ganze Zeit über nicht besuchen."

Mit der Beobachtung konfrontiert, antwortet der Ärztliche Direktor: "Unser ärztliches Selbstverständnis gebietet uns, alle Patienten eindringlich auf die Risiken des Nikotin- und Alkoholkonsums hinzuweisen. Es steht jedoch nicht in unserer Macht, durch Zwangsmaßnahmen die Patienten von ihren Lastern abzuhalten." Ein Klinikum der Größenordnung behandle jährlich rund 90.000 stationäre und 180.000 ambulante Patienten. "Zudem beschäftigt unser Haus rund 6000 Mitarbeiter." Die Anzahl der Besucher, die ebenfalls in die Tausende gingen, seien in den letzten Jahren nicht erfasst worden. "Dass hier durch dieses hohe Bewegungsvolumen eine Ansteckungsgefahr gegeben ist, lässt sich nicht ableugnen."

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Hygienemaßnahmen am  Augsburger Universitätsklinikum verschärft

Vereinzelt war es in den vergangenen Monaten zu Corona-Ausbrüchen im Haus gekommen. Wie Beyer berichtet, wurden dann die Hygienemaßnahmen nochmalig verschärft, die Teststrategie angepasst und ein zeitlich befristeter Aufnahmestopp für Patienten mit aufschiebbaren Behandlungen verhängt. "Alle Maßnahmen wurden mit dem Gesundheitsamt und dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit engmaschig abgestimmt und konsentiert." Bedauerlicherweise seien, so Beyer, in einem Großkrankenhaus und Klinikum der Maximalversorgung interne Ansteckungsquellen auch unabhängig von Covid-19 nicht zu vermeiden. Trotzdem sei es ihre Aufgabe, alle Patienten, auch etwa die mit Tuberkulose oder anderen schwerwiegenden, ansteckenden Krankheiten zu behandeln. Dafür gebe es eine speziell geschaffene Infrastruktur. "Es wäre fatal, diesen Patienten die Therapie zu verweigern, weil in keinem Krankenhaus der Welt ein hundertprozentiger Ansteckungsschutz gegeben ist", ist der Ärztliche Direktor überzeugt.

Für Gerlinde B. ist dies freilich alles kein Trost. Die Witwe sagt, sie wisse natürlich, dass ihr Mann aufgrund der fortgeschrittenen Krebserkrankung nicht mehr gesund geworden wäre. Aber sie ist nach wie vor entsetzt über die Situation, die sie vor der Klinik beobachtet habe.

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