Vor dem Rathaus fuhren am Mittwochnachmittag wie gewohnt die Trams der Linien 1 und 2. Und man kann sich dabei sehr gut vorstellen, dass bei dem einen oder anderen Fahrgast der Ärger mitfuhr. Die neuen Preise im Nahverkehr ärgern nach wie vor viele Fahrgäste. Vor allem ein Punkt kommt nicht gut an: Teils müssen Kunden doppelt so viel für eine Fahrt im Stadtgebiet bezahlen wie vor dem 1. Januar. Die Leserbriefe an unsere Zeitung sind Zeugnis dieser Verärgerung.
Kein Wunder, dass die Tarifreform des Augsburger Verkehrs-Verbunds (AVV) in der ersten Stadtratssitzung im neuen Jahr gleich zur Sprache kam. Die Stadträte hatten die Reform im Vorfeld mehrheitlich beschlossen; nur die SPD, die Linke und Stadträte mehrerer kleinerer Gruppierungen waren damals dagegen. Nach Inkrafttreten hatten mehrere Fraktionen Anträge gestellt, um auf die Diskussionen umgehend zu reagieren. Wie brisant das Thema ist, zeigte sich daran, dass Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) die Information über das Reformwerk mit anschließender Debatte kurzfristig auf die Tagesordnung genommen hatte.
Walter Casazza, Geschäftsführer der Stadtwerke und zuständig für den Nahverkehr, gab einen Bericht. Eine der Kernbotschaften: Die Stadtwerke wollen die Reform deutlich früher als geplant noch einmal auf Verbesserungsvorschläge abklopfen – schon im Frühjahr. Zunächst war von einem längeren Testlauf die Rede gewesen.
Insgesamt zwei Stunden lang drehte sich das Thema um die Tarifreform. In vielen Wortmeldungen der Stadträte kam zutage, wo die Mängel der Reform ausgemacht werden: das Fehlen einer Wochenkarte, wie es sie früher gegeben hat, der Wegfall des Seniorentickets und die Verteuerung für Gelegenheitsfahrer ohne Abo. Weil die beiden Zonen in Augsburg verschmolzen wurden, kostet das Einzelticket ab sechs Haltestellen bereits 2,90 Euro. Nur bis zu fünf Haltestellen inklusive Einstieg zahlt der Fahrgast 1,45 Euro für ein Ticket. Kritisiert wurde, dass Fahrgäste in der Straßenbahn selbst kein Kurzstreckenticket kaufen können. Beklagt wurde ferner, dass einzelne Stadtteile wie Inningen, die Firnhaberau und die Hammerschmiede massiv benachteiligt werden. Und, und, und, ...
Lange Liste mit Wünschen
Es war am Ende eine umfangreiche Liste an Wünschen, Anregungen und Verbesserungsvorschlägen, die an die Adresse des Stadtwerke-Chefs Casazza ging. Die entscheidende Frage, ob und wann welche Nachbesserungen kommen, blieb am Mittwoch in der Sitzung jedoch unbeantwortet. Begründet wurde dies damit, dass zunächst belastbares Datenmaterial vorliegen müsse, damit entsprechende Weichenstellungen getroffen werden können.
Zum zeitlichen Fahrplan wurden allerdings konkrete Termine benannt. Bis Ende März sollen die Stadtwerke jetzt Zahlen sammeln und auswerten. Sie sollen aber auch auf die Kritik der Bürger eingehen und nach Möglichkeiten schauen, welche Eingriffe ins System möglich sind. Dazu gehört die Prüfung, welche finanziellen Folgen es haben würde, wenn das besonders günstige 9-Uhr-Abo bereits ab 8 Uhr gelten würde. Es ginge ferner darum, wie hoch Einnahmeverluste der Stadtwerke wären, wenn die Kurzstrecke um zusätzliche Haltestellen ausgeweitet wird. Denn jede zusätzliche Haltestelle über die jetzige Regelung hinaus kostet Geld. Casazza hatte anfangs betont, dass bei der Tarifreform Wert darauf gelegt worden sei, dass das Defizit nicht höher ausfallen dürfe. Derzeit fahren die Stadtwerke im Jahr ein Minus von 40 Millionen Euro ein.
So sieht der Zeitplan aus
Zum weiteren politischen Vorgehen gibt es einen Plan: Im April soll sich der Stadtrat dann erneut mit der Tarifreform befassen. Bis zu diesem Termin müssen die Stadtwerke Vorschläge ausarbeiten, was finanziell zu leisten wäre, um gegebenenfalls auf die Kritik der Bürger zu reagieren. Dass dieser Protest eine hohe Schlagkraft hat, rückte Casazza erst auf Nachfrage heraus. Anfangs sagte er, „dass man die Kritik nicht in dieser Vehemenz erwartet hatte“. Zu einem späteren Zeitpunkt in der Diskussion folgten Zahlen. Seien zuletzt 150 Beschwerden von Fahrgästen in der Woche als normal einzustufen gewesen, sind es derzeit 350 pro Woche. Da die Tarifreform seit Januar gilt, macht dies hochgerechnet mehr als 1000 Beschwerden, die allein bei den Stadtwerken eingegangen sind. Jede zweite dreht sich um das Kurzstreckenticket. Casazza hatte aber auch Zahlen parat, die ihn positiv stimmen würden: Bislang hätten die Stadtwerke 4800 Neukunden für ein Abo gewonnen, darunter allein 1700 Schülertickets, die von der Stadt mit einem Zuschuss unterstützt werden.
In der politischen Aufarbeitung räumte die zuständige Wirtschaftsreferentin Eva Weber (CSU) handwerkliche Fehler ein. „Die Kommunikation war nicht gut genug.“ Die Bürger seien nicht umfassend informiert worden. Ein Beispiel, das in der Stadtratssitzung zur Sprache kam: Das Kurzticket kostet 1,45 Euro. Wer einen Streifen auf der Streifenkarte für diese Fahrt stempelt, zahlt 1,20 Euro und wer sein Kurzstreckenticket übers Handy abrechnet, kommt auf 1,14 Euro. Stadtwerke-Chef Casazza versprach, die Kommunikation zu verbessern. Bislang hätten die Stadtwerke 200.000 Euro in die Kampagne investiert.
Die Augsburger Tarifreform ist so nicht mehr lange zu halten
Senioren kritisieren neue Tarifregelung
So sehr bewegt die AVV-Tarifreform die Augsburger
Das sagt Augsburgs Stadtwerke-Chef zur Kritik am Tarif
- Die Augsburger Tarifreform ist so nicht mehr lange zu halten
- Senioren kritisieren neue Tarifregelung
- So sehr bewegt die AVV-Tarifreform die Augsburger
- Das sagt Augsburgs Stadtwerke-Chef zur Kritik am Tarif