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Augsburg: Tag 1 beim Modular: Zu diesen Bands feierten die Fans - nach dem Regen

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Tag 1 beim Modular: Zu diesen Bands feierten die Fans - nach dem Regen

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    Superorganism auf der Bühne am Kessel.
    Superorganism auf der Bühne am Kessel. Foto: Silvio Wyszengrand

    Tapfer sind sie, die Modularfans. Schon den Regen haben sie unter ihren Ponchos ertragen, auch die (verglichen mit dem Wittelsbacher Park) einigermaßen strapaziöse Anreise zum Gelände. Aber kaum ist es trocken, sind sie partybereit. Tanzen auf der Lichtung, wo unter anderem Roy-Preisträger Jürgen Branz House-Tracks auflegt, und lauschen Blinker am Kessel. Der Mannheimer mit dem pinken Iro mit einem Augenzwinkern fragt: „Ist es zu laut genug?“ Und singt dann vom Wassereis. Es ist da schon wieder so heiß, dass man Lust darauf bekommt. Zwischen Regen und Festivaleuphorie liegt manchmal nur ein Song.

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    Drinnen in der Bühne im Ofenhaus ist es sowieso trocken. Wo sonst Kunst brav auf dem Theatersessel sitzend konsumiert wird, tanzen zu Mola aus München alle zwischen den Stühlen: Rockgesang, Synthesizersounds, die Münchnerin leuchtet ganz in Weiß von der Bühne. Und als das Licht wieder angeht, sind die Fans begierig zu erfahren: „Ob es draußen wohl noch regnet?“ Nein, die Sonne ist da.

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    Auf der Bühne im Park predigt Antifuchs die Anti-Attitüde – und will die Mittelfinger der Besucher sehen. Die Berlinerin macht den Hip-Hop-Fans auf dem Gelände Appetit auf mehr Rap. Den gibt es an diesem Abend auch noch reichlich. Zum Beispiel später bei Roger Rekless, der nicht auf der Bühne herumturnt, sondern am Keyboards und Sampler auch noch selbst die Tiefbässe zu seinen Texten beisteuert. Der Bayer Rekless, der eigentlich David Mayonga heißt und über seine Rassismus-Erfahrungen ein Buch ("Ein Neger darf nicht neben mir sitzen") geschrieben hat, nutzt seine Show aber auch für wichtige Botschaften: Es sei keine große Tat, in Deutschland geboren zu sein, man könne dafür genauso wenig, wie jemand, der in einem armen Land geboren wurde. Deswegen, so Mayonga, habe jeder Mensch das "gottverdammte Recht", in einem besseren Teil der Welt sein Glück zu suchen. "Kein Mensch ist illegal."

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    Bonaparte am Kessel setzen nach Antifuchs noch einen drauf: Sänger Tobias Jundt schreit sogar „Anti Anti“, doch bei ihm steckt Punk-Haltung dahinter. Mit seiner Band rockt der Schweizer der Abendsonne entgegen. Rau und wild, deutsch und englisch ist die Punk-grundierte Musik, die Jundt mit seinem Trio hinausrotzt, viel energischer als auf dem ganz frisch erschienenen Album "Was mir passiert". Das fühlt sich gut an, aber schade, dass diese Band schon so früh auf dem Programm steht - und dass sie (wie auch die anderen Künstler) nur knapp 45 Minuten Zeit hat.

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    Schon der Bandname macht die nächste Gruppe auf der Bühne im Theater sympathisch: einfach nur Hannah und Falco heißen die beiden jungen Würzburger, die einzige Bühnendeko sind ein großes „H & F“ im Hintergrund. Der Folkpop der beiden Musiker analysiert ganz fein die Alltagswelt und das oft nicht auf den ersten Blick erkennbare Beziehungsgewirr zwischen all diesen Menschen in ihr. Live spielen die beiden mit der Band Familiar Faces, die, wie schon vorher Moya, ganz in Weiß gehüllt auf der Bühne stehen – passt ja auch gut zur edlen Stimmung, die die Bühne im Ofenhaus in den Festivaltagen ausstrahlt, während draußen bunte Lichter, knallige Bühnenshows und schrille Festivaloutfits wie Bademäntel, Regenbogen-Hüte und Einhorn-Accessoires dominieren.

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    Gäbe es einen Preis für die Band mit dem größten Hipster-Faktor an Tag eins des Modular 2019: Superorganism wären konkurrenzlos. Mit Glitzercapes, irgendwo zwischen Rotkäppchen und Superheld, kommen sie sieben Musiker auf die Bühne, angeführt von Sängerin Orono Noguchi, die in der gut gelaunten Glittergang die Rolle des coolen Teenies übernimmt. Superorganism aus London, deren Mitglieder aus Australien, Neuseeland, Südkorea und Japan kommen (die internationalste Band des Festivals sind sie sicher auch), gewannen mit ihrem an FM Belfast erinnernden Elektro-Pop seit 2017 viele Freunde. Und in Augsburg kommen bei ihrem Auftritt auch noch ein paar dazu: weil Stücke wie „Everybody Wants To Be Famous“ im Ohr hängen bleiben – und weil die aufgedrehten drei Backgoundsänger(innen) und Tänzer(innen) einfach eine Schau sind.

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    Müsste man die Musik von Friska Viljor in einem Satz beschreiben, dann wäre das dieser: Man kann prima Bier dazu trinken – und sollte es auch. Die Songs der beiden Schweden sind geprägt von viel Lalala, zum Schunkeln und Mithüpfen und mit der seligen Gewissheit, dass sich die Musik von Friska Viljor nie groß verändert, auch wenn andere Bands sich ständig neu suchen und die Welt sich immer schneller dreht. Und dann, völlig unerwartet, steht der Sänger plötzlich allein auf der Bühne. Er erzählt von den vergangenen Jahren, die privat die schlimmsten seines Lebens gewesen seien. Zwei Songs spielt er mit der Akustikgitarre, reißt die Fans am ersten Modularabend kurz aus ihrer Bierseligkeit und bedankt sich dann: „Thanks for letting us play some quiet songs, that’s something we never tried before.“ Und jetzt, Weiterschunkeln!

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    Errdeka und Modular, das gehört in den Köpfen zusammen – so, wie man am Ende dieses Festivals hoffentlich auch Modular und Gaswerk zusammen denkt. Der Rapper ist inzwischen so erfolgreich, dass man als Augsburger in anderen Städten nicht mehr auf die Puppenkiste, sondern auf Errdeka angesprochen wird. Auf der Bühne im Park genügen zum Höhepunkt des ersten Abends zwei Worte aus Errdekas Mund, um die Lichtung zwischen den Bäumen in ein wogendes Menschenmeer zu verwandeln: „Alle Arme!“ Tausende gehen nach oben. Erreka und seine Eyeslow-Crew sind im Bühnennebel nur als schwarze Silhouetten zu erkennen. Sie arbeiten sich am Gangster-Image ab, rappen wütend und dichten grandios, zum Beispiel als es um das Ringen um Akzeptanz im Rapgeschäft geht: „Wieso bin ich dope, aber kriege so viel hate? (…) Meine lovesongs sind so deep wie die von Drake / und ich schwöre keiner meiner Texte war je Copy Paste“. Stimmen, die bemängeln, dass so ein düsterer Headliner am Abend die Festivalstimmung runterzieht, kontert Errdeka mit seiner Single: „Macht mehr Liebe, nutzt die Macht der Liebe!“ Und dann erzählt er noch von seinem Kumpel, der an diesem Abend mit ihm auf der Bühne steht und singt. Der von Berlin nach Augsburg gezogen sei, „weil’s so viel geiler ist“! Er hat ja so recht.

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    Während draußen Tausende den Lokalmatador Errdeka feiern, erleben etwas weniger drinnen im Ofenhaus, dass auf dem Modular auch Platz für abseitigere Pop-Positionen ist. Etwa für das Duo BAR aus Düsseldorf, bestehend aus Lucas Croon, den manche auch von der (unbedingt empfehlenswerten) Kraut-Pop-Band Stabil Elite kennen, und Christina Irrgang. Während Croon den Maschinen Elektro-Tracks zwischen teutonischer Kraftwerk-Strenge und balearischem Disco-Kitsch abringt, singt Irrgang dazu mit unbewegter Miene – und führt dazu Bändertänze und New-Wave-Choreografien auf. Ein Auftritt, kühl und geheimnisvoll wie eine Mordverdächtige in einem 80er-Jahre-Folge von „Derrick“.

    Lesen Sie auch: So kommt das Gaswerkareal bei den Modular-Besuchern an.

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