Mit 16 und 18 Jahren sind Maria Oppels Söhne auf der Schwelle zum Erwachsenwerden. Der Sandkasten im Garten, das Zimmer voller Spielsachen und der Wickeltisch im Bad mögen da nicht so recht dazu passen, doch sie sind in dem Haus im Augsburger Thelottviertel rege in Gebrauch. Denn Maria Oppel betreut als Tagesmutter in ihren eigenen vier Wänden vier Kinder im Alter von ein bis drei Jahren, an vier Tagen pro Woche. Sie könnte sich keine schönere Aufgabe vorstellen. "Sie sind in dem Alter so zauberhaft und wissbegierig und eigentlich nie schlecht gelaunt", erzählt die 55-Jährige.
Augsburgerin gab die Gastronomie wegen der Arbeitszeiten auf
Die Augsburgerin hat vor zehn Jahren bei der Agentur für Kindertagespflege des Kinderschutzbundes ("agita") eine entsprechende Ausbildung absolviert und ist seither als Tagesmutter aktiv. Oppel war zuvor als gelernte Restaurantfachfrau in der gehobenen Gastronomie tätig, gab diesen Job mit den häufigen Arbeitszeiten am Abend aber wegen ihrer Kinder auf. Heute ist sie früh morgens auf den Beinen und hat das Mittagessen bereits vorbereitet, wenn die Kleinen um 8.30 Uhr vorbei gebracht werden. Jeder Tag beginne mit einem Frühstück und gehe dann mit einer gemeinsamen Spielaktion weiter, erzählt sie. Manchmal stehe vor dem Mittagessen und der Schlafenszeit ein kleiner Ausflug mit dem Bollerwagen auf dem Programm.
Corona hat Maria Oppel keine Auszeit beschert, denn sie darf ebenso wie die Kindertagesstätten eine Notbetreuung anbieten, wenn sich die Eltern etwa wegen ihrer Arbeit nicht selbst um den Nachwuchs kümmern können. Drei von ihren vier Tageskindern nehmen dieses Angebot in Anspruch. Auf der anderen Seite hat die Pandemie indirekt zu einem Mangel an Tagesmüttern geführt. "Wir konnten im vergangenen Jahr unsere Ausbildungskurse nicht im üblichen Umfang durchführen", sagt Angela Dömling vom Kinderschutzbund. Gleichzeitig hätten einige Mitarbeiterinnen aus unterschiedlichen Gründen aufgehört. Oder sie pausierten, etwa weil sie gerade schwanger sind. Laut Augsburger Kinderschutzbund kümmern sich aktuell rund 150 Tagespflegepersonen, darunter auch zwei Väter, um knapp 600 Mädchen und Buben, die überwiegend im Krippenalter sind.
Neue Kurse für angehende Tagesmütter in Augsburg
Da momentan in Augsburg die Nachfrage nach einen Platz in der Tagespflege viel größer als das Angebot ist, setzt Dömling große Hoffnungen in die Kurse in diesem Jahr. Weil mittlerweile die räumlichen und technischen Voraussetzungen geschaffen seien, könne die Ausbildung je nach Infektionslage teilweise auch digital erfolgen, sagt sie. Insgesamt seien mehrere Kurse geplant, der erste soll im März starten. Der Vorbereitungskurs umfasst 35 Stunden und dient der Orientierung. Wer sich danach entschließt, tatsächlich einzusteigen, muss weitere 65 Stunden absolvieren und kann sich anschließend noch weiter qualifizieren.
Zur Zielgruppe zählt Angelika Dömling Mütter, die auf diese Weise Beruf und Familie gut vereinbaren können. Die Tagespflege könne aber auch eine Alternative zum bisherigen Job darstellen. Mitbringen sollten Interessentinnen eine einschlägige Ausbildung beziehungsweise Erfahrung in der Kinderbetreuung. Mütter mit kleinen Kindern seien ebenso willkommen wie Frauen, die nach der eigenen Familienphase einsteigen möchten.
Maria Oppel freut sich auch nach zehn Jahren noch jeden Morgen auf ihre Kleinen. Interessenten sollten nach ihrer Einschätzung neben einer großen Liebe zu Kindern, viel Geduld und die Bereitschaft zum Lernen mitbringen. Um pädagogisch auf dem Laufenden zu bleiben, nimmt sie - wie andere Tagespflegepersonen auch - regelmäßig an Fortbildungen teil. Daher finde sie es schade, dass Tagesmütter in der Öffentlichkeit zu wenig wertgeschätzt würden. "Es ist ein Fulltime-Job", stellt sie klar. Eine Arbeit, bei der man nicht nebenher seinen eigenen Haushalt erledigen könne. Als wichtig erachtet Oppel es daher, dass sich die anderen Familienmitglieder mit der Betreuung in den eigenen vier Wänden arrangieren können. "Wir haben zwar ein eigenes Spielzimmer, aber das Mittagessen gibt es in unserem Esszimmer und im Bad steht ein Töpfchen."
Tagesmutter Maria Oppel hat bis zu fünf Kinder in der Tagespflege
Für die Stadt ist die Tagespflege zu "einer wichtigen Säule in der Kinderbetreuung" geworden, sagt Susanne Puhle, Teamleiterin im Amt für Kindertagesbetreuung. Ein Grund sei der Mangel an Kita-Plätzen, gleichzeitig würden sich viele Eltern bewusst für eine Tagesmutter entscheiden, weil dort im Gegensatz zu den Kindertagesstätten eine Betreuung auch zu Randzeiten wie abends oder am Samstag vereinbart werden könne. Mittlerweile, so die Beobachtung der Fachfrau, entwickle sich die Kindertagespflege vom Nebenjob zur vollwertigen Erwerbstätigkeit. "Immer mehr Tagesmütter betreuen nicht mehr ein oder zwei, sondern vier oder fünf Kinder und haben damit einen guten Verdienst." Fünf Kinder sind in der normalen Tagespflege das Maximum. In der sogenannten Großtagespflege kümmern sich zwei Personen um acht bis zehn Mädchen und Jungen.
Kontakt: Wer sich für die Ausbildung zur Tagesmutter oder -vater interessiert, kann unter service@agita-augsburg.de oder Telefon 0821/455406 – 10 beziehungsweise 0821/455406 -30 nähere Infos einholen.
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