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Augsburg: Todesfall auf Spielplatz: Was ein Experte über den umgestürzten Baum sagt

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Todesfall auf Spielplatz: Was ein Experte über den umgestürzten Baum sagt

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    Noch liegt der umgestürzte Baum auf dem Spielplatz im Augsburger Stadtteil Oberhausen. Der Gutachter hat laut Stadt die Untersuchungen vor Ort beendet.
    Noch liegt der umgestürzte Baum auf dem Spielplatz im Augsburger Stadtteil Oberhausen. Der Gutachter hat laut Stadt die Untersuchungen vor Ort beendet. Foto: Silvio Wyszengrad

    Noch liegt der umgestürzte Ahorn auf dem Oberhauser Spielplatz in der Dieselstraße. Über eine Woche ist es her, dass er bei schönstem Wetter plötzlich umkippte und eine Mutter und ihre kleine Tochter unter sich begrub. Beide saßen gerade auf einer Wippe. Den Ersthelfern vor Ort bot sich ein tragisches Bild. Sie befreiten die 28-jährige Frau und deren 22 Monate alte Tochter unter schwierigsten Umständen. Die fünf Jahre alte Schwester, die dabei war, blieb äußerlich unversehrt. Das kleine Mädchen aber erlag später in der Uniklinik seinen Verletzungen. Weiterhin steht die Frage im Raum: Wie konnte es zu dem Unglück kommen? Ein Experte hat eine Vermutung.

    Die schwer verletzte Mutter liegt nach Informationen unserer Redaktion weiterhin im Krankenhaus und muss einige Operationen über sich ergehen lassen. Während für die Familie Spendenaktionen laufen, hat ein Sachverständiger, der von der Kripo Augsburg angefordert worden war, die Untersuchungen am Baum abgeschlossen. Das teilt die Stadt auf Anfrage mit. Der Baum soll in den nächsten Tagen abtransportiert werden, der Spielplatz bleibt vorerst noch abgeriegelt.

    Dieses Bild aus dem Jahr 2019 zeigt, dass der umgestürzte Baum schräg gewachsen war - etwa mit einer Abweichung von 30 Grad.
    Dieses Bild aus dem Jahr 2019 zeigt, dass der umgestürzte Baum schräg gewachsen war - etwa mit einer Abweichung von 30 Grad. Foto: Google Maps

    Tatsache ist, dass der etwa 20 Meter hohe Ahornbaum auffallend schräg gewachsen war. Das zeigt ein Bild aus dem Jahre 2019. Der Ahorn wuchs in Richtung des Sandspielplatzes, wo auch die Wippe stand. Es dürfte sich um eine Neigung unter 30 Grad gehandelt haben, das ergibt ein Bildvergleich mit einem digitalen Gradmesser. In dieser Baumreihe des Spielplatzes sind vor Ort drei größere Stümpfe zu sehen. Offenbar sind hier in der Vergangenheit bereits Bäume gefällt worden. Bei der Stadt gibt man sich weiterhin bedeckt und beantwortet Nachfragen mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht. Die Polizei geht davon aus, dass es noch rund zwei Wochen dauern wird, bis das Baumgutachten fertiggestellt ist.

    Umgestürzter Baum auf Augsburger Spielplatz: "Sieht nach Fäulnis aus"

    Eine Einschätzung, wie es zu dem Unglück kam, wagt der Wissenschaftler Steffen Rust. Der 53-Jährige ist Professor an der Fakultät Ressourcenmanagement an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Göttingen. Seine Hauptlehrgebiete sind Baumkontrolle und Verkehrssicherheit. Rust, der Baumsachverständige und Baumkontrolleure von Kommunen ausbildet, gilt in dem Bereich als Koryphäe. Er hat sich Fotos des Ahorns angesehen, der nicht samt Wurzel umfiel, sondern kurz über der Oberfläche abbrach. Ein Blick genügt, um zu erkennen, dass der Baum im unteren Bereich innen hohl ist. Und nicht nur das. "Er ist auch schwarz gefärbt, was nach Fäulnis aussieht. Auch die hellen Verfärbungen deuten auf Holzabbau hin", meint der Wissenschaftler, der betont, dass es sich hier um eine Ferndiagnose handle.

    Der Baum sieht innen hohl und verfault aus, findet ein Experte.
    Der Baum sieht innen hohl und verfault aus, findet ein Experte. Foto: Silvio Wyszengrad

    Ein gesunder Ahorn jedenfalls wäre innen gleichfarbig im Farbton. Dass es in den Tagen zuvor gestürmt hatte - in der nahe gelegenen Donauwörther Straße waren wie auch in der Stadt zahlreiche Bäume umgestürzt - könnte letztlich zum Sturz des Baumes beigetragen haben, so Rust. Eine innere Fäulnis sei für Kontrolleure nicht immer erkennbar, betont der Wissenschaftler. Zwei sichtbare Hinweise darauf seien allerdings möglich. Wenn sich etwa Pilze am Baum bilden, wobei dies erst zu späterer Zeit erfolge, oder wenn sich die Form eines Baumes ändere. "Wenn ein Baum durch Fäule Tragfähigkeit verliert, kann er außen an Holz zulegen. Er versucht, diesen Verlust auszugleichen." Der umgestürzte Ahorn war laut Stadt zuletzt im Mai 2020 begutachtet worden, ohne dass damals erkennbare Schäden dokumentiert wurden. Bäume auf Spielplätzen werden laut Stadt alle zwölf bis 15 Monate kontrolliert.

    Experte zu Unfall in Augsburg: Ein schiefer Baum sei generell keine Gefahr

    Zum schiefen Wachstum des Baumes sagt der Experte, dies berge nicht grundsätzlich eine Gefahr. "Bäume passen sich in der Regel an Schrägstand an." Er berichtet von einem Versuch in Frankreich, bei dem über einen Sommer Bäume gebogen wurden, ohne sie zu beschädigen. "Am Ende des Jahres stellte man fest, dass die Gebogenen doppelt so viel Holz angebaut hatten, als die anderen." In der Lehre gebe es die Faustzahl, dass man sich erst ab einer Neigung von 45 Grad einen Baum näher ansehen sollte. Es muss niemand in Panik verfallen, wenn ein Baum schräg steht." Laut Steffen Rust ist so ein tragisches Unglück, wie es sich im Augsburger Stadtteil Oberhausen ereignete, in Deutschland äußerst selten. "Das Risiko durch einen umstürzenden Baum zu sterben, liegt bei 1:10 Millionen." Das Risiko bei Rauchern liege im Vergleich bei 1:200. Er sagt: "So unglücklich solche Fälle sind, sie lösen eine unberechtigte Angst vor Bäumen aus."

    Wissenschaftler Steffen Rust.
    Wissenschaftler Steffen Rust. Foto: Rust

    Spielplatz-Tragödie: Spendenaktionen für betroffene Familie aus Augsburg

    Die Familie jedenfalls wird von diesem Schicksalsschlag immer gekennzeichnet sein. Wie ein Freund des betroffenen Familienvaters unlängst auf Facebook schrieb, müsse sich dieser nun um seine traumatisierte fünfjährige Tochter kümmern, die auf dem Spielplatz alles mit ansehen musste. Der Vater könne derzeit nicht seiner selbstständigen Arbeit nachgehen. Deshalb rief der Bekannte über das soziale Netzwerk zu einer Spendenaktion für die Augsburger Familie auf, die inzwischen beendet ist. Wie er schreibt, seien innerhalb von zwei Tagen 20.000 Euro gesammelt worden. Auch in der Verwandtschaft der Familie wurde eine Spendenaktion im Internet organisiert. Weil auch bei der Stadt Augsburg dazu vermehrt Anfragen eingingen, hat die Stadtverwaltung mit dem Augsburger Verein Prisma Kontakt aufgenommen, der ein Spendenkonto für die Familie einrichtete. Christian Schickinger, Leiter des Familien- und Jugendhilfevereins, erzählt, dass bislang eine mittlere vierstellige Summe zusammengekommen sei.

    Spendenzahlungen können auf die nachfolgende Bankverbindung von Prisma getätigt werden und gehen laut Stadt direkt an die Familie. Spendende sollen eine Spendenquittung erhalten.

    • IBAN: DE03 7209 0000 0004 0397 77
    • BIC: GENODEF1AUB
    • Kontonummer: 4039777
    • BLZ: 720 900 00
    • Verwendungszweck "Spende Familie in Not"
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