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Augsburg: Traurig, festlich, anders: Wie Augsburger "Corona-Weihnachten" erlebten

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Traurig, festlich, anders: Wie Augsburger "Corona-Weihnachten" erlebten

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    "Fürchtet euch nicht" war Heiligabend an der Augsburger Ulrichskirche zu lesen. Das Zitat stammt aus dem Lukasevangelium.
    "Fürchtet euch nicht" war Heiligabend an der Augsburger Ulrichskirche zu lesen. Das Zitat stammt aus dem Lukasevangelium. Foto: Annette Zoepf

    In Gedanken versunken steht ein Paar in der Moritzkirche vor dem Altarraum, dann nimmt der Mann die Frau liebevoll in den Arm. Es ist der erste Weihnachtsfeiertag, es geht auf Mittag zu, die Kirche in der Innenstadt ist sonst leer. Das Paar genießt die Stille. Draußen vor der Kirchentür erzählt die 40-Jährige, dass sie etwas traurig ist. "Normalerweise feiern wir Weihnachten in der Familie mit 20 Leuten, dieses Jahr sind wir allein." Die Augsburgerin ist sich aber sicher: "Im nächsten Jahr schätzen wir Weihnachten umso mehr. Da bekommen Dinge, wie zum Beispiel der Christkindlesmarkt, eine neue Wertigkeit." Es waren tatsächlich andere Weihnachten, die in Zeiten von Corona in Augsburg gefeiert wurden.

    Kirchen, wie hier die Moritzkirche, standen für die Menschen über die Feiertage offen. Manche suchten hier Trost oder genossen einfach nur die weihnachtliche Stimmung.
    Kirchen, wie hier die Moritzkirche, standen für die Menschen über die Feiertage offen. Manche suchten hier Trost oder genossen einfach nur die weihnachtliche Stimmung. Foto: Annette Zoepf

    Belebte Straßen in Augsburg kurz vor Beginn der Sperrstunde

    Kurz vor 21 Uhr laufen Fußgänger mit Masken durch die Innenstadt, Autos fahren durch die sonst leeren Straßen. Jeder will vor Beginn der Ausgangssperre von den Besuchen bei Freunden und Familie wieder rechtzeitig daheim sein. Danach ist die geschmückte Stadt wieder wie ausgestorben. Wenigstens die erlaubten Begegnungen wollten sich viele Menschen nicht nehmen lassen. Wie auch Caroline Bender. Die 53-Jährige besucht am Vormittag des 25. Dezembers das Rote Kreuz in der Berliner Allee. Dort, wie auch an drei weiteren Standorten des BRK, der DLRG und der Johanniter, können sich Angehörige über die Feiertage vor ihren Besuchen in den Altenheimen testen lassen. Der Zutritt in den Pflegeeinrichtungen ist nur mit einem negativen Testergebnis erlaubt.

    Carolin Bender ist es wichtig, ihre 82 Jahre alte Mutter an Weihnachten zu sehen. Eigentlich hatte sie für ihre Mutter und sich schon lange im Vorfeld einen Tisch in einem Restaurant reserviert, nun bleibt nur der Weihnachtsbesuch. "Man sollte nicht jammern, es gibt Schlimmeres", meint die fröhliche Frau, die nach wenigen Minuten das Testergebnis erhält: negativ. Die Augsburgerin steckt den ehrenamtlichen Helfern des BRK etwas Geld für die Kaffeekasse zu: "Danke für Ihren Einsatz." Laut Michael Gebler, Geschäftsführer des BRK-Stadtverbands, war es gar kein Problem, Freiwillige für den besonderen Dienst zu finden. Erstaunt war er aber, dass der erwartete Ansturm von Klienten weitestgehend ausblieb.

    Carolin Bender lässt sich testen, bevor sie ihre Mutter im Altenheim besucht.
    Carolin Bender lässt sich testen, bevor sie ihre Mutter im Altenheim besucht. Foto: Ina Marks

    Gemischte Gefühle vor dem Weihnachtsbesuch

    "Ich denke, dass sich viele im Vorfeld mit PCR-Tests eingedeckt hatten. Und natürlich gibt es auch Heime, die unter Quarantäne stehen." Auch Elke Meister (Name geändert) lässt sich beim BRK testen. Die 57-Jährige wirkt traurig. "Das ist das erste getrennte Weihnachten von meiner Mutter." Im November habe sie die demenzkranke 90-Jährige wegen Corona ein letztes Mal gesehen. Ihrem Besuch im Pflegeheim sieht sie nun mit gemischten Gefühlen entgegen. "Ich weiß nicht, ob sie mich noch erkennt. Sie versteht auch nicht, warum ich sie nicht besuchen konnte und dass das nur zu ihrem eigenen Schutz ist." Für Georg Braun war Heiligabend zu späterer Stunde mit der Fahrt in die Uniklinik vorbei.

    Der 42-jährige Oberarzt betreut dort eine der drei Covid-Intensivstationen. 36 Patienten seien es Heiligabend in den drei Bereichen gewesen, auf seiner Station lagen 15 Corona-Schwerkranke. "13 mussten beatmet werden", berichtet er. Für ihn war es eine normale Arbeitsschicht bis zum nächsten Tag, sagt Braun. "Wir haben durchgearbeitet, keine Pause gemacht." Das Klinikum sei wahnsinnig voll, das Personal sehr belastet. In der Nacht sei noch eine Patientin nach Mindelheim verlegt worden, damit die Aufnahmekapazität für Notfälle gewährleistet werden konnte. Trotz der vielen Arbeit will Braun nicht klagen.

    "Uns Ärzte plagen keine Existenzängste. Ich kenne Menschen, die trifft es wirtschaftlich hart." Aus einer anderen Perspektive haben Augsburgs Geistliche dieses Weihnachtsfest erlebt. Gottesdienste mussten vor 21 Uhr mit einer begrenzten Zahl an Besuchern abgehalten werden, manche fanden sogar unter freiem Himmel statt. Pfarrer Thomas Schmeckenbecher gesteht, dass er im Vorfeld aufgeregt war, ob die geplanten Freiluftgottesdienste vom Lkw herab klappen.

    In Augsburg verlief Weihnachten schon mal anders

    Die evangelische Ulrichsgemeinde hatte Heiligabend zu Gottesdiensten an der Hochschule, auf der Prinz-Karl- und der Ambergerwiese sowie am Zoo zu unterschiedlichen Uhrzeiten eingeladen. "Um die 200 Besucher kamen jeweils. Es waren übersichtliche Runden mit vernünftigen Menschen, die Abstand einhielten." Es sei eine Sondersituation mit einer gewissen Lockerheit gewesen und mit einer dennoch festlichen Stimmung. "Ich bin froh, dass wir den Mut für solch ein Format hatten", sagt Schmeckenbecher. Er ist sich sicher, dass mit den dezentralen Freiluftgottesdiensten auch Anwohner erreicht wurden, die vielleicht sonst nicht in die Kirche gehen. "Und es kamen die, denen es wirklich wichtig wahr", freut sich der Pfarrer von St. Ulrich.

    Florian Geis, der als katholischer Pfarrer die Gemeinden St. Georg, St. Simpert, St. Sebastian und St. Max betreut, findet einen Aspekt an der "Corona-Weihnacht" bemerkenswert: "Es ist gar nicht so schlecht, mal aus der ritualisierten und gewohnten Weihnacht auszubrechen. Man beschränkt sich auf das Wesentliche. Ich empfinde die Menschen auch dankbarer", sagt der Geistliche. Geis erinnert daran, dass in Augsburg Weihnachten schon einmal anders verlaufen war als erwartet. "Vor vier Jahren gab es in Augsburg gar keinen Gottesdienst - wegen der Entschärfung der Bombe."

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Das zweite ungewöhnliche Weihnachten in Augsburg

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