Darum geht es in der Debatte: Das Theater muss saniert werden, weil es seit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg nie grundlegend saniert wurde. Das Projekt besteht aus zwei Teilen: Bauteil 1 ist die Sanierung des denkmalgeschützten Großen Hauses, der Hauptspielstätte des Theaters. Bauteil 2 umfasst nach den aktuellen Plänen den Neubau von Verwaltung, Werkstätten und Proberäumen hinter dem Großen Haus sowie den Bau einer kleineren zweiten Spielstätte neben dem Großen Haus. Ursprünglich wurden für das ganze Projekt Ausgaben von rund 186 Millionen Euro veranschlagt – ohne Baupreissteigerungen. Nun ist klar, dass es deutlich mehr kosten wird. Derzeit geht die Stadtregierung davon aus, dass man – abhängig von den künftigen Baupreissteigerungen – in einem Bereich zwischen 283 und 321 Millionen Euro landen wird.
Eva Weber (CSU) ist seit Mai die Oberbürgermeisterin der Stadt Augsburg. Zuvor war sie in der schwarz-rot-grünen Stadtregierung die Wirtschafts- und Finanzbürgermeisterin.
Gerd Merkle (CSU) ist seit dem Jahr 2008 Baureferent der Stadt Augsburg. Er ist damit in der aktuellen schwarz-grünen Stadtregierung der dienstälteste Referent.
André Bücker ist der Intendant des Staatstheaters Augsburg. Gerade wurde sein Vertrag verlängert. Er sagt, das Theater könne nur mit einem zentralen Standort vernünftig arbeiten.
Florian Freund ist Fraktionschef der Sozialfraktion aus SPD und Linkspartei. Die SPD hat für die Theatersanierung gestimmt, fordert angesichts der Verteuerung aber ein Moratorium - also einen Projektstopp und eine Denkpause.
Volker Schafitel ist Architekt und saß bis im Frühjahr für die Freien Wähler im Stadtrat. Er hat frühzeitig gewarnt, dass das Projekt mehr als 300 Millionen kosten könnte.
Bruno Marcon sitzt für die Vereinigung „Augsburg in Bürgerhand“ neu im Stadtrat. Er fordert, die Bürger über das weitere Vorgehen beim Theater abstimmen zu lassen.
Frau Weber, waren Sie eigentlich froh, dass die Zahlen zum Thema Theater erst jetzt im Juni rausgekommen sind, und nicht, wie es ja ursprünglich angekündigt war, schon im Frühjahr – also noch vor der Wahl?
Eva Weber: Es geht nicht darum, ob ich froh oder nicht froh darüber bin. Der Stadtrat hat vergangenes Jahr im Sommer die Verwaltung beauftragt, noch mal eine alternative Planung für das Bauteil zwei zu erstellen. Diese neue Planung wird nächste Woche im Stadtrat vorgestellt. Der Stadtrat muss dann entscheiden: Wollen wir das so machen – ja oder nein. Für das Bauteil zwei, um das sich die Debatten drehen, ist ja noch kein Euro verbaut worden.
Herr Marcon, Sie haben mal verlautbart, aus Ihrer Sicht spiele die Stadtregierung auf Zeit. Das war im Frühjahr. Sind die Bürger Ihrer Ansicht nach getäuscht worden?
Bruno Marcon: Ich möchte Herrn Weitzel zitieren, unseren ehemaligen Kulturreferenten. Er hat voriges Jahr im Juli gesagt, dass eine genauere Kostenrechnung innerhalb der nächsten sechs bis neun Monate vorgelegt wird. Das heißt, dass spätestens im April eine neue Kalkulation hätte vorgelegt werden müssen. Das wurde aber nicht getan. Warum nicht? Hat man mit Absicht die Kostenkalkulation so lange gestreckt, damit sie nicht mehr Teil des Wahlkampfs werden kann? Ich bin der Meinung, es liegt eine Täuschung vor, weil man den Bürgern versprochen hat, dass der „Kostendeckel“ eingehalten wird, und man schon früh wusste, dass dieser nicht zu halten ist.
Gerd Merkle: Das ist Unsinn, die aktuelle Planung mit der Kostenberechnung wurde uns vom Architekten jetzt in der ersten Junihälfte vorgelegt und nicht früher. Das Ganze ist ein sehr komplexer Vorgang. Wir haben in den zurückliegenden elf Monaten einen intensiven Abgleich benötigt, weil die Planung in vielen Punkten runtergestrichen wurde. Wir haben Änderungen vorgenommen, und die Änderungen müssen natürlich mit dem Staatstheater besprochen werden.
Florian Freund: Ich möchte nicht so sehr auf die Frage eingehen, ob die Zahlen schon früher hätten vorliegen müssen. Entscheidend ist, dass wir 2016 etwas beim Architekten bestellt haben, was an diesem Standort passieren soll, kulturell und städtebaulich. Und wir haben einen Kostenrahmen beschlossen. Wir haben damals als SPD-Fraktion sehr intensiv nachgefragt, ob das, was wir da bestellen – insbesondere ein viergeschossiger Keller für Lagerflächen – wirklich nötig ist. Die Antwort seinerzeit war: Das braucht es unbedingt für einen effizienten und angemessenen Spielbetrieb. Als 2019 die ersten Kosten auf dem Tisch lagen und wir beim Bauteil zwei auf über 125 Millionen kamen, da ist Hektik ausgebrochen und man hat doch festgestellt, dass man sich beispielsweise das vierte Tiefgeschoss sparen kann, dass man im dritten Tiefgeschoss erhebliche Flächen einsparen kann. Wir haben das Projekt bislang mitgetragen, weil wir den Aussagen des Architekten geglaubt haben und weil wir der Meinung waren, dass 186 Millionen ein angemessener Preis für ein Theater dieser Größenordnung sind. Aus heutiger Sicht muss man sagen, dass zumindest damals Einsparpotenziale offensichtlich nicht genutzt worden sind. Jetzt haben wir wieder eine Planung vorliegen, von der es wieder heißt, sie sei das Kleinste, was irgendwie möglich ist. Das kostet jetzt keine 186 Millionen mehr, sondern womöglich über 300 Millionen. Wenn sich nun herausstellt, aus welchen Gründen auch immer, dass wir auf Grundlage falscher Fakten Entscheidungen getroffen haben, dann muss es auch möglich sein, diese Entscheidungen noch mal zu revidieren
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Merkle: Ich glaube, Herr Dr. Freund, Sie haben vielleicht ein paar Dinge in der Zwischenzeit vergessen. Ich darf aus dem Stadtratsprotokoll vom 12. Juli 2016 zitieren, als ein Stadtrat gefragt hat: Kostet es am Ende der Baumaßnahmen 186,3 Millionen? Und der Architekt Achatz hat damals dargestellt, selbstverständlich werde man diese 186,3 Millionen nicht garantieren können. Das einzige was man tun könne, sei, ein vernünftiges Kostenmanagement durchzuführen. Wir haben von Anfang an über die nicht beinhaltete Baupreissteigerung gesprochen. Herr Schafitel hat, ich meine 2016 oder 2017, ein Interview gegeben mit der Aussage, nach seinen Berechnungen koste das Staatstheater um die 300 Millionen Euro. Sie sind damals von knapp vier Prozent Preissteigerung ausgegangen, Herr Schafitel, jetzt sind wir zwischen fünf und sechs Prozent. Wir haben zwischenzeitlich einen Kostencontroller beauftragt, den Sie damals beantragt haben. Und ich bin Ihnen dafür dankbar, weil er aufzeigt, wie sich die Preise und Kosten bis zum Abschluss der Baumaßnahme entwickeln können. Es gibt jetzt einen Kostenkorridor, da wir alle nicht in die Zukunft schauen können. Der Stadtrat muss nun entscheiden: Können wir es uns leisten oder müssen wir Abstriche machen, die dann zulasten des „Bestellten“ gehen. Wir haben erhebliche Einsparungen vorgenommen. Wir haben zum Beispiel eine Probebühne gestrichen, Magazinflächen in den Untergeschossen reduziert und das Orchesterprobengebäude an anderer Stelle integriert. Diese Entscheidungen fielen dem Staatstheater nicht leicht.
Freund: Wir reden im Moment nicht nur über Index-Baupreissteigerungen. Dass wir die bei einem Projekt, das über zehn und zwölf Jahre läuft, haben, ist klar. Es geht um mehr, nämlich um 30 Millionen Mehrkosten für eine im Vergleich zum Beschluss von 2016 bereits abgespeckte Variante, die nicht über die allgemeine Teuerung im Baubereich zu erklären sind. Zur Begründung hieß es lapidar, man habe sich beim Grundwasserstand verschätzt. Da frage ich mich: Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir in Augsburg an dieser Stelle bauen. Das sind Fragen, die muss man sich schon gefallen lassen. Wo kommen die Kostensteigerungen, die nicht auf die Baupreissteigerungen zurückzuführen sind, her?
Weber: Die Fragen darf man ja auch stellen. Wir sind an dem Punkt, wo wir ganz offen noch entscheiden können, in welche Richtung das gehen soll, da wir uns in der Vorentwurfsphase befinden. Und insofern hoffe ich auf eine gute, sachliche und zielführende Diskussion im Stadtrat. Hier geht es nicht darum, dass wir mit dem Kopf durch die Wand wollen. Wir müssen miteinander entscheiden: Was ist uns wichtig? Auch für den Theaterstandort Augsburg, der inzwischen Staatstheater ist.
Volker Schafitel: Herr Merkle, Sie haben vorher gesagt, ich hätte mit meiner Vorhersage von den 300 Millionen Euro recht gehabt. Es hätte mich natürlich gefreut, wenn die Stadtregierung mir damals schon zugestimmt hätte. Aber das Gegenteil war der Fall, man hat mir vorgeworfen, ich würde mit unseriösen Zahlen agieren, ich würde Äpfel mit Birnen vergleichen. Man hat zu mir gesagt, wir haben 186 Millionen und bei den 186 Millionen wird’s bleiben.
Merkle: Ihre damaligen Zahlen waren spekulativ. Wir haben aber immer dargelegt, dass 186 Millionen in den Folgejahren indexiert werden müssen.
Schafitel: Ich habe oft die Frage der Indexierung gestellt. Und man kann doch nicht im Stadtrat sagen, ein Jahr nach dem andern: „Es kostet 186 Millionen.“ Man muss doch zumindest mal sagen: Leute, jetzt kostet es fünf Prozent mehr und im nächsten Jahr wieder. Dann hätten irgendwann auch die Kollegen von der SPD gesagt: Moment, wenn das so weitergeht, passt unser Kostendeckel ja nicht mehr. Und, Frau Oberbürgermeisterin, Sie haben als Finanzreferentin Ihre Finanzierungsmatrix bis 2039 mit diesen 186 Millionen geführt. Da denkt erst mal kein Stadtrat dran, dass es irgendwann mal 300 Millionen kosten kann. Vielleicht haben Sie ja selber gedacht, wir landen am Ende bei 186 Millionen. Weshalb haben Sie nicht gesagt, dass es mit der Baupreissteigerung teurer wird und Sie mehr Geld brauchen?
Weber: Weil wir das permanent im Stadtrat besprochen haben, Herr Schafitel. Wir haben permanent über das Thema Indexierung geredet. Unser Fehler war vielleicht, dass wir es nie visualisiert haben. Ich glaube, dann wäre es vielen Stadtratskolleginnen und -kollegen klarer gewesen. Und zur Finanzierung: Haushaltsrechtlich kann ich doch nur Kredite aufnehmen für hinreichend konkrete Summen. Das waren diese 186,34 Millionen Euro. In Zeiten, in denen die Stadt für Guthaben auch Negativzinsen zahlen muss, wäre es ein Wahnsinn gewesen, Kredite aufzunehmen, bei denen das Geld dann erst mal rumliegt. Vielleicht hätten wir es auf die Matrix draufschreiben sollen, dass wir eine Indexerhöhung haben werden, obwohl es im Stadtrat immer diskutiert worden ist.
Aktuell dreht sich die Debatte um Bauteil zwei, also den Neubau für Verwaltung, Werkstätten und Proberäume sowie um die zweite Spielstätte. Wie ist die Situation beim Großen Haus? Dessen Sanierung läuft ja schon.
Merkle: Wir haben, Stand 2016 und ohne Baupreissteigerung, für das Große Haus mit 113,5 Millionen Euro kalkuliert. Wir hatten einen Puffer von 22 Millionen für Unvorhergesehenes eingeplant, und das ist gut, weil wir jetzt wissen, dass die Fundamente nicht den Plänen des 19. Jahrhunderts entsprechen. Wir haben zudem erhebliche Schadstoffbelastungen vorgefunden. Aber wir befinden uns beim Großen Haus im Kostenrahmen, der vom Stadtrat so beschlossen wurde. Das zeigt, dass seriös geplant wurde. Und wir haben jetzt auch für das Bauteil zwei eine Planung, über die der Stadtrat nächste Woche entscheiden kann
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Warum kann man beim Bauteil zwei nicht noch mehr einsparen?
Merkle: Es gibt einige Bereiche, wo wir nicht kürzen können. Wir hätten sonst nur die zweitbeste Lüftung im Kleinen Haus, nur die zweitbeste Akustik mit Nachhall-Effekten, nur die zweitbeste Theatertechnik. Die Fachplaner haben signalisiert, dass sie dies nicht empfehlen können. Sollte der Stadtrat dies wünschen, müssten die Planer aus der Haftung entlassen werden, da dies nicht mehr dem Stand der Technik entspricht. Und ich kann dem Stadtrat dies nicht empfehlen.
Herr Freund, Herr Marcon, die Sozialfraktion und Augsburg in Bürgerhand haben ein Moratorium aufgeworfen und auch die Frage, ob das aktuelle Interim im Gaskessel nicht zur Dauerlösung werden könnte. Warum?
Marcon: Die gesamte Kosten- und Finanzplanung ist gescheitert. Wir haben eine ganz neue Situation, über die der Stadtrat entscheiden soll, ohne dass aus meiner Sicht Rechtssicherheit besteht. Das, was wir bisher vorgelegt bekommen haben, lässt keine ausreichend seriöse Beurteilung der zukünftigen Finanzierung zu. Frau Oberbürgermeisterin, Sie haben noch kein neues Verhandlungsergebnis mit der Staatsregierung in Sachen Förderung vorgelegt. Das ist aber eine Grundlage, damit der Stadtrat überhaupt entscheiden kann. Aus meiner Sicht muss der ganze Prozess der Aufsichtsbehörde übertragen werden. Wenn das die Aufsichtsbehörde nicht macht, muss man diesen Komplex eventuell gerichtlich klären lassen.
Merkle: Es werden hier Dinge in den Raum gestellt, das ist schon fast lächerlich. Wir haben ja mittlerweile den Förderbescheid für das Bauteil eins. Und die Aufsichtsbehörde, die Regierung von Schwaben in Vertretung des Freistaats Bayern, prüft exakt alles, was Sie ansprechen, Herr Marcon, andernfalls würden wir ja keine Fördergelder erhalten.
Freund: Wir als Sozialfraktion erheben solche Vorwürfe nicht. Wir gehen davon aus, dass die Vergaben ordentlich gelaufen sind. Aber wie gesagt: Wir haben beim Bauteil zwei rund 30 Millionen mehr an Kosten, die nicht durch Baupreissteigerung zu erklären sind. Die müssen irgendwo herkommen. Und wir werden auch beim Bauteil eins noch die eine oder andere Überraschung erleben. Von daher setzen wir uns dafür ein, dass man jetzt beschließt: Wir machen nicht einfach weiter, sondern schauen uns das Ganze noch mal im Hinblick auf Abspeckmöglichkeiten an. Es darf nicht passieren, dass wir uns als Stadt völlig übernehmen. Die Schulden, die wir haben, auch von uns mitgetragen, sind in den letzten Jahren ja ohnehin angestiegen. Weil wir viele wichtige Projekte angestoßen haben, auch im Bereich der Schulsanierungen. Es steht jetzt auch ein Sport- und Bäder-Entwicklungskonzept auf der Agenda, wo die Menschen zu Recht erwarten, dass etwas passiert. Uns als Sozialfraktion sind die Arbeitsbedingungen am Theater ein Herzensanliegen. Die SPD ist auch eine Partei der Kultur, aber wenn es finanziell so aus dem Ruder läuft, müssen wir gegensteuern. Dass das Große Haus am Kennedyplatz steht, ist klar, aber vielleicht lassen sich andere Funktionen wie die Verwaltung an anderer Stelle unterbringen.
Weber: Die Zahlen, die hier genannt werden, hören sich ohne Zweifel sehr groß an. Aber was bedeuten sie konkret für den städtischen Haushalt? Wir haben für die jetzige Finanzierung einen Eigenanteil von 3,85 Millionen Euro jedes Jahr im Haushalt. Das überfordert uns nicht. Wir haben das so gemacht, um eben auch andere Projekte zu ermöglichen. Und der Beweis, dass das geht, ist in den letzten Jahren erbracht worden. Ansonsten hätte es nicht die ersten Umsetzungen beim Sport- und Bäder-Entwicklungsplan gegeben, es hätte nicht die Schulsanierung gegeben und vieles andere mehr. Und wenn wir unterstellen, dass der Freistaat Bayern bei dem Projekt, wie es nun auf dem Tisch liegt, bei seiner Förderung bleibt, würden für uns als Stadt jährlich ungefähr weitere 2,7 Millionen Euro dazukommen. Das heißt, wir hätten eine jährliche Gesamtbelastung von rund 6,5 Millionen. Bei einem Gesamtvolumen des städtischen Haushalts von 1,1 bis 1,2 Milliarden Euro glaube ich, dass das eine Summe ist, die auch machbar ist. Im Übrigen, Herr Marcon, ich habe Ihnen noch nichts erzählt zum Thema Förderung durch den Freistaat, weil ich dazu noch in Gesprächen bin. Zaubern kann ich nicht, auch wenn ich es mir manchmal wünschen würde.
Frau Weber, was sagen Sie zum Vorschlag der SPD, eine Interimsspielstätte dauerhaft zu betreiben? Dann könnte man sich den Bau eines Kleinen Hauses am Kennedyplatz sparen.
Weber: Die Interimsspielstätten sind tolle Spielstätten, aber es sind eben nur Interimsspielstätten, auch mit den entsprechenden Nachteilen für den Betriebsablauf des Theaters. Und wir müssen dafür ja zudem Miete zahlen. Wir als Stadt haben auch immer gesagt, das Ofenhaus im Gaswerk, wenn es mal nicht mehr vom Theater bespielt wird, soll ein Ort für die freie Szene sein, die auch dringend Räume benötigt. Wenn das Theater dort bleibt, hat das letztlich zur Folge, dass es perspektivisch insgesamt weniger Kultur in der Stadt gibt.
André Bücker: Es sind Interimsspielstätten, die provisorisch ausgestattet sind. Die Werkstätten sind deutlich zu klein, um das Große Haus bedienen zu können. Ohne neue Werkstätten würden wir in ein frisch saniertes Großes Haus einziehen und Setzkastenbühnenbilder bauen müssen, die täglich durch die Stadt transportiert werden müssen. Es gäbe auch keinen Orchesterproberaum. Das wäre eine absurde Gesamtsituation. Jeder, der behauptet, man könne ebenso gut Theater an den Interimsorten weitermachen, täuscht die Öffentlichkeit. Was ein Moratorium angeht, also eine Denkpause: Wir sind schon seit vier Jahren im Interim. 2016 ist das Große Haus von einem Tag auf den anderen wegen des Brandschutzes geschlossen worden. Bei dem, was dieses Haus seit vier Jahren an Veränderung und auch Umzügen durchmacht, ist es fast unglaublich, dass wir es so geschafft haben, wie wir es geschafft haben. Wir bauen jetzt etwas im Zentrum der Stadt, wo sich auch die nächsten Generationen drin wiederfinden sollen. Ein kulturelles Zentrum, mit Achsen etwa zum Leopold-Mozart-Zentrum und zur Stadtbibliothek.
Hand aufs Herz, ließe sich nicht doch noch was sparen? In der Vergangenheit gab es ja auch schon Abspeckrunden. Da hieß es erst: Schwierig, und ging doch noch etwas.
Bücker: Was die Planung vor 2016 angeht, war ich noch nicht in der Stadt und kann das nicht bewerten. Wir haben aber jetzt, in Zusammenarbeit mit dem Architekten und mit Herrn Merkle und seinem Team, noch mal intensiv die Planung überprüft. Und wir haben Einsparungen gemacht, die aber schmerzhaft sind.
Freund: Bei aller Sympathie, die wir fürs Theater haben: Wenn wir einen Sportverein oder eine Einrichtung im Bildungsbereich fragen würden, was sie denn brauchen, und dann planen lassen, würden überall hervorragende Lösungen herauskommen, wie beim Staatstheater auch. Wir müssen aber wissen, dass das alles unter einem Finanzierungsvorbehalt steht. Der Kostendeckel war für uns ein maßgeblicher Punkt, warum wir überhaupt zugestimmt haben. Heute muss man sagen, man hat uns die Illusion gegeben, es gäbe einen Kostendeckel.
Merkle: Es ist legitim, wenn die SPD sagt, wir wollen das Theater mit den Kosten in dieser Form nicht, uns ist dieses oder jenes wichtiger. Dann ist das eine politische Aussage. Es wird andere geben, die sagen, wir wollen als Metropole ein Staatstheater in dieser Form. Es entscheidet im Übrigen auch der Freistaat mit. Man kann nicht überall etwas einsparen und streichen, weil es dann im Ergebnis kein Staatstheater mehr ist. Dann ist es vielleicht das Ohnsorg-Theater in Hamburg, aber kein Staatstheater mehr. Was das Moratorium angeht: Einfach mal nichts tun in der Hoffnung, dass jemandem etwas einfällt, hat zur Folge, dass wir in einem Jahr wieder hier sitzen, nur ist das Projekt dann aufgrund der Baupreissteigerungen wieder zwischen acht und 14 Millionen teurer geworden. Wir können es schlichtweg nicht ändern, dass es jährlich Baupreissteigerungen gibt. Wir haben jetzt eine sehr konkrete Kostenschätzung für Bauteil zwei. Beim Bauteil eins haben wir das auch so gemacht, und die Zahlen sind auch heute immer noch belastbar.
Schafitel: Ein Moratorium heißt nicht, dass man ein Jahr nichts tut, es dient ja dazu, zurückzuschauen und den Entwicklungs- und Planungsprozess noch mal zu überarbeiten, mit verschiedenen Fachleuten. Es ist klar, dass wir ein funktionierendes Staatstheater brauchen. Aber die kompakte Lösung, alles auf einem Haufen auf verhältnismäßig wenig Platz zu bauen, macht es teuer. Und da meine ich, wäre ein Moratorium gut.
Marcon: Wenn wir ein Moratorium diskutieren, müssen wir zwei Bausteine anschauen. Das erste ist die Frage: Wollen wir es uns als Stadt erlauben, uns auf Jahrzehnte hinaus Kosten aufzuladen, die uns in anderen Bereichen des Haushalts fehlen werden? Und ein zweiter Punkt, an Herrn Bücker gerichtet: Ich muss Ihnen schon meine Enttäuschung ausdrücken. Von einem Intendanten erwarte ich Visionen, wie das Theater des Jahres 2030 aussehen soll. Und Sie reduzieren die Diskussion, ich sag’s jetzt mal ein bisschen provokativ, auf eine Debatte des 19. Jahrhunderts. Es gibt sehr viele Stimmen aus der Theatergemeinde, die sagen, wir brauchen in Zukunft dezentrale Lösungen. Ich leide unter diesem Widerspruch, den wir gerade haben, weil ich begeisterter Kulturanhänger bin. Aber die Reduzierung der Debatte auf einen zentralen Spielort ist die falsche Antwort. Es müssen mehr temporäre Spielstätten geschaffen werden, damit dort Kultur an die Menschen herangetragen wird und kulturelle Aktivitäten in den Stadtteilen aufgenommen werden. Die Kirchen und die Jugendhäuser sollen beispielsweise ein Bestandteil dieser Kultur sein.
Bücker: Sie verkürzen die Debatte auf das Finanzielle und versuchen nun, das noch etwas inhaltlich aufzupeppen. Aber Ihre Argumente zeigen mir, dass Sie unseren Spielplan nicht kennen. Dass Sie nicht wissen, was hier seit drei Jahren am Theater abläuft. Dass wir mit dezentralen Formaten enorm viel experimentieren, dass wir in Kirchen arbeiten, zusammenarbeiten mit Institutionen, mit freien Gruppen, mit Jugendhäusern. All das, was Sie gerade aufgezählt haben, ist bereits Teil unseres Spielplans. Wir haben gerade deutschlandweit und international beachtete Spielformen im Bereich der Digitalität entwickelt. Aber der zentrale Standort ist trotzdem wichtig. Wir wollen ein offenes Haus sein, wir wollen auch ein Ressourcenzentrum sein für verschiedene Communities, für die Freie Szene, für all das. Aber wir wollen auch hochwertig produzieren können. Und das können wir im Moment nicht.
Weber: Herr Marcon, Sie tun so, als würde Dezentralität kein Geld kosten. Und Punkt zwei: An Ihrer Wortmeldung merkt man auch, dass Sie glauben, dass ein Schauspielhaus gebaut wird mit einer Guckkastenbühne. Das ist nicht so. Das Bauteil zwei, zu dem auch das Kleine Haus gehört, soll nach dem Willen der Bürgerinnen und Bürger, die sich beim Beteiligungsprozess engagiert haben, ein Kulturort für die Stadt werden. Ein offener Ort, wo die Menschen sich begegnen können. Und das ist die Entscheidung, die wir nächste Woche treffen wollen. Wollen wir dieses Haus, wie es auch von den Augsburgerinnen und Augsburgern gewünscht wird – oder nicht? Es haben sich rund 1500 Menschen beteiligt, was für einen Beteiligungsprozess viel ist. Wollen wir sie wirklich enttäuschen?
Freund: Die Bürgerbeteiligung beruhte aber auf einem anderen Konzept. Das waren allgemein formulierte Anforderungen an das Theater. Ob das an einem Standort passieren muss oder dezentrale Spielstätten infrage kommen, etwa am Gaswerk, war nicht Gegenstand der Bürgerbeteiligung. Insofern verwehre ich mich gegen die Aussage, dass alle, die etwas am jetzt vorgelegten abgespeckten Entwurf ändern wollen, den Bürgerwillen ignorieren.
Weber: Das behauptet niemand. Aber was das Kleine Haus betrifft, sind in die Planung die Punkte aus der Bürgerbeteiligung eingeflossen, etwa dass es Foyers gibt, wo Lesungen oder Poetry-Slams stattfinden können. Auch das Thema Gastronomie, das bei solchen Flächen nicht einfach umzusetzen ist, stammt aus der Bürgerbeteiligung. Und da muss sich jeder die Frage stellen, ob er etwas davon infrage stellen möchte.
Herr Marcon, Sie haben gefordert, dass die Bürger entscheiden sollen. Glauben Sie, dass das die Leute interessiert, nachdem ein Bürgerbegehren ja schon mal gescheitert ist?
Marcon: Ich denke, es handelt sich um eine so grundsätzliche Frage, die nicht nur der derzeitige Stadtrat entscheiden kann, der ja in seiner Legislatur auf sechs Jahre begrenzt ist. Das sind Fragen, die die Stadtgesellschaft auf Jahrzehnte beschäftigen. Und deswegen sollten, nach meinem Verständnis, über solche Fragen die Bürger entscheiden. Ich würde mir wünschen, dass man den Bürgern eine neue seriöse Planung in einem Ratsbegehren zur Entscheidung vorlegt.
Frau Weber, könnten Sie sich mit einem Ratsbegehren anfreunden?
Weber: Das ist zum einen die Entscheidung des Stadtrates und nicht meine Entscheidung. Ich habe hohen Respekt vor den demokratischen Mitteln, die die Gemeindeordnung zur Verfügung stellt. Dazu gehört auch, dass es Bürgerbegehren und Bürgerentscheide gibt. Ich bin aber auch der Überzeugung, dass wir im Stadtrat gewählt sind, um im Rahmen der repräsentativen Demokratie für die Bürgerinnen und Bürger Entscheidungen zu treffen.
Wie offen ist denn die Entscheidung in der nächsten Woche? CSU und Grüne haben sich ja bereits darauf festgelegt, dass die Theatersanierung wie geplant weitergehen soll …
Weber: Es wird fast so getan, als würde das eine wahnsinnige Schlacht werden, die sich in der nächsten Woche im Stadtrat abspielt. Uns, Gerd Merkle und mir, geht es darum, dass wir dem Stadtrat noch mal alles vorstellen. Das heißt dann auch an die Stadträtinnen und Stadträte gerichtet: Der Stadtrat hat eine Bestellung aufgegeben für das Bauteil zwei, und diese Bestellung kostet 115,6 Millionen Euro. Und der Stadtrat muss entscheiden: Machen wir es oder machen wir es nicht. Ich habe dazu eine Haltung, Gerd Merkle auch. Ich weiß von meiner Fraktion und vom Koalitionspartner, dass sie ebenfalls eine klare Haltung haben. Und trotzdem geht es mir darum, dass wir das nächste Woche im Stadtrat gut diskutierten.
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