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Augsburg: Streik bei Premium Aerotec: Die Geduld der Mitarbeiter ist zu Ende

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Streik bei Premium Aerotec: Die Geduld der Mitarbeiter ist zu Ende

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    Rund 1200 Beschäftigte von Premium Aerotec gingen am Freitag auf die Straße, um sich gegen die Zerschlagung ihres Standorts durch die Mutter Airbus zu wehren.
    Rund 1200 Beschäftigte von Premium Aerotec gingen am Freitag auf die Straße, um sich gegen die Zerschlagung ihres Standorts durch die Mutter Airbus zu wehren. Foto: Bernd Hohlen

    Die Gewerkschafter von der IG Metall werden am Freitagvormittag vor dem Firmengelände von Premium Aerotec in Haunstetten gefeiert wird wie Popstars. Was sie sagen, kommt an bei den Beschäftigten des Luftfahrtzulieferers. Die provokanten und markigen Aussprüche zur Lage des Unternehmens, das auf Wunsch der Mutter Airbus zerschlagen werden soll, werden von lauten Jubelrufen, rasselnden Ratschen und Applaus begleitet. Teils ist die Geräuschkulisse ohrenbetäubend laut, die Redner winken währenddessen siegessicher ins Publikum. Richtig laut wird es, als Augsburgs IG-Metall-Chef Michael Leppek an die Geschäftsführung von

    Premium Aerotec in Augsburg für 20 Stunden im Warnstreik

    Bereits zuvor hatte Leppek mehrfach darauf hingewiesen, dass die Geduld der Belegschaft sowie der Arbeitnehmervertreter im Kampf um den Erhalt des Augsburger Werks dem Ende zugehe: "Heute ist der Tag, an dem wir endgültig sagen, es ist Schluss, wir lassen uns nicht mehr verarschen!", ruft er den rund 1500 Teilnehmern der Kundgebung zu. Was folgt war frenetischer Jubel. Kurzzeitig wird für den Protest sogar die Haunstetter Straße gesperrt. Die Mitarbeiter sind froh über die deutlichen Worte. Michael Baumüller, 50, etwa sagt: "Die Lage ist sehr kritisch. Wir müssen alle zusammenstehen, damit wir die Krise meistern und wir Airbus überzeugen, dass wir nur gemeinsam vorwärtskommen können."

    Michael Baumüller, 50, ist seit über 20 Jahren im Unternehmen. Er sagt: "Wir müssen alle zusammenstehen."
    Michael Baumüller, 50, ist seit über 20 Jahren im Unternehmen. Er sagt: "Wir müssen alle zusammenstehen." Foto: Bernd Hohlen

    Die Stimmung ist auf dem Siedepunkt, das ist vor dem Werk in Haunstetten deutlich zu spüren. Für Freitag hatte die Gewerkschaft bundesweit an allen Airbus- und Premium-Aerotec-Standorten zum Warnstreik aufgerufen. In Augsburg dauert der Ausstand fast 24 Stunden. Er ist eine Reaktion auf die seit Monaten laufenden Versuche von IG Metall und Betriebsrat, auf die von Airbus geplante Neustrukturierung des Konzerns einzuwirken. Die Airbus-Pläne sehen vor, die Fertigung von großen Flugzeugteilen in einer neuen Firma unter dem Namen Neue Aerostructure GmbH (ASA) aufgehen zu lassen. Davon betroffen wären Airbus-Standorte in Hamburg und Stade sowie drei von vier Augsburger Werkteilen von Premium Aerotec und weitere Standorte der Airbus-Tochter in Bremen und Nordenham. Der vierte Premium-Aerotec-Werksteil in Augsburg sowie ein weiterer Premium-Aerotec-Standort in Varel sollen abgespalten und - an einen bisher noch nicht bekannten Investor - verkauft werden.

    Airbus lehnt Vorschlag der Gewerkschaft als "verhandlungsunfähig" ab

    Diese Abspaltung würde in Augsburg das Werk vier treffen, in dem rund 2200 der 2700 Mitarbeiter tätig sind. Die Sorge: Bei einer Abspaltung und Zerschlagung droht ein Personalabbau, dem abgespaltenen Betriebsteil womöglich über kurz oder lang auch das Aus. In Augsburg stünden damit eine Menge Arbeitsplätze auf dem Spiel. Nach wie vor rückt der Konzern nicht von seinen Plänen ab. Die Konzepte der Arbeitnehmervertreter zur Zukunftssicherung lehnte Airbus zuletzt als "verhandlungsunfähig" ab. Auch auf den geforderten Sozialtarifvertrag für vom Umbau betroffene Beschäftigte ist Airbus bislang nicht eingegangen. Die seitens Airbus angekündigten Zugeständnisse bezeichnet der Betriebsratsvorsitzende Sebastian Kunzendorf am Freitag als "Farce".

    Airbus will effizienter werden. Und Premium Aerotec ist laut Airbus seit zwölf Jahren unwirtschaftlich - und um 30 Prozent zu teuer. Ein Argument, das IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner so nicht gelten lässt. "Die Defizite bucht uns Airbus seit zwölf Jahren direkt in die Bilanzen. Aussagen, diese würden aus dem operativen Geschäft kommen, sind falsch", ist er wütend. Auch andere Redner an diesem Vormittag teilen die Ansicht, dass Airbus gar kein Interesse daran habe, die Vorschläge der Gewerkschaft ernsthaft zu prüfen.

    Der CSU-Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich sieht auch die Politik in der Pflicht - und damit auch die Bundesregierung. Er sagt: "Airbus gehört zu elf Prozent dem Staat. Deshalb darf es ihm auch nicht egal sein, was mit den Arbeitsplätzen bei Premium Aerotec passiert." Neben Ulrich sind auch seine SPD-Kollegin Ulrike Bahr, Augsburgs Zweite Bürgermeisterin Martina Wild (Grüne) und Wirtschaftsreferent Wolfgang Hübschle am Freitag beim Protest dabei. Mitarbeiter Thomas Jung fordert auch, dass sich die

    Tradition der Luftfahrtindustrie soll weiter gehen

    Mitarbeiter Thomas Jung hofft, dass Protest und Warnsteiks bei Premium Aerotec wirken.
    Mitarbeiter Thomas Jung hofft, dass Protest und Warnsteiks bei Premium Aerotec wirken. Foto: Bernd Hohlen

    Wirtschaftsreferent Hübschle sagt den Beschäftigten am Freitag erneut Unterstützung zu. Für ihn geht es um die Arbeitsplätze - aber auch um den generellen Erhalt in Augsburg traditionsreichen Luftfahrtindustrie. Dabei spielt er auf die Ansiedlung des Fraunhofer-Instituts und des Deutschen Instituts für Luft- und Raumfahrt im Innovationspark an. Auch er wirkt zunehmend genervt vom Airbus-Konzern: "Wir haben hier, auch im Sinne von Premium Aerotec, eine Technologieachse geschaffen, und das alles soll jetzt bei dieser Entscheidung keine Rolle mehr spielen? Da ist das Verständnis endlich."

    Trotz der verfahrenen Situation zeigen sich Gewerkschaft und Beschäftigte am Freitag hoffnungsvoll, dass der Protest doch noch Wirkung zeigt. "Ich hoffe, dass man nun endlich auf unsere Forderungen eingeht und Arbeitsplätze erhalten bleiben. Da hängen ja auch Familien dran", sagt Maik Klar. Thomas Jung, 55, ist seit 40 Jahren im Unternehmen und ebenfalls "guter Hoffnung". Auch Augsburgs IG-Metall-Chef Michael Leppek ist zuversichtlich, sagt aber auch deutlich, dass man im Zweifel noch weitergehen müsse: "Wenn das heute keinen Durchbruch bringt, müssen wir über eine Urabstimmung und unbefristete Streiks nachdenken."

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