Kritiker hatten es von Anfang an geahnt, nun bewahrheiten sich ihre Sorgen: Die Theatersanierung wird wohl deutlich teurer. Anders als erwartet liegt dies aber nicht an der Instandsetzung des Großen Hauses samt der Unwägbarkeiten, die ein denkmalgeschützter Bau mit sich bringt.
Kopfzerbrechen bereitet der Stadtverwaltung vielmehr der Neubau: Aktuell stehen dafür 92,3 Millionen Euro im Raum – 20 Millionen mehr als kalkuliert.
Die Steigerung zeichnete sich laut Information unserer Redaktion erstmals im April ab, als mehrere Fachplaner ihre Kostenschätzungen abgaben. Dabei gab es Überraschungen, unter anderem beim Brandschutz: Die zweite Spielstätte, ein Multifunktionssaal, der die Brechtbühne ersetzen soll, müsste aufgrund schärferer Gesetze besser gesichert werden. Die statische Abstützung der Nachbargebäude wäre ebenfalls aufwendiger als gedacht. Diese und weitere Punkte zusammengerechnet, landeten die Fachplaner im Frühjahr bei Kosten von 125,8 statt der ursprünglich vorgesehenen 72,8 Millionen Euro. „Eine Summe, die wir uns schlicht nicht leisten können“, sagt Baureferent Gerd Merkle auf Nachfrage.
Der Abbruch der Theatergebäude hat begonnen
Der Neubau soll dort entstehen, wo bisher Brechtbühne, das in die Jahre gekommene Verwaltungsgebäude und weitere Theaterbauten standen. Vor wenigen Wochen hat auf dem Gelände der Abbruch begonnen, er ist nächstes Jahr abgeschlossen. Im neu entstehenden Komplex sollten dann alle Werkstätten, Probebühnen, die künstlerische Leitung sowie eine zweite Spielstätte des Theaters untergebracht sein. Doch wie es aussieht, wird das nicht funktionieren.
Baureferent Merkle und sein Kultur-Kollege Thomas Weitzel haben die Baupläne in den letzten Wochen gemeinsam mit der Theaterleitung und dem Münchner Architekten Walter Achatz überarbeitet, um die neue Kostenschätzung von 125,8 Millionen auf 92,3 Millionen Euro zu drücken. Ohne Einschränkungen ging dies freilich nicht.
Die größte Veränderung, über die am Donnerstag im Stadtrat diskutiert werden muss, ist der Verzicht auf einen Orchesterprobensaal an exponierter Stelle. Er sollte als Einzelbau auf der Grünfläche zwischen Theater und Volkhartstraße entstehen. Die Pläne wurden noch vor kurzem abgeändert, da bei archäologischen Untersuchungen ein Teil der historischen Stadtmauer ausgegraben wurde. Weil die Mauer erhalten werden soll, musste die Ausrichtung des Probensaals geändert werden. Diese Planänderung kostete weitere fünf Millionen Euro.
Theater Augsburg: Neuer Standort für Neubau
Kommt nun alles anders? Im neuen Entwurf wird der Probensaal in den Neubau nördlich des Theaters integriert. Zwischen Großem Haus und Volkhartstraße soll stattdessen die zweite Spielstätte entstehen, ebenfalls als Neubau. Der Vorteil läge laut Baureferent Merkle darin, dass unter der Spielstätte ohnehin ein Sprinklerbecken liegt und dass es über Bühne und Zuschauerraum keine weiteren Räume gibt. Der Brandschutz käme damit billiger.
Auch an anderer Stelle gibt es Einsparungsvorschläge: Die Zahl der Probensäle soll von vier auf drei reduziert werden, ein geplanter Lkw-Aufzug würde wegfallen, es soll eine ebenerdige Lösung geben. Das vierte Untergeschoss wurde komplett gestrichen, das dritte verkleinert, so dass der Abstand zur Nachbarbebauung größer wird. Auch die Raumhöhen, auf die das Theater bislang großen Wert legte, wurden teilweise reduziert. Laut Kulturreferent Weitzel stelle die neue Planung aber noch immer eine Verbesserung dar im Vergleich zur bisherigen Situation im Theater.
Augsburger Stadtrat muss beraten
Wie der Stadtrat auf die neue Situation reagiert, ist offen. Erfreut sein wird das Gremium aber kaum: Die Politiker hatten Theaterplaner Achatz im Jahr 2016 auf einen Kostendeckel von 72,8 Millionen Euro für den Neubau gedrückt. Der Architekt hatte diesen Teil der Sanierung zunächst auf 79 bis 102 Millionen Euro geschätzt, mögliche Baukostensteigerungen noch nicht inbegriffen. Er hatte aber auch betont, dass böse Überraschungen bei einem Neubau nahezu auszuschließen seien. Deshalb hatte Achatz – anders als beim Großen Haus – auch keinen Kostenpuffer eingeplant.
Bislang hat die Stadt keine Aufträge für den Neubau vergeben. „Es wurde noch kein Cent ausgegeben“, sagt Baureferent Merkle. Er will sich am Donnerstag mit den Stadträten über die weitere Vorgehensweise abstimmen. Denn notfalls gäbe es noch eine andere Lösung, die zunächst rund acht Millionen Euro einsparen könnte: Werkstätten, Proberäume und Verwaltung würden zwar wie geplant bis 2025 realisiert, der Bau der zweiten Spielstätte neben dem Theater aber geschoben. „Man könnte ihn zeitlich zurückstellen und erst in 10 bis 20 Jahren angehen“, sagt Merkle.
Bleibt das Theater erst einmal im Gaswerk?
Das Theater müsste dann solange auf dem Gaswerkareal bleiben und dafür Miete bezahlen. Wie hoch diese Ausgaben sind, sagt die Stadt nicht. Auf 10 bis 20 Jahre gerechnet lägen diese Ausgaben aber wohl höher als die für einen Neubau. Und: Der Spielstätten-Neubau wäre laut Merkle in 10 bis 20 Jahren auch nicht mehr für acht Millionen Euro zu haben. „Baukostensteigerungen und die Neueinrichtung der Baustelle einkalkuliert, müsste man wohl mindestens mit 20 Millionen Euro rechnen.“
Bei der Sanierung des Großen Hauses, die mit 113,5 Millionen Euro veranschlagt ist, hat die Stadt aktuell Aufträge im Wert von gut 30 Millionen Euro vergeben. Hier zeichnet sich laut Merkle eine Einsparung von rund einer Million ab. „Einige Ausschreibungsergebnisse sahen besser aus als gedacht.“ Nicht vergessen werden darf dabei, dass Architekt Achatz hier einen Risikopuffer von 25 Prozent eingebaut hatte. Er ist inzwischen fast aufgebraucht.
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